Simulation hat die Produktentwicklung in der Fluidtechnik grundlegend verändert — vom Ventil bis zum Durchflussmesser entstehen Konzepte heute digital statt über teure Prototypen.
Ragna SonderleittnerRagnaSonderleittner
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Dr. Phillip Oberdorfer, Comsol, ist überzeugt, dass Simulation längst kein ‚nice-to-have‘ mehr ist.Comsol)
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Simulation verändert die Art und Weise, wie in der
Fluidtechnik entwickelt wird – vom Ventil bis zum Durchflussmesser. Dr. Phillip
Oberdorfer erklärt, wie Konstrukteure mit digitaler Entwicklung ihre Produkte
schneller, kostengünstiger und präziser gestalten können und wie Comsol das
ermöglicht.
Herr Dr. Oberdorfer, Sie sind seit vielen Jahren bei Comsol
tätig. Können Sie uns kurz schildern, wie Ihr Weg dorthin verlief?
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Dr. Phillip Oberdorfer: Gerne. Ich habe Physik studiert,
promovierte anschließend im Bereich Geothermie und kam dabei früh mit
Simulationen in Berührung. Während meiner Doktorarbeit habe ich intensiv mit
Comsol gearbeitet – zunächst als Anwender. Vor rund elf Jahren bin ich dann ins
Unternehmen eingestiegen, anfangs im technischen Support. Heute bin ich bei
Comsol in Deutschland für Technologiekommunikation zuständig, also Webinare,
Fachartikel, Blogbeiträge und den Austausch mit unseren Anwendern in Deutschland
und Österreich. Ich möchte dazu beitragen, dass Simulation als
Schlüsseltechnologie immer breiter eingesetzt wird und so unsere Forschung und
Industrie nachhaltig voranbringt.
Dr. Oberdorfer:Comsol ist ein wirklich universelles Simulationswerkzeug. Es
basiert auf der Lösung partieller Differentialgleichungen, welche den Großteil
der physikalischen Abläufe in unserer Welt beschreiben. Ob Strömungen mit
Navier-Stokes, elektromagnetische Felder nach Maxwell oder Wärmetransport –
alles lässt sich darstellen. Unser Ansatz ist unbeschränkte Multiphysik: Man
kann verschiedene Effekte beliebig kombinieren. Das unterscheidet uns stark von
spezialisierten Tools. Ein Beispiel verdeutlicht das: Ein Konstrukteur möchte
ein Ventil untersuchen. Klassische CFD-Software bildet die Strömung ab – Comsol
kann zusätzlich berücksichtigen, dass sich bei Erwärmung die Viskosität des
Fluids verändert, was wiederum die Strömung beeinflusst. Oder man ergänzt
gleich noch ein elektromagnetisches Feld, wenn es sich um einen Durchflusssensor
handelt.
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Welche Rolle spielt Simulation konkret in der Fluidtechnik?
Darstellung der Strömung in einer Zentrifugalpumpe.Comsol
Dr. Oberdorfer: Ein sehr schönes Beispiel kommt von ABB. Dort wurden
elektromagnetische Durchflussmesser entwickelt. Hier spielt nicht nur die
Strömung, sondern auch das elektromagnetische Feld eine Rolle. Comsol macht es möglich,
die Genauigkeit solcher Sensoren schon digital zu optimieren, bevor der erste
Prototyp gebaut wird. Auch Endress+Hauser setzt auf Comsol, etwa bei der
Entwicklung von Coriolis-Durchflussmessern. Diese Sensoren arbeiten mit
Schwingungen und Phasenverschiebungen. Das Verhalten hängt stark vom Fluid ab –
ideal für eine multiphysikalische Simulation.
Viele Konstrukteure arbeiten mit CAD-Systemen. Wie fügt
sich Comsol dort ein?
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Dr. Oberdorfer: Neben der Möglichkeit zum direkten Import von CAD-Dateien
bieten wir sogenannte LiveLinks, etwa zu AutoCAD. Das heißt: Änderungen an der
Geometrie werden automatisch synchronisiert, Ergebnisse können ins CAD
zurückgespielt werden. So entsteht ein durchgängiger Workflow – die klassische
Trennung zwischen CAD und Simulation verschwindet zunehmend. Wenn ein
Unternehmen möchte, dass sich Geometrien automatisch aus einer Teilenummer
abrufen lassen – auch das ist durchaus technisch machbar. Comsol ist extrem flexibel,
auch wenn es um Schnittstellen geht.
Muss man als Konstrukteur erst ein IT-Experte werden, um mit
Comsol zu arbeiten?
Strömung in einem Zyklon. Zyklone werden in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, vom Bergbau bis zu Staubsaugern.Comsol
Dr. Oberdorfer: Nein – aber man muss verstehen, was man tut. Ergebnisse zu
produzieren ist leicht. Aber nur, wenn die Randbedingungen und Materialdaten
korrekt gesetzt sind, entsteht ein physikalisch valides Modell. Deshalb bieten
wir Schulungen und eine große Lernbibliothek an. Für Unternehmen ohne
Simulationsabteilung gibt es einen pragmatischen Weg: Simulations-Apps. Solche
Apps sind mit ‚Bordmitteln‘ direkt in Comsol mit wenigen Klicks erstellbar.
Unternehmen können somit ihre eigenen maßgeschneiderten Simulations-Apps
erstellen oder erstellen lassen und so die Vorteile der Simulation in allen
Abteilungen verfügbar machen, ohne dass die Anwender irgendwelche Vorkenntnisse
dafür benötigen. Das ist es, was wir unter ‚Demokratisierung der Simulation‘
verstehen.
Sind die Begriffe ‚Simulation‘ und ‚digitaler Zwilling‘
Synonyme?
Lässt sich der Nutzen von Simulation quantifizieren?
Dr. Oberdorfer: Nicht pauschal, dafür ist die Spanne dabei zu groß. Unsere
Anwender haben Projekte, bei denen die Entwicklungskosten halbiert wurden. In
anderen Fällen waren es bis zu 98 %
weniger. Pauschale Zahlen sind schwierig – aber
eines gilt immer: Noch nie war es aufwendiger, nachdem Simulation eingeführt wurde. Statt 50 Prototypen braucht man mit Simulationen oft
nur noch drei oder vier. Der vierte sitzt dann. Das spart nicht nur Geld,
sondern auch wertvolle Zeit.
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Über Comsol Multiphysics
Comsol Multiphysics ist das Plattformprodukt für die
Erstellung physikbasierter Modelle und Simulations-Apps. Es umfasst den Model
Builder, den Application Builder und den Model Manager. Der Model Builder
enthält alle Funktionen und Operationen zum Erstellen, Lösen, Visualisieren und
Auswerten von Modellen. Mit dem Application Builder lassen sich eigene Simulations-Apps
erstellen. Der Model Manager ist ein Workspace für das Management von Modellen
und Apps.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Ihrem Bereich?
Dr. Oberdorfer: Eine zunehmend Große. Unsere Anwender trainieren neuronale
Netze auf Basis klassischer Simulationen. Die KI lernt, wie sich das Modell
verhält – und kann dann Ergebnisse in Sekundenbruchteilen liefern. Das ist besonders
für digitale Zwillinge wichtig, die in Echtzeit reagieren müssen, etwa in der
Betriebsüberwachung. Wir sind immer wieder verblüfft, wie präzise die KI auch
komplexe Multiphysik-Modelle abbilden kann. Ohne Rechenzeit – und doch mit sehr
hoher Genauigkeit.
Wie die App-Erstellung ist auch dieses Feature übrigens
direkt in Comsol integriert und immer verfügbar.
Manche Mittelständler sagen, sie kämen auch ohne digitale
Simulation aus. Was entgegnen Sie?
Dr. Oberdorfer: Ich glaube, die Schwelle vom Nice-to-have ist längst
überschritten. Wer schneller, günstiger und präziser entwickeln möchte, kommt
nicht daran vorbei.
Die Beispiele von ABB und Endress+Hauser machen es greifbar:
Simulation verkürzt Entwicklungszeiten, reduziert Kosten und erhöht die
Qualität. Das sind belegbare Effekte, die heute wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit
sind. Erfahrung bleibt wichtig – aber Erfahrung kann das Unternehmen verlassen,
wenn Mitarbeiter gehen. Ein digitaler Entwicklungsprozess dagegen bleibt und
macht Wissen dauerhaft nutzbar.
Außerdem – die Konkurrenz schläft nicht. Wenn jemand
Bauteile mit einem Bruchteil des Aufwands entwickelt und die Produkte am Ende
auch noch besser performt – dann ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Die Fragen stellte Ragna Sonderleittner
FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Simulation in der Fluidtechnik
Was versteht man unter Simulation in der Fluidtechnik?
Simulation in der Fluidtechnik bezeichnet die digitale
Nachbildung physikalischer Prozesse wie Strömung, Druck, Temperatur oder
Schwingungen. Mithilfe von Software wie Comsol Multiphysics können
Konstrukteure das Verhalten von Komponenten wie Ventilen oder Durchflussmessern
virtuell testen und optimieren – noch bevor ein physisches Bauteil gefertigt
wird.
Welche Vorteile bietet die Simulation gegenüber klassischen
Prototypen?
Simulation reduziert Entwicklungszeit und -kosten erheblich,
da weniger physische Prototypen benötigt werden. Fehler und Schwachstellen
lassen sich bereits im digitalen Modell erkennen und beheben. Zudem können
Parameter wie Materialeigenschaften oder Betriebsbedingungen variabel
durchgespielt werden – schneller und kostengünstiger als mit realen Tests.
Was ist der Unterschied zwischen Simulation und einem
digitalen Zwilling?
Simulation ist ein generisches Modell, das verschiedene
Szenarien testet. Ein digitaler Zwilling ist das präzise digitale Abbild eines
realen Produkts im Betrieb, inklusive Daten aus der Nutzung. Während Simulation
für die Entwicklung entscheidend ist, begleitet der digitale Zwilling das
Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus – etwa zur Wartung oder
Betriebsüberwachung.
Muss man Programmierer sein, um mit Comsol zu arbeiten?
Nein. Zwar ist ein physikalisches Grundverständnis
erforderlich, um valide Modelle zu erstellen. Aber Comsol bietet
benutzerfreundliche Schnittstellen, Schulungen und eine große Lernbibliothek.
Zudem können sogenannte Simulations-Apps erstellt werden, die auch von
Nicht-Experten sicher bedient werden können.
Welche Branchen und Unternehmen nutzen Comsol in der
Fluidtechnik?
Zu den Anwendern zählen unter anderem ABB und
Endress+Hauser, die elektromagnetische und Coriolis-Durchflussmesser
entwickeln. Comsol wird überall dort eingesetzt, wo komplexe physikalische
Zusammenhänge wie Strömung, Temperaturverhalten oder elektromagnetische Effekte
in Bauteilen untersucht werden müssen.
Wie lässt sich Comsol in bestehende CAD-Systeme integrieren?
Comsol bietet direkte CAD-Imports sowie LiveLinks, z. B. zu AutoCAD. Änderungen an der CAD-Geometrie werden automatisch
synchronisiert, was einen durchgängigen Workflow
zwischen Konstruktion und Simulation ermöglicht.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in der
Simulation?
KI kann auf Basis klassischer Simulationen trainiert werden,
um Vorhersagen in Echtzeit zu treffen – etwa für digitale Zwillinge im
laufenden Betrieb. Comsol bietet diese KI-Funktionalitäten direkt integriert
an, was besonders bei datengetriebenen Anwendungen in der Fluidtechnik von
Vorteil ist.