
Dr. Thomas Röthig, CEO Voss Fluid (links) und Dipl.-Wirt.-Ing. Sebastian Blau, Sales Director, Voss Fluid. (Bild: Voss Fluid)
Seit fast einem Jahrhundert steht die Voss Gruppe für hochwertige Verbindungstechnik in der Automobilindustrie sowie im Anlagen- und Maschinenbau. Im exklusiven Gespräch mit FLUID erläutert Dr. Thomas Röthig, Vorsitzender der Geschäftsführung, gemeinsam mit Vertriebsleiter Sebastian Blau, warum eine Stiftung für Stabilität sorgt, welche Potenziale Wasserstoff und Digitalisierung bieten, und wie technische Innovationen Kunden in aller Welt helfen, effizienter und sicherer zu produzieren.
Herr Dr. Röthig, wie geht es Voss gerade – wirtschaftlich wie strukturell?
Dr. Thomas Röthig: "Uns geht es grundsätzlich sehr gut. Wir setzen seit Jahrzehnten auf eine langfristig ausgelegte Wachstumsstrategie und haben es geschafft, über viele Jahre hinweg mit durchschnittlich über zehn Prozent pro Jahr zu wachsen. Natürlich bleibt auch Voss nicht von konjunkturellen Schwankungen verschont – 2024 war beispielsweise für viele europäische Märkte herausfordernd. Das hat sich auch bei uns im Umsatz niedergeschlagen. Aber langfristig betrachtet zeigt unsere Entwicklung konstant nach oben. Unsere Organisation ist robust aufgestellt, unsere Produkte sind nachgefragt – und das schafft die Grundlage für ein stabiles, nachhaltiges Wachstum."
Wie sieht Ihre strategische Planung bis zum Jahr 2031 aus?
Röthig: "Wir möchten unsere Wachstumsdynamik fortsetzen und verfolgen ein klares Zielbild bis zu unserem 100-jährigen Firmenjubiläum im Jahr 2031. Unser Anspruch ist, auch in den kommenden Jahren ein jährliches Wachstum von rund zehn Prozent zu erzielen und den Gruppenumsatz perspektivisch auf 1,5 Milliarden Euro auszubauen. Dabei setzen wir verstärkt auf eine engere Verzahnung unserer beiden Kernbereiche – der Fluidtechnik und der Automobiltechnik. Kunden fragen zunehmend nach Lösungen, die das gesamte Spektrum abdecken – vom Niederdruck- über Mitteldruck- bis hin zu Hochdruckanwendungen.
Besonders im Bereich Wasserstoffanwendungen, etwa bei Nutzfahrzeugen mit 700-bar-Technologie, sehen wir großes Potenzial. Unsere Strategie sieht vor, diese Kompetenzen enger zu verzahnen und global verfügbar zu machen."
Welche Rolle spielt Wasserstoff konkret für Voss – heute und in Zukunft?
Röthig: "Wasserstoff ist für uns ein strategisch hochinteressantes Feld. Das Thema ist durchaus ein Umsatztreiber, auch wenn der wirtschaftliche Durchbruch aus unserer Sicht erst nach 2031 realistisch ist. Technologisch sind wir mit Hochdrucksystemen sehr gut aufgestellt. Unsere Entwicklungen in diesem Bereich zeigen, dass wir heute schon Produkte anbieten, wie unser Rohrumformsystem VossLok40, die den anspruchsvollen Anforderungen in der Wasserstoffmobilität gerecht werden. Aber die Marktdurchdringung benötigt Zeit, insbesondere in Europa. Unser Ziel ist es, bis zu unserem 100-jährigen Jubiläum auch im Wasserstoffsegment ein signifikantes Umsatzniveau zu erreichen."
Voss ist international tätig. Können Sie einen Überblick über Ihre globalen Standorte geben?
Röthig: "Unsere internationale Präsenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wir sind weltweit mit 23 Gesellschaften vertreten – in Asien unter anderem in China, Indien, Japan und Korea, in Europa beispielsweise in Deutschland, Polen, Bulgarien, Italien, Spanien und Frankreich. In Nord- und Südamerika sind wir in den USA, Mexiko und Brasilien aktiv. Russland zählt nicht mehr zu unseren Märkten – aus geopolitischen, aber auch wirtschaftlichen Gründen. Aktuell haben wir ein zweites Werk in Mexiko in Betrieb genommen und starten gerade ein weiteres in Thailand. Damit stärken wir unsere Präsenz in strategisch wichtigen Regionen und reduzieren Abhängigkeiten von einzelnen Märkten."

Wie schätzen Sie das geopolitische Umfeld für Ihre internationalen Aktivitäten ein?
Röthig: "Natürlich beobachten wir die globalen Entwicklungen sehr genau. Themen wie Handelszölle und regionale Abschottungstendenzen betreffen uns ebenso wie politische Instabilität. Dennoch sehen wir insbesondere in Mexiko großes Potenzial. Wir profitieren dort vom USMCA-Freihandelsabkommen, das uns aktuell Steuerbefreiungen ermöglicht. Auch wenn sich politische Rahmenbedingungen jederzeit ändern können, bleiben wir optimistisch – gerade weil lokale Fertigung für regionale Märkte in jedem Szenario aus unserer Sicht sinnvoll ist."
Voss gehört einer Stiftung – wie wirkt sich das auf Ihr unternehmerisches Handeln aus?
Röthig: "Das ist in vielerlei Hinsicht ein enormer Vorteil. Zum einen müssen wir keine Gewinne an Aktionäre ausschütten oder Banken bedienen, sondern können die erwirtschafteten Mittel fast vollständig ins Unternehmen reinvestieren – in neue Werke, Technologien oder Personalentwicklung. Zum anderen ist unsere Unternehmenskultur stark durch den Stiftungszweck geprägt: Werte wie Verantwortung, gesellschaftliches Engagement und Bildungsförderung, die Hans Hermann Voss vorgelebt hat, prägen unser Handeln bis heute. Und schließlich ermöglicht uns die Stiftung, gezielt soziale Projekte zu fördern – von Schulpartnerschaften über Sportanlagen bis hin zu Ausbildungsprogrammen in Ländern wie Indien oder Mexiko. Über das Tagesgeschäft hinaus noch so viel für die Umwelt und für Menschen mit weniger Möglichkeiten tun zu können, ist schon ein großes Privileg. Das macht uns als Arbeitgeber und Partner besonders."
Wie erleben Sie den Fachkräftemangel? Ist das noch ein Thema für Sie?
Röthig: "Vor einem Jahr hätte ich diese Frage klar mit „Ja“ beantwortet. Inzwischen hat sich die Lage zumindest in Europa etwas entspannt – unter anderem durch rückläufige Nachfrage in einigen Branchen und den deshalb freiwerdenden Kräften. Dennoch bleibt die Fachkräftegewinnung ein zentrales Thema, vor allem in Regionen wie Nordamerika oder Asien, in denen wir noch stärker wachsen, spüren wir auch diesen Fachkräftemangel. Ich rede zum Beispiel von Nordamerika, aber auch Asien, auch in China gibt es einen spürbaren Fachkräftemangel, obwohl es dort auch aufgrund des mangelnden Wachstums eher Arbeitslosigkeit gibt. In Deutschland haben wir jährlich mehrere hundert Bewerbungen für im Schnitt 35 Ausbildungsplätze – das spricht für unsere Attraktivität als Arbeitgeber. Aber auch wir müssen aktiver werden, uns sichtbarer präsentieren und unsere Vorteile als stiftungsgetragenes Unternehmen noch besser kommunizieren."
Fabrik des Jahres

Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2026 in Dortmund stattfinden.
Nutzen Sie Ihre Chance und melden Sie sich jetzt zum Wettbewerb an! Weitere Informationen zum Wettbewerb gibt es auf der Website der Fabrik des Jahres: Hier klicken!
Mehr zu den Siegerwerken 2024 lesen Sie hier!
Hören Sie sich auch die Podcast-Sonderfolge zur Fabrik des Jahres an. Johann Kraus von Rohde & Schwarz erklärt darin unter anderem, wie auch Ihr Werk gewinnen kann. Hier kommen Sie zu Industry Insights!
Herr Blau, welche technischen Trends bestimmen aktuell die Produktentwicklung bei Voss?
Sebastian Blau: "Ein ganz zentrales Thema ist die Prozessoptimierung beim Kunden. Unsere Kunden erwarten Montageprozesse, die schneller, sicherer und - ganz wichtig - fehlerfrei sind. Deshalb entwickeln wir Verbindungslösungen, die einfach und zuverlässig montiert werden können – etwa mit Blockanschlag oder Übermontageschutz. Im Bereich Wasserstoff setzen wir auf metallisch dichtende Umformsysteme, die höchste Anforderungen erfüllen. Unser Verbindungssystem VossLok40 ist dafür ein Beispiel: ein angeformtes Edelstahlsystem, das besonders zuverlässig und montagefreundlich ist – und das ohne zusätzliche Komponenten wie Klemm- oder Stützringe auskommt."
Wird Sie ein PFAS-Verbot betreffen?
Blau: "Wir selbst produzieren keine Dichtungselemente, sondern beziehen diese von spezialisierten Herstellern. Die Auswirkungen dieser Regulierung sind bereits spürbar – insbesondere für die Dichtungshersteller, die nun gezwungen sind, alternative Materialien und Lösungen zu entwickeln, um den Anforderungen der Gesetzgebung zu entsprechen. Ein konkretes Beispiel dafür sehen wir im Automobilbereich: Dort wurden bestimmte Dichtungstypen aufgrund der PFAS-Thematik bereits abgekündigt. Das hat zur Folge, dass vor allem unsere Lieferanten Ersatzprodukte identifizieren und umfassend neu qualifizieren müssen – ein erheblicher Aufwand."
Welche Rolle spielt die Digitalisierung, etwa beim digitalen Typenschild oder der Verwaltungsschale?
Blau: "Die Digitalisierung von Produkten und Prozessen ist ein zentraler Bestandteil unserer langfristigen Unternehmensstrategie. Beim digitalen Typenschild sind wir noch am Anfang, aber es gibt erste Projekte. Wesentlich stärker beschäftigen uns kommende regulatorische Anforderungen im Rahmen REACH und RoHS. Hierzu zählt auch das Thema Bleifreiheit. Aber wir sehen uns gut gerüstet: Ein Großteil unseres Stahlrohrverschraubungsprogramms ist bereits bleifrei."
Wie vermitteln Sie technisches Know-how an Ihre Kunden?
Blau: "Schulungen sind ein zentraler Bestandteil unserer Kundenbetreuung. Wir führen sowohl bei neuen als auch bei Bestandskunden gezielt Montageschulungen durch – in unserem Schulungszentrum oder direkt vor Ort in der Fertigung. Zusätzlich bieten wir Produkt- und Montageaudits an, bei denen wir Prozesse analysieren und Verbesserungspotenziale identifizieren. Unsere Applikationsingenieure bringen dabei nicht nur technisches Wissen mit, sondern auch das Verständnis für die realen Abläufe beim Kunden. Das hilft uns, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten."

Wie unterstützen Ihre Produkte Ihre Kunden dabei, mit weniger Personal mehr Output zu erzielen?
Blau: "Wir haben aktuell ein sehr spannendes Projekt mit einem internationalen Baumaschinenhersteller, der vom Mutterkonzern angehalten wurde, auf gleicher Fläche und mit gleichem Personal mehr Fahrzeuge zu produzieren. Unser Hydraulikstecksystem VossPlug ermöglicht genau das – durch verkürzte Montagezeiten und erhöhte Prozesssicherheit. Darauf kommt es unseren Kunden an. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie unsere Verbindungstechnik ganz konkret zur Produktivitätssteigerung beiträgt. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist das ein echter Mehrwert."
Hat Voss wirklich die erste Steckverbindung für Nutzfahrzeuge entwickelt?
Röthig: "Ja, das ist korrekt. Bereits 1975 hat Hans Hermann Voss die erste Steckverbindung für Druckluftbremsen entwickelt – aus dem Bedarf heraus, Montagetakte bei Nutzfahrzeugen zu verkürzen. Diese Innovation ist heute Standard."
Voss Gruppe – Zahlen, Daten, Fakten
- Gründung: 1931 durch Hans Hermann Voss
- Hauptsitz: Wipperfürth, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
- Mitarbeiter: weltweit ca. 7.500
- Umsatz: 2024 rund 835 Millionen Euro (Ziel: >1,5 Milliarden Euro bis 2031)
- Wachstumsrate p. a.: Ø über zehn Prozent pro Jahr in den letzten Dekaden
- Standorte weltweit: 23 Gesellschaften in 13 Ländern
- Produktbereiche: Leitungs- und Verbindungssysteme für die Automobilindustrie sowie den Maschinen- und Anlagenbau
- Technologiefokus: Ganzheitliche Systemlösungen für das Fluidmanagement
- Innovationsfelder: Alternative Antriebe, Digitalisierung, Nachhaltigkeit
- Aktuelle Expansion: Neue Werke in Mexiko und Thailand
- Gesellschaftliches Engagement: Bildungs-, Umwelt- und Sozialprojekte
Quelle: Voss Fluid GmbH