Bionic Hydrogen Battery von Festo

Mit der "BionicHydrogenBattery" von Festo wird Wasserstoff mittels Bakterien in Ameisensäure umgewandelt, gelagert und transportiert. Am Verbrauchsort wird die Säure wieder in CO₂ und gebrauchsfertigen Wasserstoff zersetzt. (Bild: Festo)

Es klingt herausfordernd: Mit der Verankerung im Klimaschutzgesetz sollen in Deutschland die Emissionen in den Bereichen Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Und 2045 soll das Land treibhausgasneutral sein, nachdem dieses Ziel im Pariser Klimaschutzabkommen fixiert wurde. Ohne den Einsatz regenerativer Energien und alternativer Antriebe ist das aber nicht zu schaffen. So rücken auch die Technologien Wasserstoff und Brennstoffzelle stärker in den Fokus. Die FLUID-Redaktion sah sich auf der Hannover Messe 2024 nach interessanten Systemen und Produkten um.

Elektrolyseure – die „sauberen“ Kraftwerke von heute und morgen

Wasserstoff ist auf der Erde reichlich vorhanden. Jedoch muss das reaktionsfreudige, gasförmige Element erst aus Wasser gelöst werden, um es als emissionsfreie Energiequelle zu nutzen. Dazu werden Elektrolyseure eingesetzt, die durch den Einsatz von Strom das Wasser in dessen Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) aufspalten. Idealerweise stehen Elektrolyseure in Windparks oder bei großen Photovoltaikanlagen. Also dort, wo Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Zu den im Markt verfügbaren Systemen gehören die PEM-Elektrolyseure. Besonderes Kennzeichen ist die protonendurchlässige Polymermembran (engl.: polymer electrolyte membrane), die kathodenseitig mit einer porösen Elektrode aus auf Kohlenstoff geträgertem Platin bestückt ist. Auf der Anodenseite ist die Membran mit metallischen oder als Oxid vorliegenden Edelmetallen, Iridium und Ruthenium, versehen. An diese Elektroden wird eine äußere Spannung angelegt. Der Anodenseite des Elektrolyseurs wird Wasser zugeführt. Alternativ werden beide Halbzellen mit Wasser geflutet. Dies kann je nach Verwendungszweck auch nur kathodenseitig geschehen. Durch die katalytische Wirkung der Edelmetall-Elektrode wird das Wasser an der Anode zersetzt. So entstehen Sauerstoff, freie Elektronen und positiv geladene H+-Ionen. Die Wasserstoff-Ionen diffundieren durch die protonenleitende Membran auf die Kathodenseite, wo sie mit den Elektronen zu Wasserstoff kombinieren.

Bei PEM-Elektrolyseuren bildet die Membran eine physikalische Trennmauer zwischen Anoden- und Kathodenseite und verhindert eine Durchmischung im Sinne einer hohen Produktreinheit der Gase. Darüber hinaus werden im Markt alkalische Elektrolyseure (AEL), Hochtemperatur-Elektrolyseure (HTEL), Nickel-Eisen- und Zero Gap-Elektrolyseure angeboten, die sich durch die verwendeten Elektrolyten, den Aufbau der Elektrolyse-Zelle und die Betriebstemperatur unterscheiden.

Wenn Klärwerke zu Kraftwerken werden

Modellcharakter in Sachen Wasserstofferzeugung hat ein Projekt des Abwasserverbandes Kempten (AVKE). Der AVKE betreibt eine mechanisch-biologische Gruppenkläranlage. Die Behandlungskapazität ist für 460.000 Einwohner ausgelegt. Das dort erzeugte Klärgas wird zur Wärme- und Stromerzeugung (830 kW/Stunde) genutzt. Weiterhin wird in Kempten versucht, Wasserstoff aus Klärgas zu erzeugen. In diesem Kontext wird im Frühherbst 2024 ein Dampfreformer vom Typ „HHG-50“ des Unternehmens Metacon in Betrieb gehen und circa 4,5 Kilogramm Wasserstoff/Stunde mit der Qualität 5.0 liefern. Einsatzstoff ist gereinigtes Klärgas mit einem Anteil von etwa 58 Prozent Methan (CH4).

Zu einem späteren Zeitpunkt ist geplant, dass der Reformer mit einer Wasserstoff-Tankstelle kombiniert wird, um beispielsweise H2-Busse oder -LKW zu betanken. Im Rahmen eines Förderprogrammes werden auch Technologien im Bereich der Biogasaufbereitung, der Strom- und Wärmeerzeugung, der Stromspeicherung sowie der Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse und Wasserstoff-Tankstelle installiert. Der bei der Elektrolyse entstehende Sauerstoff kann beispielsweise für die Leistungssteigerung der biologischen Abwasserreinigung eingesetzt werden.

Bakterien als Wasserstoffspeicher

Bislang kann Wasserstoff nur mit Prozessen sicher gespeichert und transportiert werden, die entweder extrem hohe oder niedrige Temperaturen sowie hohe Drücke von 150 bis 700 bar erfordern. Mit der vollautomatisierten, biotechnologischen Anlage "Bionic Hydrogen Battery" wählt Festo jetzt einen neuen Ansatz: Der flüchtige Wasserstoff wird mittels Bakterien bei Temperaturen von circa 65 Grad und einem Druck von 1,5 bar risikoarm und energieeffizient in Ameisensäure umgewandelt. Die Säure kann leicht gelagert und transportiert werden. Am Zielort kehren dieselben Bakterien den Prozess um. Die Säure wird wieder in CO₂ und Wasserstoff zersetzt, der zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Das hochreine CO₂ könne recycelt und beispielsweise in der Getränkeindustrie eingesetzt werden, heißt es vom Esslinger Unternehmen.

Unter 10 Minuten Tankzeit für 100 Kilogramm Wasserstoff

Die Akzeptanz von Wasserstoff hängt stark von der Ladeinfrastruktur ab. Deshalb will die Europäische Union bis 2030 in allen städtischen Knoten und alle 200 Kilometer entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes Wasserstoff-Tankstellen für PKW und schwere Nutzfahrzeuge errichten. Und die „Fuel Cell and Hydrogen Association“ erwartet bis 2030 einen Bedarf von 4.300 Wasserstoff-Tankstellen in den USA.

Das Tanken von Wasserstoff ist technisch herausfordernd. Denn Wasserstoff wird vor Ort in flüssiger Form bei minus 253 Grad oder als Gas in Tanks mit verschiedenen Druckstufen gelagert. Um Fahrzeuge zu befüllen, muss der Wasserstoff kontrolliert auf 700 bis 900 bar komprimiert werden. Dazu bedarf es robuster Antriebe für die Verdichter. Bosch Rexroth erarbeitete dazu gemeinsam mit Partnerunternehmen adäquate Lösungen mit dem Ziel, LKWs innerhalb von weniger als 10 Minuten mit 100 Kilogramm Wasserstoff zu betanken. Damit kann ein LKW rund 1.000 fahren.

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Gemeinsam mit FirstElement Fuel, US-Marktführer für den kommerziellen Betrieb von Wasserstoff-Tankstellen, entwickelte Bosch Rexroth jetzt eine Kryopumpe, die bis zu 600 Kilogramm flüssigen Wasserstoff/Stunde verdichtet. Dieses System kombiniert bewährte servohydraulische Pumpenantriebe, Software und einen neu entwickelten Verdichtungszylinder. Erste Tankstellen werden bereits ab 2025 mit dieser Technologie ausgerüstet. Von Bosch Rexroth kommen weitere Antriebslösungen, um sowohl gasförmigen als auch flüssigen Wasserstoff zu komprimieren. Dabei basieren die Lösungen laut Bosch Rexroth auf Serienkomponenten und nutzen hydrostatische Getriebe, die besonders robust und kompakt sind. Die Verdichterantriebe benötigen wenig Aufstellfläche. Im Vergleich zu bisherigen elektromechanischen Pumpenantrieben warten sie mit einer deutlich höheren Förderleistung auf. Auch seien täglich mehrere hundert Tankvorgänge im Start-Stopp-Betrieb möglich, heißt es von Bosch Rexroth.

Interessante Brennstoffzellen-Konzepte

Auch die Brennstoffzellen-Technik nimmt Fahrt auf. Für den Bereich der Intralogistik, zum Beispiel Gabelstapler, gibt es mit dem „Globe XLP80“ Brennstoffzellenaggregat von GLOBE Fuel Cell Systems eine neue Lösung. Das System ist laut Hersteller in weniger als fünf Minuten mit Wasserstoff betankt. Stundenlange Batterieladezeiten entfallen. Anders als herkömmliche Bleiakkumulatoren, die einen Leistungsabfall ab einem Ladestand von weniger als 50 Prozent aufwiesen, liefere das „Globe XLP80“ System eine gleichbleibende Leistung, heißt es vom Stuttgarter Unternehmen. Zudem würde mit dem „Globe XLP80“ das Management von Stromspitzenbedarf beim Schnell-Laden neuerer Lithium-Ionen-Batterien vermieden. Darüber hinaus würde durch das Entfallen von Batterie-Wechselstationen und Wechselhallen mehr Raum für kundeneigene Wertschöpfungsprozesse geschaffen, erklärt Steffen Bäuerle weiter. Über die im System integrierte GLOBE „DataCore“ werden verschiedene Leistungs- und Sensordaten online in die Cloud übertragen. So können unter anderem Wartungsumfänge vorausschauend berechnet, das System auf die Bedürfnisse der Kunden optimiert und mögliche CO₂-Einsparungen besser verwertet werden. Durch das kompakte Baumaß sei der Einsatz in Neu- und Bestandsfahrzeugen mit diesem oder ähnlichem Batterieraum nach geringer Anpassung möglich, so Moritz Wobith, Business Development Manager bei Globe.

Für stationäre Anwendungen stellt Proton Motor aus Puchheim mit „HyModule S4“ ein neues Wasserstoff-Brennstoffzellen-System vor, das für den Einsatz in Wohnhäusern, kleinen Industriekomplexen, Notstromversorgungseinheiten und autarken Anlagen geeignet ist, die in der Stromversorgung nicht auf das öffentliche Netz angewiesen sind. „HyModule-S4“ bietet einen niedrigeren Leistungsbereich und verwendet die flüssigkeitsgekühlte Brennstoffzellen-Technologie „HyStack 200“ von Proton Motor. Das System ist frostlager- und froststartfähig und mit Zellstapeln aus Graphit-Bipolarplatten versehen, die für eine lange Lebensdauer ausgelegt sind. Ein großer Vorteil sei, dass diese Platten sowohl horizontal als auch vertikal montiert werden können, erklärt der Hersteller.

Mit dem System „BZA150“ präsentiert cellcentric - ein Joint Venture von Daimler Truck und der Volvo Group - eine Brennstoffzellen-Generation für den schweren Langstrecken-Transportbereich. „BZA150“ verfügt über eine Nettoleistung von 150 Kilowatt. Die Lebensdauer liegt bei circa 25.000 Betriebsstunden und das Gewicht bei rund 230 Kilogramm. In Langstrecken-Lkw kommen jeweils zwei dieser Aggregate mit insgesamt 300 Kilowatt Nettoleistung als Twin-System zum Einsatz.

Die Brennstoffzellen von cellcentric bestanden bereits erste Härtetests:

  • Die Daimler Truck AG setzte ihren Versuchsträger Mercedes-Benz GenH2 großen Höhen auf dem Brenner aus. Der LKW legte darüber hinaus über 1.000 Kilometer mit einer einzigen Wasserstoff-Tankfüllung zurück.
  • Die Volvo Group führte am Polarkreis intensive Kältetests durch und konnte damit den Beweis antreten, dass Brennstoffzellen-LKW selbst bei extremen klimatischen Verhältnissen zuverlässig arbeiten.

Jetzt bereitet cellcentric mit seiner neuen „NextGen“-Brennstoffzelle, bei deren Entwicklung die Anforderungen des Langstrecken-Schwerlastverkehrs in Nordamerika berücksichtigt wurden, unter anderem den Eintritt in den nordamerikanischen Markt vor. Nicholas Loughlan, Chief Technology Officer bei cellcentric, sieht die Vorteile der „NextGen“-Brennstoffzelle in Gesamtbetriebskosten und Leistungsdaten, die denen von dieselbetriebenen Long Haul-Trucks ebenbürtig seien. Hinzu kämen die kurzen Tankstopps, der souveräne Vortrieb und ein im Vergleich zur Generation BZA150 um 20 Prozent reduzierter Treibstoffbedarf. Durchdachte Konzeption und intelligente Kühlung trügen darüber hinaus zu einer um 40 Prozent reduzierten Abwärme unter Spitzenlast und damit geringerem Kühlbedarf bei.

Die erste Lok mit Wasserstoffantrieb

Linsinger Maschinenbau bringt die weltweit erste, mit Wasserstoff betriebene Gleisbaumaschine auf den Markt. Hauptfunktion der Lok ist das präzise Wiederherstellen und Instandhalten des Schienenprofiles, um die Vibration bei den Zügen zu reduzieren. Hexagon Purus aus Kassel stattete die Lok mit deren „Hydrogen Fuel Storage System“ aus. Fünf bis sechs Stunden kann die Lok mit einer „Tankladung“ Wasserstoff fahren und arbeiten. Ein weiteres Plus ist die Flexibilität: Die Stromschienen und Spannungen von U-Bahnen, Metros und Co. sind von Land zu Land unterschiedlich. Der Stromantrieb würde daher ein großes Equipment erfordern. Dagegen ist der Wasserstoffantrieb vom Stromsystem unabhängig. Bei der Wasserstoffspeicherung nutzte Hexagon Purus mit zwei kurzen und vier langen Behältern den engen Bauraum des „Rail Milling Train MG11“ voll aus. Zudem wurden die Speicherbehälter in Druck-, Dichtheits-, Berst- und Brandschutzprüfungen bis zu einem Druck von 350 bar auf Herz und Nieren geprüft. Alle europäischen Sicherheitsstandards werden erfüllt.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

WIKA_EmicoGauge
Das EMICOgauge-System von WIKA ermöglicht die Drucküberwachung von Wasserstoffanwendung und verringert das Risiko flüchtiger Emissionen erheblich. (Bild: Wika)

Neue Absatzchancen für Zulieferer

Der Markt rund um Wasserstoff und Brennstoffzelle bietet neue Chancen für Zulieferer. So ermöglicht das „EMICOgauge“-System von Wika die Drucküberwachung von Wasserstoffanwendungen. „EMICOgauge“ besteht aus einem Instrumentierungsventil mit aufgesetztem Manometer. Durch dieses integrierte und einbaufertige Design werden potenzielle Leckagestellen verringert und verhindert, dass der Wasserstoff als flüchtige Emission in die Umgebung entweicht. Über eine redundante Dichtung mit Metall/Metall-Dichtung und O-Ring-Abdichtung mit Stützring erfüllt die dichtheitsgeprüfte Baugruppe die geforderte Dichtheit nach TA Luft (VDI 2440). Die 360-Grad-Drehverschraubung ermöglicht das schnelle Ausrichten und einfaches Austauschen des Manometers.

Walther-Präzision entwickelte mit der „HG-Serie“ ein System für das Betanken von Fahrzeugen mit gasförmigem Wasserstoff bei einem Betriebsdruck von 875 bar (700 bar-Technik). Die Konstruktion der Füllkupplung wurde so optimiert, dass mit geringstem Druckabfall ein hoher Durchfluss und eine kurze Betankungszeit von circa drei Minuten erreicht werde, erklärt das Expertenteam des Unternehmens. Das System ist für die Kaltabfüllung bei -40 Grad entwickelt und nach SAE J2600 beziehungsweise ISO 17268 – den weltweit wichtigsten Normen für Betankungssysteme - geprüft. Die Serie „HG“ besteht weiterhin aus einer Nottrennkupplung, die beim Überschreiten einer vorbestimmten, festgelegten Trennkraft vollautomatisch und zerstörungsfrei entkuppelt. Die Ventile schließen beim Nottrennen automatisch und verhindern das Austreten des Fluids aus den getrennten Leitungsteilen. Ergänzt wird das „HG“-System durch eine Betankungskupplung, einem vier Meter langen Schlauchset und einer Parkstation.

Die Zeit des Testens ist vorbei

Die Hannover Messe 2024 zeigte deutlich auf, wie vielseitig und ausgereift das Angebot an Technologien, Systemen und Zubehör für das Erzeugen, Speichern und Verwerten von Wasserstoff mittlerweile ist. Nach Meinung vieler Aussteller sei die Zeit des Testens längst vorbei und die Wasserstoff-Technologie könne in größerem Umfang ausgerollt werden. Jedoch müsse dazu unter anderem die Infrastruktur schneller verbessert werden, so Moritz Wobith, Development Manager bei Globe Fuell Cell Systems. Das Bundeskabinett hat dazu Ende 2023 einen Gesetzentwurf zum Ausbau des Wasserstoffnetzes vorgelegt, wonach das Wasserstoff-Kernnetz 9700 Kilometer umfassen werde und fast 60 Prozent bestehende Erdgasröhren genutzt werden können. Das Netz soll in alle Bundesländer reichen und Teil eines europäischen Verbundes werden. 2025 soll der erste Wasserstoff durch diese Leitungen fließen.

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