Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Schmitz beim IFK 2022

Die Direktorin des ifas, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Schmitz zeigte in ­ihrem Vortrag die Potenziale der Fluidtechnik hinsichtlich der Treibhausgas-Problematik auf. (Bild: Sonderleittner)

Das Kolloquium ist eine der weltweit wichtigsten Veranstaltungen für die hydraulische und pneumatische Antriebs-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Sie findet alle zwei Jahre statt – im Wechsel jeweils in Aachen und Dresden – und hat sich als Austauschplattform für internationale Experten der Branche etabliert. In seiner heutigen Form gibt es das IFK seit 1998. Davor fanden zwei getrennte Veranstaltungen statt: zum einen das ‚Aachener Fluidtechnisches Kolloquium‘ – parallel dazu die ‚Fachtagung Hydraulik und Pneumatik‘ in Dresden. Der Veranstalter in diesem Jahr war das Institut für fluidtechnische Antriebe und Systeme (IFAS) an der RWTH Aachen. Unterstützt wurde es durch die Fördervereinigung Fluidtechnik e.V., Aachen, den Fachverband Fluidtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule ­Aachen und die Global Fluid Power Society. Auch der VDMA hat maßgeblich unterstützt und mitorganisiert.

Auf einen Blick

■ Über 400 Teilnehmer aus 21 Ländern (22 % aus dem Ausland)
■ 116 Vorträge mit Fachvorträgen aus Industrie und Wissenschaft
■ Plenar- und Übersichtsvorträge zu Zukunftsthemen der ­Branche
■ Fluidtechnische Innovationen, präsentiert von 37 Fachausstellern aus 17 Firmen

Live oder per Teams zugeschaltet

Wegen der Coronasituation wurde der Kongress von seinem ursprünglichen Termin im März auf Mitte Juni verschoben. Dennoch kamen 408 Teilnehmer aus insgesamt 21 Ländern. Aus Sicht von Professorin Schmitz ein ganz tolles Ergebnis, wenn man die Rahmenbedingungen bedenkt – die Verschiebung musste relativ kurzfristig geschehen. „Wir sehen, das Reisen ist wieder möglich, wir haben Teilnehmer aus 21 Ländern hier vor Ort, was vor ein paar Monaten noch nicht absehbar war. Die 17 Aussteller in der Fachausstellung sind ein Commitment der Industrie. Die sagen, wir riskieren es, hier wieder mitzumachen.“ 53 % der Teilnehmenden kamen aus der Industrie, 30 % aus der Forschung, der Rest setzte sich aus Ausstellern, Presse, Studierenden und Ehrengästen, hauptsächlich ehemalige Professoren, zusammen. 80 % der Besucher kamen aus Deutschland, selbst aus den USA waren Gäste vor Ort – zusätzlich waren einige Gäste und Vortragende aus Asien per Videokonferenz zugeschaltet, so wie auch der Präsident des VDMA, Karl Haeusgen, der seine Begrüßung per Videoschalte hielt.

Ausstellung beim IFK 2022
Trotz Corona-Verschiebung vom März in den Juni war die Ausstellung gut besucht. (Bild: Sonderleittner)

Forschung meets Industrie

Insgesamt 116 Vorträge wurden parallel in drei Konferenzräumen gehalten – hinzu kamen Plenar- und Übersichtsvorträge zu den großen Themen der Branche. Begleitet wurde das Kolloquium ab dem zweiten Tag durch eine Fachausstellung mit 17 Ausstellern: Argo-Hytos, Bosch Rexroth, ETO, Fluidon, Freudenberg, Hunger Hydraulik, Hydac, Integral-Hydraulik, KTR, Lee, Magnet-Schulz, Pleiger Maschinenbau, Scanwill, Schienle Magnettechnik, Simerics, Thomas Magnete und die Institute ifas/RWTH Aachen und Fluid-Mechatronische Systemtechnik der TU Dresden.

Vorteile für beide Seiten

Professorin Schmitz ist von diesem vielfältigen Angebot überzeugt: „Es ist ein tolles Konzept, die Industrie und die Wissenschaft mal an einen Ort, an einen Tisch zu bringen.“ So sieht es auch Univ. Prof. Dr.-Ing. Jürgen Weber von der TU Dresden: „Das ist eine Stärke in Deutschland – die Verknüpfung der universitären, akademischen Seite mit der Industrie. Das habe ich in meiner Zeit in der Industrie sonst nirgends so in der Intensität beobachtet, wie wir es hier in Deutschland tun. Beide Seiten profitieren davon. Wir profitieren von der industriellen Übermittlung der aktuellen Anforderungen, damit die Ausbildung praxisbezogen bleiben kann. Wir haben ja die Aufgabe, Studierende auszubilden, die dann in der Industrie in der richtigen Weise und in der richtigen Orientierung tätig werden können. Die Industrie profitiert, weil sie auf diese Weise Mitarbeiter bekommt, die sie brauchen und einsetzen kann. Und wir können kleineren Unternehmen, die keine eigenen Forschungsabteilungen betreiben können, Impulse geben.“

Denis Ritz
Welche Off-Road-Hydrauliksysteme sich für eine künftige Automatisierung eignen, erklärte ­Denis Ritz von den TU Dresden in ­seinem Vortrag. (Bild: Sonderleittner)

Gute Zusammenarbeit der Fakultäten

Der erste Tag des Kolloquiums ist vor allem der grundlagenorientierten Forschung an den Universitäten gewidmet gewesen: Im Symposium kamen 80 % der Vortragenden aus Forschungseinrichtungen, nur 17 % aus der Industrie. Von den Beiträgen des Symposiums wurden 65 % reviewed, also von zwei oder sogar drei Gutachtern kritisch geprüft (in der Konferenz sind es 53 %). Die Begutachtung dient natürlich der wissenschaftlichen Qualitätssicherung. Es ist aber auch wichtig für die wissenschaftlichen Mitarbeiter, weil sie für manche Förderprojekte nachweisen müssen, dass sie wissenschaftlich begutachtete Vorträge gehalten haben. Es sind über 150 abstracts eingegangen, coronabedingt etwas weniger als in den Vorjahren, bei deren Sichtung und Prüfung sich die Institute in Aachen und Dresden gegenseitig stark unterstützt haben. Begutachtet wurde auch durch den Programmausschuss, der sich primär aus Teilnehmern der Industrie zusammensetzt.

Welche Themen wurden behandelt?

Die Vorträge waren in Themengruppen zusammengefasst und behandelten am ersten Tag Tribologie, Elektrifizierung, Mobile Anwendungen, EHA, Spezialanwendungen, Systeme, Manufacturing, also die Herstellung der Komponenten, Dichtungen, Digitalisierung, Komponenten und Fluide. Am zweiten Tag ging es weiter mit Mobilhydraulik, Zylindersteuerung, Fluids und Fuels, Industrielle Digitalisierung, Maschinendesign und Simulation. Abgeschlossen wurde der Forschungsteil am dritten Tag mit Pneumatiktrends, Pumpen, Valve Actuation, Industrie 4.0 bei Mobilen Systemen und der Microfluidik. Angemeldete Teilnehmer der Veranstaltung konnten sich ein 1 253 Seiten starkes PDF mit den eingereichten Papers von der Veranstaltungsseite herunterladen – der Lesestoff für die nächsten zwei Jahre wäre damit gesichert.

Wo lagen die Schwerpunkte?

Bei den Vorträgen gab es einen starken Fokus auf Komponenten, mobile Anwendungen und auf Grundlagen wie Tribologie und Fluide. Pneumatik macht ebenfalls einen wichtigen Teil aus und natürlich ist die Digitalisierung nach wie vor ein wichtiges Thema. Dabei wird das Phänomen Digitalisierung immer mehr in die Betrachtungen zu einzelnen Anwendungen integriert, so dass man nicht mehr unbedingt leicht trennen kann, was ist ein digitales System, was ist ein mobiles System.
Neu zu den großen Themen hinzugekommen sind die Themen Sustainability, das auch mit ein Leitthema der Konferenz wurde, und das Thema Manufacturing. Aus Sicht von Professorin Schmitz wird darüber noch viel zuwenig gesprochen: „Wie werden unsere Komponenten eigentlich hergestellt und was können wir da in der Herstellung noch optimieren?“

Zukunftsthema Manufacturing

Beim Manufacturing sind vor allem die Themen additiv manufacturing und new materials interessant. Zwar ist aktuell noch unklar, inwieweit die additive Fertigung in der Fluidtechnik wirklich einen Benefit bringen kann, egal ob kostenseitig oder von der Lebensdauer und Zyklenbelastung her betrachtet. Fest steht aber, dass es sich um ein lohnendes Forschungsfeld handelt, weswegen es auch im Symposium mehrere Vorträge dazu gab.

Nachhaltigkeit ist das Thema der Stunde – und der größte Diskussionspunkt

Beim Thema Sustainability ging es inhaltlich um Methoden und Konzepte dazu, wie nachhaltige Systeme und die Komponenten dafür aussehen können. Das Thema war Professorin Schmitz so wichtig, dass sie ihren Plenarvortrag dazu nutzte, die Auswirkungen des Klimawandels noch einmal detailliert darzustellen und auf die Dringlichkeit einer Kehrtwende im menschlichen Rohstoff- und Energieverbrauch hinzuweisen. Der größte Teil des Treibhausemmissionen gingen auf Energieverbräuche zurück. Deshalb sei dringend geboten, das Thema Energieeffizienz noch weiter in den allgemeinen Fokus der technischen Entwicklungen zu stellen.
Sie konnte dieses Anliegen eindrücklich mit entsprechenden Zahlen belegen. So zeigte sie in einem Beispiel aus dem Baumaschinensektor, dass eine Verbesserung der Effizienz einer Pumpe um nur ein Prozent im Jahr 51 000 Tonnen Kohlendioxid einsparen würde. Irgendwann, so Schmitz, werde auch Mineralöl als Fluid ersetzt werden. Da sei ein Wandel in der öffentlichen Meinung und auch in der Sicht der Hersteller zu beobachten.

Dr. Steffen Haack beim IFK 2022
Dr. Steffen Haack zeigte auf, wie nachhaltig Hydraulik-Lösungen in der Herstellung heute sind und welche Herausforderungen es hinsichtlich einer nachhaltigen Zukunft bei Industriehydraulik und Mobilhydraulik gibt. (Bild: Sonderleittner)

Umdenken bei den Studierenden

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Schmitz
„Studierende stellen deutlich öfter die Frage, welchen Beitrag die Fluidtechnik dazu leisten kann, die Welt besser zu machen.“ (Bild: Sonderleittner)

Ein solches Umdenken nehmen sowohl Prof. Schmitz als auch Prof. Weber auch bei den Studierenden wahr. Sowohl im normalen Maschinenbau als auch in der Fluid­technik stellten die Studierenden deutlich häufiger die Frage, welchen Beitrag das, was sie studieren, dazu leisten könne, die Welt besser zu machen. Auch die Frage nach ewigem Wachstum werde gestellt.
Deshalb wurde Spiegel-Bestsellerautor, Speaker, Generationenforscher und Psychologe Rüdiger Maas eingeladen, um in seinem Plenarvortrag zu beleuchten, wie die nächsten Generationen ‚ticken‘. Das ist wichtig für die Universitäten und Hochschulen, damit sie weiterhin das Fach attraktiv machen können, denn es gibt bereits eine leicht sinkende Zahl von Maschinenbaustudenten an einigen Hochschulen. Auch die Unternehmen, die sich Gedanken darüber machen, wie sie an Nachwuchs kommen, können von dieser Art Information profitieren.

Ausblick auf das nächste IFK

Prof. Weber zufolge ist das nächste IFK bereits für den 19. bis 21. März 2024 in Dresden festgemacht. Es wird allerdings nicht mehr im Kongresscenter, sondern im großen Hörsaalzentrum der Universität Dresden mit direktem Zugang zu dem 200 m entfernten Institut und den Laboreinrichtungen stattfinden. Das letzte IFK in Dresden war vollständig digital – ob und welche Elemente man aus dieser Erfahrung für 2024 wieder aufgreift, wird noch überlegt.
Inhaltlich wird in jedem Fall ein Schwerpunkt darauf liegen, dass in den nächsten Jahren mit einer riesigen Diversität in den Antriebsarchitekturen umzugehen sein wird. Die Digitalisierung wird in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern hineinschmelzen, und daraus werden sich neue Aufgabenstellungen ergeben. Die Frage wird sein: Welche Architektur wird in einer bestimmten Anwendung hinsichtlich Funktionalität, Energieeffizienz, und Nachhaltigkeit die Beste sein?
Auch alternative Antriebssysteme, alternative Antriebsmittel und alternative Fluide werden behandelt werden sowie Systemuntersuchungen und Komponentenentwicklungen: Wird ein Wasserstoffventil so sein wie ein herkömmliches Pneumatikventil oder hat es gegebenenfalls andere Aufgaben zu erfüllen? Aus Prof. Webers Sicht rücken auch thermische Fragestellungen immer mehr in den Vordergrund. In welchem Umfang muss man kühlen, erwärmen oder temperieren? Natürlich ist diese Vorschau nicht abschließend, es wird in jedem Fall ein interessantes und wichtiges Event sein – so wie es in diesem Jahr das Kolloquium in Aachen war.

Best Paper Award: Berechnung transienter Dichtungsreibung in pneumatischen Komponenten

Auch während dieses Kolloquiums wurde ein Preis für das beste eingereichte Paper verliehen, der Best Paper Award. Gewonnen haben ihn Niklas Bauer und Katharina Schmitz von der RWTH Aachen, zusammen mit Matthias Baumann, Simon Feldmeth und Frank Bauer von der Universität Stuttgart für den Beitrag ‚EHL Simulation of Transient Friction of Translational Seals in Pneumatic Spool Valves under Consideration of 3D Surface Topography Measurement Data‘ (Berechnung transienter Dichtungsreibung in pneumatischen Komponenten). Die Motivation für dieses Forschungsprojekt ist hochgradig praxisrelevant.

Der Vortrag weist darauf hin, dass Dichtungsreibung in einer Vielzahl fluidtechnischer Komponenten auftrete. Während aber der Zylinderreibung in der Hydraulik oft nur geringe Bedeutung zugemessen werde, hätten Reibkräfte in der Pneumatik aufgrund der deutlich geringeren Drücke einen signifikanten Einfluss auf das Systemverhalten. Die Unkenntnis über die transienten Reibverhältnisse im System führte letztlich oft zu einer Überdimensionierung der Systeme, zu höheren Entwicklungs- und Betriebskosten und einer längeren Time-to-Market. Im Laufe des Projektes konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Dichtungsreibung in pneumatischen Systemen stark nichtlinear ist und von einer Vielzahl verschiedener Effekte beeinflusst wird.

Die Zusammenfassung des Projektes, das ebenfalls auf der Informationsveranstaltung des Forschungsfonds Fluidtechnik des VDMA präsentiert wurde, lautet: „Um ein geeignetes physikalisches motiviertes Simulationsmodell aufzubauen, ist es im ersten Schritt erforderlich, die Parameter des Systems zu bestimmen. Aus diesem Grund wurden Messungen der Eigenschaften des Schmierfettes sowie der Oberflächentopographie durchgeführt. Basierend auf diesen Daten wurden Kennwerte abgeleitet, die in ein elastohydrodynamisches Simulationsmodell des Dichtkontakts überführt wurden. Um das Modell zu validieren, wurde ein Prüfstand konzipiert und aufgebaut, der die Messung einzelner Dichtstellen sowie des Gesamtventils erlaubt. Ein Vergleich von Simulation und Messung zeigt prinzipielle Übereinstimmungen für den bislang untersuchten Anschauungsfall. Jedoch gibt es derzeit noch Abweichungen bezüglich einzelner Details im Reibkraftverlauf sowie bezüglich der Höhe der Reibkraft. Aktuell wird untersucht, welchen Einfluss die Schmierfilmhöhe sowie die Viskoelastizität des Dichtungsmaterials haben. Im Anschluss an diese Untersuchungen werden in Abstimmung mit dem projektbegleitenden Ausschuss Kennfelder zur Übergabe an 0D-Simulationsmodelle entwickelt.“

fluid gratuliert den Gewinnern.

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