Der Bedarf an Leistungen für den Gesundheitssektor steigt und verspricht mittelfristig eine stabile Nachfrage auch bei Produkten für den Life-Science-Markt, die durch Pneumatik- und Fluidik-Anwendungen unterstützt werden. Die Marktforscher von Evaluate Medtech prognostizieren dem Branchenbericht von BVMed zufolge für den Medizintechnikmarkt bis 2024 ein jährliches Wachstum von sechs Prozent weltweit. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: Zum einen wächst die Bevölkerung insbesondere außerhalb der Industriestaaten kräftig. Zum anderen steigt in industriell entwickelten Ländern wie Deutschland der Anteil der älteren Bevölkerung stark an. Außerdem weckt ein erweiterter Gesundheits-Begriff eine höhere Nachfrage nach medizinischen Leistungen.
In Deutschland führt ein hoher Qualitätsanspruch an die Endprodukte auch zum bevorzugten Kauf von Komponenten, die im Inland gefertigt wurden, so die Erfahrung des Unternehmens SMC, das in Egelsbach bei Frankfurt seinen deutschen Hauptsitz mit Produktion und 740 Mitarbeitern hat. „Die Baugruppenlösung, das Final Assembly, ist wichtig, um im Markt erfolgreich zu sein“, berichtet Alexander Pawera, Manager Strategic Customers bei der SMC Deutschland. „Unsere Automatisierungslösungen haben eine hohe Variantenvielfalt für alle Branchen“, schildert er den eigenen Anspruch. Im Bereich Life Science fallen die Analysetechnik und Medizintechnik allgemein in den Blick.
„Das Ziel der Kunden ist es, immer mehr Untersuchungsergebnisse in kürzerer Zeit zu erhalten“, erklärt der Experte die Entwicklung in der Analysetechnik. Dafür werden die zu untersuchenden Medien höheren Drücken ausgesetzt, um das Probenhandling schneller und effektiver zu realisieren. Ein weiterer Trend zeigt sich in der Miniaturisierung von Kanalstrukturen, um zum Beispiel eine schnellere Vorsteuerung im Fluidhandling zu erreichen, womit gleichzeitig kompakteres Design und Kosteneinsparungen ermöglicht werden.
Herausforderungen für Komponenten-Hersteller
„Vor zehn Jahren lag der Lebenszyklus eines Produkts bei sieben bis acht Jahren“, sagt Pawera, „inzwischen hat sich die durchschnittliche Lebensdauer von Medizinprodukten auf fünf bis sechs Jahre verringert.“ Daraus ergibt sich der Anspruch, neue Produkte schneller zu entwickeln. Der wachsende globale Markt mit steigenden Serienstückzahlen sieht sich gleichzeitig einer jährlichen Preisdegression ausgesetzt, die durch effizientere Produktionsverfahren kompensiert werden muss.
Die Digitalisierung kann zum Mittel werden, um Produkten einen Mehrwert zu verleihen. Während der Dentalbereich noch eher am Anfang dieser Entwicklung steht, sind in anderen Life-Science-Bereichen intelligente Produkte gefragt. Sie können mit dem Nutzer kommunizieren oder auf einen drohenden Ausfall aufmerksam machen. Anhaltspunkte für eine vorbeugende Wartung sind von Interesse. Rückschlüssen auf den Betriebszustand lassen sich beispielsweise über einen Schaltzähler oder intelligente Programme erreichen, in Kombination mit mehr Sensorik.
Weniger oder keine Druckluft
Druckluft ist ein entscheidender Kostenfaktor. „Im Verpackungsbereich gibt es den klaren Trend zu druckluftlosen Maschinen“, berichtet der Experte von den Erfahrungen bei SMC zum Wechsel von Pneumatik auf Elektrik. Der Bedarf wächst, „trotzdem bleibt die Pneumatik oft noch ohne Alternative, zumal sie nicht selten effizienter bei Geschwindigkeit und Kraft wirkt“, betont Pawera. Das werde auch in den nächsten fünf Jahren so bleiben. Das Unternehmen entwickelt daher permanent auch neue pneumatische Lösungen mit optimiertem Energieverbrauch.
Spezifische Systeme gefragt
Selbst im konservativen Umfeld von Medizintechnik und Analytik fordern die Kunden zunehmend individuelle Systeme. „Sie sollen kleiner, leiser und energiesparend sein“, berichtet Lars Kraus, Business Development Manager bei Emerson Aventics & Asco, von den Trends. Zudem steigen die Anforderungen an Hersteller und Zulieferer durch die Medical Device Regulation (MDR). Asco hat seine Produktpalette mit dem Life-Science-Portfolio von Aventics ergänzt. Beide Marken gehören inzwischen zu Emerson Electric mit Sitz in Saint Louis (US-Staat Missouri).
Die Usability, „Look and Feel“ sowie die Möglichkeiten für individuelle Einstellungen gewinnen an Gewicht, zumal fast alle Produkte speziell an den Bedarf des Anwenders angepasst werden. Dass sich der Entwicklungszyklus verringert, beobachtet man auch bei Emerson. Während er früher bei sieben Jahren lag, gibt es mittlerweile etwa alle drei Jahre Innovationen, „die jedoch auf den gleichen Fluidkonzepten wie vor drei Jahrzehnten beruhen“, schätzt Kraus.
Zum Thema Patientensicherheit wird immer mehr Überwachungssensorik verbaut. Neben der Kontrolle einfacher Ventile wird bei manchen inzwischen sogar die Stellung kontrolliert. Leckage-Überwachung und höhere Energieeffizienz stehen ebenfalls hoch im Kurs der Anwender und Betreiber.
Ein Grund für hohe Klinikkosten ist der Trend zur häuslichen Behandlung der Patienten insbesondere in Europa. Die Behandlung zu Hause erfordert tragbare Geräte und die Eignung für den Batteriebetrieb, gleichzeitig muss die Gerätesicherheit sehr hoch sein und der Patient soll ein möglichst einfaches System vorfinden. Teilautonome Produkte sollen unterstützend wirken, da die Bevölkerung immer älter wird und Pflegekräfte fehlen.
Ein entscheidender Trend bei Dosieranwendungen sind schnellere Zyklen (high throughput device). Dazu muss beispielsweise der Ventildosierkopf angepasst werden. Im Bereich der Integrationslösungen bietet Emerson deshalb zwei neue Ventile. „Mit einer Baugröße von acht und zwölf Millimetern sind diese Produkte im Verhältnis Größe zu Durchfluss einzigartig“, sagt Product Marketing Manager Thomas Beck.
Druckluft sparen
„Industrie 4.0 ist bei uns nicht mehr das große, neue Thema“, erklärt Erwin Ruppelt, „wir haben es bereits umgesetzt, alle unsere Aggregate und Systeme sind schon darauf ausgelegt.“ Der Projektingenieur bei Kaeser Kompressoren in Coburg verweist auf den Nutzen der Digitalisierung: „Aus der Kompressorstation kommen jede Menge Daten, die wir nutzen. Früher versuchte man einfach, Energie durch Ausschalten einzusparen.“ Inzwischen kann man aufgrund der Datenanalyse sogar „den Bedarf vorausschauend ermitteln und davon abhängig die wirtschaftlich beste Kompressorkombination dafür einsetzen“, ergänzt der Druckluftexperte. Denn alle Komponenten des Herstellers sind geeignet, über ein Managementsystem beobachtet und nach Wirtschaftlichkeit gesteuert zu werden.
Der Hersteller stellt in diesem Bereich die Softwareplattform Engineering Base zur Verfügung. Sie enthält Nutzerdaten und erlaubt es, die Steuerung zu optimieren und eine intelligente Druckluftversorgung zu realisieren. Während man einst in der Branche auf den drehzahlgeregelten Kompressor setzte, ist heutzutage klar: „Das übergeordnete Management ist häufig nicht ersetzbar“, wie der Experte des familiengeführten Unternehmens erklärt, das sich auf das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen vorbereitet. In vielen Fällen lässt sich eine Reduzierung der Energiekosten allein schon durch eine Druckabsenkung erzielen.
Bei der Planung einer neuen Druckluftstation kommt es immer häufiger zur Entscheidung für ein Betreibermodell, bei dem der Betreiber nach Druckluft-Verbrauch bezahlt. „Durch die Datengewinnung aus vernetzten Anlagen wird das neue Geschäftsmodell enorm befeuert“, berichtet sich Ruppelt, „denn sie ermöglichen eine Reaktion auf den Bedarf in Echtzeit.“ Das selbst gesteckte Ziel ist nahezu erreicht, „auch wenn einige Firmen Porzellan zerbrochen haben, weil sie das Medium falsch einschätzten.“ Auch die Tatsache, dass bei Nutzern immer häufiger Fachkräfte fehlen, um die Druckluftstation zu betreuen und zu warten, spricht für das Betreibermodell.
fluid hakt nach
Fünf Fragen an Sebastian Bicelli, Leiter Strategisches Marketing bei Camozzi Automation
Vom Ventil zur Lösung: Welchen Trends folgt Camozzi bei der Entwicklung der Pneumatik-Produkte für den Bereich Life Science?
Für den Life-Science-Sektor verfolgt Camozzi seit jeher zwei Entwicklungsrichtungen – die Produkt- und die Serviceseite. Bevölkerungswachstum, Reduzierung der Kosten im medizinischen Bereich und in Krankenhäusern sowie die Tendenz zur häuslichen Therapie erfordern tragbare und energieeffiziente Geräte. Miniaturisierung und reduzierter Energieverbrauch ermöglichen den Batteriebetrieb. Die Hersteller mit entsprechenden Kernkompetenzen benötigen Plug&Play-Sonderlösungen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Die Digitalisierung gibt die Möglichkeit, online Betriebszustände, Leistungsparameter und Regelungen der Ventile zu kontrollieren, die erfassten Daten weiterzuverarbeiten und damit eine extrem hohe Reaktionsgeschwindigkeit zu ermöglichen.
Produkte für die Analyse und Diagnose im Labor reichen nicht mehr aus: Was erwarten die Anwender von Camozzi?
Die Hersteller konzentrieren sich auf ihre Kerntechnologie, die Lieferanten zu unterstützen mit entsprechenden Ergänzungen. Der Bereich C_Fluid Control von Camozzi bietet als Partner von der Entwicklung über die Produktion bis zur Logistik entsprechende Lösungen.
Wie weit kann die Miniaturisierung noch getrieben werden?
Es stehen Ventile mit Abmessungen im Millimeterbereich zur Verfügung. Aktuelle Forschungsprojekte beherrschen Mikroventile, bei denen es partiell um Abmessungen im 1/1000stel Millimeterbereich geht, wobei hohe Leistungen bei kleinsten Dimensionen häufig an ihre Grenzen geraten.
Was ist mit Blick auf die Branche mittelfristig, also innerhalb von etwa fünf Jahren, zu erwarten?
Im Allgemeinen wird dieser Bereich in den nächsten Jahren weiterhin ein starkes Wachstum aufzeigen. Das größte Wachstum erwarten wir im Bereich Analysetechnik, gefolgt vom medizinischen Bereich mit dem Schwerpunkt Home Care, servicefreundliche und leichte Bauweise sowie energiesparender Batteriebetrieb.
Kostenexplosionen durch Druckluft ausschließen
Weiterhin steht Druckluft in bestimmten Anwendungsbereichen ohne Alternative dar. In der Zahnarztpraxis sorgt sie für den Bohrerantrieb oder die Dosierung von Reinigungsmitteln. Bei der Verpackung von Lebensmitteln, aber auch Getränken ist sie unverzichtbar und ebenso universell einsetzbar. Mit Druckluft lässt sich meterweise Salami schneiden und in Blister verpacken, auch die PET-Flaschen für Softdrinks und Wasser werden mit Druckluft in Form gebracht.
Entscheidend ist die Qualität der Druckluft. Als Prozessluft kommt sie oftmals in hygienisch kritischen Bereichen zum Einsatz und muss den qualitativen Anforderungen entsprechen. Bereits kleinste Partikel oder Feuchtigkeit beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit von Ventilen und Ventilinseln. „In diesen Bereichen ist saubere Luft nötig“, betont Jochen Zwicker, Leiter Pneumatik bei Mader. An erster Stelle steht für das Unternehmen aus Leinfelden-Echterdingen daher die Frage: Welche Druckluftqualität wird benötigt und welche wird tatsächlich erzeugt? „Bei der Antwort auf diese Fragen benötigen Kunden oftmals Unterstützung“, erläutert Marina Griesinger, Leiterin Bereich Energieeffizienz bei dem Unternehmen. „Am Anfang steht oftmals die Druckluftqualitätsmessung. Wichtig ist für uns, zu jeder Zeit die Energieeffizienz des Systems zu berücksichtigen“, sagt Griesinger.
Um Druckluftkosten planbarer zu machen, greifen größere Unternehmen inzwischen zum Betreibermodell. Dann wird nur nach Verbrauch bezahlt. Für solche Geschäftsmodelle ist die Digitalisierung die Basis. „Nur über exakte Messung funktioniert eine auf den Kubikmeter genaue Abrechnung“, schildert Griesinger die Voraussetzung für das so genannte „Pay-per-Use-Modell“, das ihrer Einschätzung nach ab etwa 50 Kilowatt installierter Kompressorenleistung pro Monat Sinn macht.
Die Bedienung soll einfacher werden
Auf flexible Herstell- und Verpackungsprozesse setzt Optima Life Science mit Sitz in Schwäbisch Hall. Dabei nutzt das Unternehmen Technologien zur Bahnverarbeitung und zur Flüssigbeschichtung. „Während früher manuelle Druckminderer verwendet wurden, benötigt die Steuerung der Produktionsanlagen heutzutage die Hilfe von Proportionalventilen“, berichtet Silvia Hantschel. Mit den Werten aus den Ventilen könne die Software Korrekturen durchführen, um aktiv Änderungen im laufenden Prozess zu bewirken, erläutert die Pneumatik-Expertin.
Bei der Bahnverarbeitung spielen sehr kleine Druckänderungen eine große Rolle. Und auch generell rücken die Präzision und Reproduzierbarkeit von Einstellungen bei Drücken immer mehr in den Vordergrund.
Kunden benötigen Maschinen, „die einfach zu bedienen sind“, schildert Hantschel die Anforderungen. Denn fehlendes Fachpersonal muss auch in diesem Bereich durch leichte Bedienbarkeit oder Usability ersetzt werden. So lässt sich auch die Einlernphase verkürzen.
Den Weg in die intelligente Produktion erleichtert beispielsweise die Linienmanagement-Software Opal. Sie hilft eine Datenautobahn vom ERP-System in die Fertigungsebene zu errichten. Das System zeichnet Kennzahlen wie die Gesamtanlageneffektivität (OEE, Overall Equipment Effectiveness) auf und führt im Ergebnis zu einer Steigerung der Produktionsqualität und -transparenz, der Produktivität, kürzeren Maschinenstillstandzeiten und der optimalen Ausnutzung von Produktionskapazitäten.
Prozessautomation 4.0 schreitet fort
Der Trend zu Industrie 4.0 wirkt sich inzwischen auch im Pharmabereich aus. Für die heutigen Anforderungen in diesen sensiblen Bereichen müssen Feldgeräte und Komponenten intelligent werden und beispielsweise eine vorausschauende Wartung ermöglichen.
Dafür ist die fortschreitende Digitalisierung eine Voraussetzung: Die vollständige Software-Integration aller Feldgeräte in übergeordnete Leitsysteme bietet für Endkunden viele Vorteile, wie beispielsweise eine höhere Verfügbarkeit oder einen geringeren Programmieraufwand.
Der Wandel vollzieht sich in der Fabrikautomation gefühlt schneller als in der Prozessindustrie. „Deshalb arbeiten wir daran, alle zu überzeugen, dass digital viel schöner ist“, erläutert Heiko Kurtz, Field Segment Manager Hygienic bei Bürkert mit Sitz in Ingelfingen. Allerdings schätzt der Fluidik-Experte, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis der Trend zur Digitalisierung aller Feldgeräte in den sensiblen Branchen der Prozessautomation vollständig verbreitet ist.
Sicher ist man sich bei Bürkert, dass alle Geräte künftig eine digitale Schnittstelle erhalten müssen. Die Intelligenz der Geräte ermöglicht eine frühzeitige Erkennung von Fehlern und Verschleiß. Hierdurch können Ausfälle und Anlagenstillstände erkannt werden, und die Verfügbarkeit erhöht sich. do
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