Überkommene Vorstellungen davon, welches Geschlecht sich für Berufe im Mint-Bereich eignet und welches weniger, haben zu einem ausgeprägten Mangel an Frauen in Ingenieursberufen geführt. Die Zeiten ändern sich und mit ihr die Ansichten und der Fachkräftemangel bringt es jetzt mit sich, dass das Potenzial, das Frauen in den Maschinenbau einbringen könnten, gesucht wird.
Im vorangegangenen Beitrag haben wir die Handlungsvorschläge aus der erwähnten Studie vorgestellt, die sich damit beschäftigen, wie sich Frauen überhaupt für den Maschinenbau gewinnen lassen. In diesem zweiten Teil soll es darum gehen, wie man sie dann auch hält.
Onboarding
Selten gibt es eine zweite Chance für den ersten Eindruck. Deshalb beginnt alles mit dem gelungenen Onboarding. Bleiben Sie mit Ihren künftigen Mitarbeitenden von der Zeit der Vertragsunterzeichnung bis zum Arbeitsantritt in Kontakt. Informieren Sie sie zum Beispiel über den Ablauf des ersten Arbeitstages. Im Idealfall versenden Sie hierfür im Vorhinein Onboarding-Material mit relevanten Unternehmensinformationen, das zur Vorbereitung gelesen werden kann. Bereiten Sie außerdem den Arbeitsplatz vor.
Neben einer vollständigen Büroausstattung sollte auch das Einrichten einer eigenen E-Mail-Adresse sowie das Bereitstellen von Systemzugängen, Programmen und Lizenzen nicht vergessen werden. Einige für die Studie interviewte Ingenieurinnen berichten, dass sie als Frauen in männerdominierten Branchen durch dieses Vorgehen Sicherheit gewinnen und so einen guten Start ins Unternehmen haben konnten. Bereiten Sie Ihre Mitarbeitenden auf neue Kolleginnen oder Kollegen vor und binden Sie direkte Kolleginnen und Kollegen in den Onboarding-Prozess mit ein. Und trotz vollem Terminkalender sollte eine offizielle Begrüßung ChefInnensache sein. Bei einem kurzen Einstiegsgespräch kann das Unternehmen vorgestellt und der Einarbeitungsplan besprochen werden.
Förderung von Vernetzung und Teambildung
Sorgen Sie dafür, dass Ihr neuer Kollege oder Ihre neue Kollegin nicht nach Anschluss im Unternehmen suchen muss, sondern aktiv integriert wird. Laden Sie den neuen Kollegen oder die neue Kollegin (bereits am ersten Tag) aktiv zum gemeinsamen Mittagessen oder Aktivitäten wie zum Beispiel Lunch-Meetings, Lauf-Treffs und Kaffeerunden ein.
Bieten Sie außerdem regelmäßige, beispielsweise halbjährige Feedbackgespräche mit der Führungskraft an. Die Interviewpartnerinnen hoben hervor, dass die aktive Thematisierung ‚weicher‘ Themen in Feedbackgesprächen (zum Beispiel Kommunikation und Integration ins Team, Netzwerke in Unternehmen, Möglichkeiten zur Verbesserung der Work-Life-Balance) seitens der Führungskräfte zu einer wertschätzenden und unterstützenden Atmosphäre beitrugen.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Für die meisten befragten Ingenieurinnen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon lange keine reine Frauensache mehr. Sprechen Sie daher auch Väter an und ermutigen Sie sie, Elternzeit zu nehmen. Schaffen Sie als Unternehmen vielleicht sogar Anreize für Väter, Elternzeit auch über einen längeren Zeitraum in Anspruch zu nehmen.
Suchen Sie das Gespräch mit AbteilungsleiterInnen und sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden zum Thema Elternzeit. So kann ein wertschätzender Umgang mit dem Thema gefördert werden. Ermutigen Sie auch Führungskräfte dazu, familienbedingte Auszeiten in Anspruch zu nehmen. Machen Sie auf Ihrer Website auf Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufmerksam. Bilden Sie auf Ihrer Website unterschiedliche Werdegänge und Karriereverläufe von Mitarbeitenden – auch von Männern – mit Kindern ab. Zeigen Sie glaubwürdig, dass Kinder in Ihrem Unternehmen kein Karriereaus bedeuten! Seien Sie kreativ und nutzen Sie zum Beispiel authentische Fotos und Erfahrungsberichte von Ihren Beschäftigten mit Kindern oder verwenden Sie Podcasts, um über familienfreundliche Unternehmensstrukturen zu informieren.
Prüfen Sie, welche Möglichkeiten Sie in Ihrem Unternehmen haben, um Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Beziehen Sie Modelle wie Gleitzeit, variable Arbeitszeit und Teilzeitarbeit in Ihre Überlegungen mit ein und prüfen Sie, ob diese Modelle individuell kombinierbar sind. Laut der interviewten Ingenieurinnen spielt Flexibilität in der Arbeitszeit eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von ArbeitgeberInnen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen können so den Vereinbarkeitsanspruch dieser Zielgruppe gewährleisten. Besonders die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Homeoffice oder mobilem Arbeiten spielte für die interviewten Ingenieurinnen eine große Rolle bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und war für viele ein zentrales Kriterium für die Unternehmenswahl.
Erörtern Sie die Gegebenheiten Ihres Standorts und Ihres Unternehmens und suchen Sie nach Möglichkeiten, Eltern bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Betriebliche Betreuungsangebote müssen nicht immer die Betriebskita sein. Um Eltern ein passendes Betreuungsangebot zu bieten, können Sie mit standortnahen Kinderbetreuungseinrichtungen kooperieren oder Kindertagespflegeplätze anbieten.
Arbeitsplatzsicherheit und Perspektive
Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden unbefristete Arbeitsverträge an und zeigen Sie, dass Sie als ArbeitgeberIn verlässlich sind. Durch die Planungssicherheit schaffen Sie insbesondere für Frauen und Männer mit Kinderwunsch sichere Voraussetzungen für die Familiengründung und bleiben laut der InterviewpartnerInnen auch langfristig als ArbeitgeberIn interessant. Einen gelungenen Wiedereinstieg der Mitarbeitenden bereiten Sie vor, indem Sie bereits vor der Abwesenheit gemeinsam mit der Elternzeitplanung beginnen. Die interviewten Ingenieurinnen berichteten, dass die Wiedereingliederung umso reibungsloser gelang, je besser sie im Vorhinein geplant und kommuniziert wurde. Bieten Sie ein Rückkehrgespräch (auf freiwilliger Basis!) noch während der Elternzeit an.
Spätestens nach der Rückkehr, im Wiedereinstiegsgespräch, planen und besprechen Sie die Einarbeitungsphase und vereinbaren Sie Ziele. Bieten Sie die Möglichkeit einer schrittweisen Steigerung der Arbeitszeit oder Hospitationsmöglichkeiten zum Wiedereinstieg an. Die interviewten Ingenieurinnen machten deutlich, dass sie sich wünschten, nach der Abwesenheit in Ihre alte Position zurückkehren zu können. Ermitteln Sie gemeinsam, ob hierfür spezifische Förder- und Weiterbildungsmaßnahmen nötig sind.
Karrierechancen
MentorInnen waren häufig Schlüsselfiguren im Lebenslauf der befragten Ingenieurinnen, die sie bei der Karriere unterstützten oder diese gar ermöglichten. Bieten Sie Mentoringprogramme an und unterstützen Sie Frauen mit Kindern dabei, Netzwerke innerhalb der Institution aufzubauen, um berufsbezogene Themen zu diskutieren und Kontakt zu Mitarbeitenden in höheren Fach- oder Führungspositionen aufzubauen. Bieten Sie Mentoringprogramme an, in denen (werdende) Mütter Tipps zur Karriereentwicklung und Ratschläge zur Optimierung des Lebenslaufs erhalten sowie Führungsfähigkeiten erlernen können. Weibliche Führungskräfte mit Kindern können dabei als Vorbild und Orientierungshilfe dienen und aus eigener Erfahrung berichten.
Unterstützen Sie die Frauen proaktiv dabei, Netzwerke innerhalb des Unternehmens aufzubauen. Dabei sollten die Termine der Netzwerktreffen innerhalb der Arbeitszeiten der Ingenieurinnen stattfinden, um zu verhindern, dass Frauen mit Kindern von wertvollen Netzwerkmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Behalten Sie im Blick, dass flexible Arbeitsformen wie Homeoffice Risiken in Bezug auf Chancengleichheit bergen können, wenn Grenzen zwischen Arbeitszeit- und ort verschwimmen oder Frauen Zeitersparnisse durch entfallene Fahrtwege in Sorgearbeit investieren, während Männer diese Zeit für ihre Karriere nutzen. Damit Homeoffice und flexibles Arbeiten die traditionelle Arbeitsteilung nicht noch verstärken, sollten Mitarbeitende, die Homeoffice in Anspruch nehmen, keine Karrierenachteile befürchten müssen.
Viele Ingenieurinnen, die an unserer Studie ‚Ingenieurinnen im Maschinen- und Anlagenbau‘ teilnahmen, äußerten großes Interesse daran, sich fachlich weiterzubilden. Gründe dafür waren unter anderem die Suche nach neuen Herausforderungen und mehr Abwechslung im Berufsalltag oder die Hoffnung auf einen Karriereaufstieg. Auf lange Sicht führen Weiterbildungen neben dem Wissenszuwachs zu mehr Motivation und Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden.
Das Modell der Job-Rotation wurde von Ingenieurinnen in den Interviews als sinnvolle Möglichkeit genannt, um eine höhere Position stellvertretend zu testen, sich in anderen Funktionen auszuprobieren und Führungsqualitäten weiterzuentwickeln.
Mahle-Führungskräfte Marisa Leutenecker und Claudia Schumacher über Jobsharing und New Work
Entgeltgleichheit
Alle interviewten Ingenieurinnen der Studie waren sich darin einig, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit die gleiche Bezahlung erhalten müssen. Prüfen Sie, an welchen Stellen im Unternehmen Diskriminierungsgefahr beim Entgelt besteht und wie Sie diese ausräumen können. Decken Sie Ungleichheiten in den Gehaltsstrukturen auf, indem Sie die Gehälter Ihrer Mitarbeitenden anhand von definierten Regeln bestimmen, anstatt sie ausschließlich individuell zu verhandeln.
Überprüfen Sie, ob alle Tätigkeiten gerecht bewertet und eingruppiert wurden. Informieren und sensibilisieren Sie alle Verantwortlichen wie Führungskräfte, Mitarbeitende und Fachkräfte aus dem Personalbereich über Grundlagen der Entgeltgleichheit und Gefahren der Benachteiligung.
Quelle: VDMA