Nachhaltige Fluide für die Mobil- und Stationärhydraulik
Malte Otten, Ludger Frerichs und Philipp Winkelhahn; Technische Universität BraunschweigMalte Otten, Ludger Frerichs und Philipp Winkelhahn; Technische UniversitätBraunschweig
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Ein wichtiger Anwendungsfall für umweltverträgliche Fluide: Forstarbeiten.(Bild: Countrypixel - stock.adobe.com)
Gegenwärtig basieren viele Hydraulikfluide auf dem fossilen Rohstoff Mineralöl. Die Nutzung dieser Ressource und der daraus hergestellten Fluide ist meist mit negativen Folgen für die Umwelt verbunden. Eine umweltverträgliche Alternative können Fluide darstellen, die auf den nachwachsenden Rohstoffen Glycerin und Chitosan basieren.
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Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag, der auf dem 13. Kolloquium Mobilhydraulik, das am 8. Und 9. Oktober 2024 in Karlsruhe stattfand, erstmals gehalten wurde und den FLUID hier mit freundlicher Genehmigung in Auszügen veröffentlicht.
Stand der Forschung
Hydraulikfluide auf Mineralölbasis bilden den größten Anteil am Markt. Neben diesen Fluiden sind jedoch auch Fluide auf Basis pflanzlicher Öle, Glycole, synthetischer Ester oder Wasser erhältlich. Während ein Teil der Fluide biologisch abbaubar ist, besteht bei wasserbasierten Fluiden oft die Notwendigkeit zum Einsatz von Bioziden, um das Fluid vor mikrobiellem Befall zu schützen.
Aufbauend auf den vielversprechenden Zwischenergebnissen wurde in dem von der Fachagentur nachwachsende Rohstoffe geförderten Forschungsprojekt ‚Entwicklung eines Glycerin/Chitosan basierten Hydraulikfluids für Anwendungen in der Stationär- und Mobilhydraulik‘ (Akronym: ‚GlyAnFlu‘) an der Weiterentwicklung des Fluidkonzeptes von 2019 bis 2022 gearbeitet.
An dem Forschungsprojekt waren die Industriepartner Bucher Hydraulics GmbH, Oemeta chemische Werke GmbH sowie die TU Braunschweig mit dem Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge und dem Institut für ökologische und nachhaltige Chemie beteiligt.
Versuchsfluide und Vorgehen bei praktischen Untersuchungen
Zur Weiterentwicklung des neuartigen Fluidkonzeptes wurden dem Basisfluid hier Additive zur Verstärkung bereits bestehender positiver Eigenschaften hinzugefügt und Maßnahmen zur Steigerung der Scherstabilität getroffen. Im nachfolgenden Kasten sind die Inhaltsstoffe und deren Funktion im Rahmen der Fluidformulierung aufgelistet. Die Basis für die neuartigen Fluide stellen Glycerin, Wasser und der Verdicker Carboxymethylchitosan dar. Das Basisfluid wird um Additive zur Leistungsaddititivierung erweitert. Ausgenommen des Buntmetallinhibitors Irgamet TT 50 und den Entschäumer Foam Ban OM 50, welche in Summe nie einen größeren Massenanteil als 0,55Prozent einnahmen, ging von keinem der verwendeten Stoffe eine Gefährdung der Umwelt aus.
Da in der beschriebenen vorangegangenen Machbarkeitsstudie (2011-2014) in praktischen Untersuchungen eine Reduktion der Viskosität im Praxiseinsatz festgestellt wurde, welche auf die Verkürzung der Chitosanpolymere zurückzuführen war, wurden Maßnahmen zur Steigerung der Scherstabilität der Formulierung getroffen.
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Dazu zählte eine Konditionierung des Verdickers Carboxymethylchitosan vor Anfertigung des Fluids. Dazu wurde der Verdicker durch Mikrowellenstrahlung und Hitze im Autoklav behandelt. Durch die Konditionierung wurde die Länge der Polymere verkürzt. Die somit entstandenen kürzeren Chitosanpolymere wiesen eine höhere Beständigkeit gegenüber Scherbelastung auf, welche auch in Hydraulikanlagen auftritt.
Inhaltsstoffe und deren Funktion in den neuartigen Hydraulikfluiden
Glycerin: Verbesserung der Schmierfähigkeit, antimikrobielle Wirkung
Entionisiertes Wasser: Einstufung als HFC, Anhebung spezifischer Wärmekapazität
Carboxymethylchitosan: Einstellung von Viskosität und pH-Wert (auch Pufferwirkung)
Polyethylenglykol 10.000 g⁄mol: Einstellung von Viskosität und Viskositätsindex
Neodecansäure: Verschleiß- und Korrosionsschutz
Isononansäure: Verschleiß- und Korrosionsschutz
Methyldiethanolamin: Einstellung des pH-Wertes
Monoisopropanolamin: Einstellung des pH-Wertes und Korrossionsschutzes
Irgamet TT 50 (Handelsname): Buntmetallinhibitor
Foam Ban OM 50 (Handelsname): Antischaummittel
Untersuchung im Labormaßstab
Die Leistungsfähigkeit der neuartigen Fluide wurde im Labormaßstab untersucht. Dabei wurden das Schaumverhalten (DIN 51566), die Korrosionsschutzeigenschaften (DIN 51360), der pH-Wert und Verschleißschutzvermögen (DIN 51347) bestimmt.
Es wurde ein niederviskoses Fluid (folgend ‚GCF22‘) und ein höherviskoses Fluid (folgend ‚GCF40‘) getestet. Die Untersuchungen wurden zusätzlich mit kommerziellen Referenzfluiden durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Tests wurden als Referenz zur Bewertung der neuartigen Fluide herangezogen. Als Referenzfluide wurden das Fluid Houghto Safe NL 1 (folgend ‚RF40‘) sowie das Houghto Safe NL1 LV (folgend ‚RF22‘) der Firma Houghton International Inc. ausgewählt.
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Gegenüber den Referenzfluiden RF22 und RF40 weisen die neuartigen Fluide GCF22, GCF40 eine vergleichbare Viskosität bei einer Temperatur von 40°C auf. Der Viskositätsindex der Experimentalfluide liegt unter den Werten der betrachteten Referenzfluide. Daraus folgt, dass die Viskosität der neuartigen Fluide eine stärkere Abhängigkeit von der Temperatur aufweist. Aus dem beschriebenen Sachverhalt folgt, dass die maximal und minimal zulässigen Betriebsviskositäten für Verdrängereinheiten in einem engeren Temperaturbereich liegen.
Weiterhin liegt die Dichte der Experimentalfluide über der Dichte der Referenzfluide, was unter anderem zu einem erhöhten Ansaugwiderstand bei Pumpen führen kann. Dieser Effekt kann auf den hohen Glycerinanteil in den Experimentalfluiden von etwa 60Prozent zurückgeführt werden. Während die Dichte von Glycerin bei 1.260kg⁄m3 liegt, weisen Glykole, welche oft in Fluiden der Klasse HFC zur Einstellung der Viskosität genutzt werden, eine Dichte zwischen 1.052 und 1.113kg⁄m3 auf. In DIN EN ISO 12922 sind keine Grenzwerte für die Dichte festgelegt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass diese vom Fluidhersteller anzugeben ist.
In dem Forschungsprojekt wurde die Leistungsfähigkeit der Fluide anhand von praktischen Untersuchungen bestimmt. Dazu wurden Prüfstände entwickelt, welche eine praxisnahe Belastung der Fluide ermöglichen. Da die Belastung der Fluide in der Praxis stark von der Anwendung abhängig ist, können keine klaren Grenzen für die Mobil- und Stationärhydraulik formuliert werden. Auf Basis von Literaturangaben wurden die Angaben zu Betriebsdruck, Fluidtemperatur und Umlaufrate zusammengetragen. Es wird deutlich, dass in der Mobilhydraulik deutlich höhere Belastungen als in der Stationärhydraulik zu erwarten sind.
Schaltplan des Prüfstandes mit einem offenen Kreislauf (Stationärhydraulik).(Bild: TU Braunschweig)
Offener Kreislauf – Stationärhydraulik
Zur Abbildung der Belastung aus der Stationärhydraulik wurde ein einfacher Prüfstand gewählt, der im Wesentlichen aus zwei Innenzahnradmaschinen bestand, welche als Pumpe und Motor fungierten. Es wurden zwei identische Kreisläufe nach dem dargestellten Schaltplan aufgebaut, welche über ein Getriebe miteinander verbunden waren. Während in den einen Aufbau ein Experimentalfluid eingesetzt wurde, kam in dem anderen Aufbau ein Referenzfluid zum Einsatz. Auf diese Weise konnten die Kreisläufe parallel betrieben werden. Für den Dauerbetrieb des Prüfstands wurde in Bezug auf die maximale Belastung der Komponenten eine hohe Belastung gewählt. Im Dauerbetrieb des Prüfstandes wurde eine Umlaufrate von etwa 0,5min-1 und eine Fluidtemperatur in der Arbeitsleitung von etwa 39°C eingestellt.
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In den Untersuchungen mit dem Prüfstand offener Kreislauf konnten keine funktionalen Auffälligkeiten oder Ausfälle in dem Experimentalkreislauf festgestellt werden, welche auf das Experimentalfluid zurückgeführt werden können. Dies konnte auch durch die Untersuchung des Bauteilverschleißes der Hydrostatbauteile nachgewiesen werden. Weiterhin wurden in den Untersuchungen nur geringe Veränderung der Fluideigenschaften festgestellt.
Den untersuchten Experimentalfluiden ist somit eine hohe Leistungsfähigkeit unter den angenommenen Belastungen der Stationärhydraulik zuzusprechen.
Geschlossener Kreislauf (Mobilhydraulik).(Bild: TU Braunschweig)
Geschlossener Kreislauf – Mobilhydraulik
Für die Untersuchung der Fluide unter Belastungen der Mobilhydraulik wurde ein weiterer Prüfstand entwickelt und auf Basis einer Fahrantriebsschaltung gestaltet, welche in der Mobilhydraulik weit verbreitet ist. In dem Prüfstand wurden zwei Axialkolbenmaschinen als Pumpe und Motor eingesetzt. Als Speisepumpe kam eine Außenzahnradmaschine zum Einsatz. Es wurden zwei Kreisläufe nach dem in der unteren Abbildung dargestellten Schaltplan aufgebaut, um das Experimentalfluid und das Referenzfluid in getrennten Aufbauten zu untersuchen. Der angestrebte Druck im Dauerbetrieb des Prüfstandes wich von dem erwarteteten Wert von 320 bis 450bar deutlich ab. Dies ist auf die limitierte Belastbarkeit der Komponenten bei Einsatz von Fluiden der Klasse HFC zurückzuführen. Durch die ungünstige Schmierwirkung dieser Fluide durfte ein Druck im Dauerbetrieb von 200bar nicht überschritten werden.
Während im Prüfstand offener Kreislauf die Umlaufrate bei etwa 0,5min-1 und die Fluidtemperatur in der Arbeitsleitung bei etwa 39°C lag, betrug die Umlaufrate bei Betrieb des Prüfstands geschlossener Kreislauf etwa 1min-1 und die Fluidtemperatur in den Arbeitsleitungen bei etwa 47°C. Somit liegt die Belastung der Fluide und der Komponenten im Prüfstand geschlossener Kreislauf deutlich über der Belastung im Prüfstand offener Kreislauf. Aufgrund der erhöhten Fluid- und Komponentenbelastung im Prüfstand geschlossener Kreislauf werden die praktischen Untersuchungen in diesem erst durchgeführt, wenn das Experimentalfluid in dem Prüfstand offener Kreislauf eine ausreichende Leistungsfähigkeit beweisen kann.
In der Dissertation des Projektbearbeiters Herrn Otten von Seiten des Instituts für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge werden weiterführende Untersuchungen zur Alterung der neuartigen Fluide unter Scherbelastung durchgeführt. Weiterhin wird der Einfluss der neuartigen Fluide auf die Effizienz von hydraulischen Systemen untersucht. In weiteren Forschungsarbeiten ist die Formulierung der Experimentalfluide weiterzuentwickeln. Dabei ist die Konditionierung des Verdickers Chitosan, um die Scherstabilität dessen Scherbeständigkeit zu steigern und somit eine Reduktion der Viskosität im Betrieb zu verringern.
Weiterhin sind der in den Experimentalfluiden eingesetzte Entschäumer und der eingesetzte Bundmetallinhibitor durch Additive zu ersetzen, welche keine Gefährdung für die Umwelt darstellen. Zusätzlich ist die Formulierung für den Einsatz unter erhöhter Belastung in Anlehnung an die Mobilhydraulik zu steigern. Diese und weitere Punkte sollen in einem weiterführenden Forschungsprojekt untersucht werden, welches sich aktuell in der Beantragung befindet.
Autoren der Originalveröffentlichung: Malte Otten, Ludger Frerichs und Philipp Winkelhahn; Technische Universität Braunschweig, Braunschweig