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Die Zylinder-Wartung soll mit der neuen Maschine in unter einer Stunde möglich sein. (Bild: Adobe Stock/ BillionPhotos.com)

Die Vollwartung von großen Hydraulikzylindern ist eine echte Herausforderung. Schwere Einzelteile, festgefressene Schraubverbindungen, unbekannte Hersteller, Typen und Anzugsmomente. Die Liste der möglichen Probleme ist Servicebetrieben nur zu gut vertraut. Nun gibt es eine automatisierte Maschine namens Zylfix, die diese Probleme löst. Ein hochdynamischer Antriebsstrang erleichtert in dem „XXL-Drehmomentschlüssel“ den Zylinderservice bis 50.000 Newtonmeter.

Zylfix-Maschine,
Die Zylfix-Maschine ist mit einer fehlersicheren Steuerung von Siemens ausgestattet, sodass die vom Planetengetriebe übertragenen Drehmomente vorgewählt werden können. (Bild: Flender)

Das Besondere an der Lösung ist die Wiederholgenauigkeit in Verbindung mit dem hohen Grad an Automatisierung sowie das komfortable Handling. „Deshalb haben wir unsere Maschine im Zuge der Entwicklung patentieren lassen“, ergänzt Martin Trenkle, Geschäftsführer beim Hersteller Trenkle in Dachau.

Zum Wechsel von Kolbendichtungen, Stangendichtungen und Führungsbändern müssen Kolbenstange und Zylinderrohr getrennt werden. Zum Lösen und späteren Anziehen der Stangenmutter sind häufig große Drehmomente notwendig, da im Betrieb die Hydraulikzylinder einem hohen Öldruck ausgesetzt sind und sich die Mutter durch die thermischen Wechselbelastungen keinesfalls lockern darf. Dies führt ansonsten unter Umständen zum Totalverlust des Hydraulikzylinders.

Am Ende werden Kolbenstange und Zylinderrohr wieder konzentrisch gefügt, um keine Initialschäden an Dichtungen und Bändern zu riskieren. „All das lässt sich mit unserer mobilen Maschinenlösung problemlos innerhalb von circa 45 Minuten durchführen“, versichert der Firmenchef. Das funktioniert bisher bei Zylindern mit einer Gesamtlänge von etwa sechs Metern und bis 50.000 Newtonmeter. In der nächsten Entwicklungsstufe sollen diese Begrenzungen erweitert werden.

Martin Trenkle,
(Bild: Flender)

„Mit dieser Lösung ist die Wartung selbst großer Hydraulikzylinder in 45 Minuten erledigt.“

Martin Trenkle, Geschäftsführer bei Trenkle

Geregelte Verfahrantriebe für feinfühlige Schlittenbewegungen

„Im Grunde genommen handelt es sich bei unserer Zylfix-Maschine um einen überdimensionalen Drehmomentschlüssel“, erklärt Martin Trenkle. Deshalb war eine qualitativ hochwertige Antriebs- und Getriebetechnik in Verbindung mit einer dynamischen Regelung der Schlüssel zum Erfolg. „Statt einer geforderten Wiederholgenauigkeit des Drehmoments von plus/minus drei Prozent liegen wir nun sogar im Promille-Bereich“, berichtet Jonas Tekampe, Vertriebsmitarbeiter beim Getriebehersteller Flender, der das Zylfix-Projekt maßgeblich begleitet hat.

Die Antriebs- und Steuerungstechnik wurde aus einem Guss geliefert. Eine fehlersichere Steuerung in Verbindung mit Frequenzumrichtern und entsprechenden Motoren von Siemens sorgen sowohl für die Linearbewegung als auch für die Rotationsbewegung des Antriebkopfes.

neue Maschine,
Die neue Maschine vereinfacht den Zylinderservice. (Bild: Flender)

Ein Kegelstirnradgetriebemotor übernimmt die Untersetzung, damit der horizontale Verfahrschlitten eine feinfühlige, langsame und dennoch kraftvolle Längsbewegung ausführen kann. „Damit lässt sich die Kolbenstange zügig herausziehen und entsprechend sicher für das Bedienpersonal wieder einfahren“, betont Jonas Tekampe.

Und selbst wenn Kolben und Zylinder mal sozusagen festgefressen sind, lasse sich dieser kraftgeregelt und millimetergenau mit mehreren Tonnen Zugkraft sicher abziehen.

Planetengetriebe als Herzstück der Maschine

Das antriebstechnische Herz des „Drehmomentschlüssels“ bildet ein SIP-Planetengetriebemotor von Flender. Der Getriebehersteller hat mehr als eine Million Industriegetriebelösungen im Portfolio. „Dieses riesige Angebotsspektrum in Verbindung mit dem fachlichen Know-how, der guten Betreuung und den qualitativ hochwertigen Produkten gibt uns die Sicherheit, dass unsere Kunden weltweit sorgenfrei Hydraulikzylinderwartung durchführen können“, fasst der Firmenchef von Trenkle zusammen.

Erfolgsentscheidend ist einerseits die kontrolliert gleichmäßige Drehmomententwicklung, gepaart mit einer hochdynamischen Regelung zur sicheren Drehmomententfaltung. Wichtig ist andererseits, dass das höchste Drehmoment bereits bei Drehzahl Null zur Verfügung steht und sich beim Lösen der Stangenmutter schnell an die Drehmomentkurve im Aufschraubprozess anpasst.

Hierzu wurde das SIP-Planetengetriebe mit einem Servomotor von Siemens kombiniert. Trenkle erklärt: „Für eine hohe Dynamik kommt es darauf an, dass sämtliche Getriebekomponenten perfekt passen und antriebstechnisch aufeinander abgestimmt sind.“

Große Zylinder und Problemfälle

SIP-Planetengetriebe,
Das Herzstück der Maschinen ist ein SIP-Planetengetriebe. (Bild: Flender)

Der Einsatzbereich der Maschinen erstreckt sich von 1.000 Newtonmeter bis 50.000 Newtonmeter. Bei Bedarf sind auch höhere Werte möglich. „Dieser weite Drehmomentbereich ist eine extreme Herausforderung“, erläutert Trenkle. Denn es treten immer wieder Fälle auf, bei denen das Anzugsmoment der Spannmutter nicht bekannt ist. Entsprechend hoch muss der Maschinenbediener dann das Drehmoment wählen, das der Planetengetriebemotor auf den Hydraulikzylinder überträgt.

Dieses Losbrechmoment ist die größte Herausforderung für die Antriebs- und Steuerungstechnik sowie für die Stahlkonstruktion. Im Normalfall wird die Mutter aufgedreht und das tatsächlich benötigte Losbrechmoment angezeigt. Wurde das Lösemoment zu gering vorgewählt, erkennt die Steuerung die Motorbelastung und schaltet sicher ab. Dann hat der Bediener die Möglichkeit, ein höheres Drehmoment vorzugeben. Im schlimmsten Fall schert das Gewinde beziehungsweise die Stange oder der Stangenkopf ab, bevor das Losbrechmoment der Mutter erreicht ist. In diesem Fall ist ein kurzes „Klack“ zu hören, denn der Antrieb schaltet aufgrund seiner Regelung sofort ab.

Flexible Getriebelösung

Im Umkehrschluss wissen Monteure aus Erfahrung, dass das Losbrechmoment je nach Betriebsart und Umgebungsbedingungen des Hydraulikzylinders etwa 20 bis 30 Prozent über dem notwendigen Anzugsmoment liegt. „Die Steuerung ermittelt das exakte Losbrechmoment und gibt dem Wartungspersonal damit einen Richtwert, wie hoch die Drehmomenteinstellung an der Zylfix zum Anziehen der Zentralmutter nach der Wartung gewählt werden sollte“, erklärt Martin Trenkle. Die Entwicklung aus Sicht der Antriebstechnik war aufwendig, wie Jonas Tekampe berichtet: „Um die Drehmomentübertragung aus dem Stand bis in höchste Regionen zu erreichen, haben wir uns für eine spielarme Vorschaltgruppe mit hochdynamischem Servomotor entschieden.“ Auch bei der Anbindung an das Planetengetriebe gab es unterschiedliche Möglichkeiten, um den Antriebsstrang zusammenzustellen.

Zylinderwartung in unter 60 Minuten

Im Unterschied zu anderen Lösungen arbeitet die Maschine aus Dachau elektromechanisch und lässt sich dadurch ohne großen Aufwand in die volldigitale Welt der Industrie 4.0 integrieren. Passwortgestützte Steuerung, Fehlerdiagnose via Internet, Dokumentation von Anzugsmomenten und Fernwartung realisiert der Hersteller auf Wunsch.

Aufgrund der selbsttragenden Stahlbau-Unterkonstruktion kann die Maschine auch mobil genutzt werden und ohne besondere Bodenbeschaffenheit eingesetzt werden. Über höhenverstellbare Fußplatten wird sie nivelliert. „Auch das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Lösungen, die im Boden fest verankert sein müssen“, urteilt Martin Trenkle. Einfaches Hohnen der Zylinderrohre sei mit der Maschine kein Problem, weil auch dafür die Antriebs- und Getriebetechnik die passenden Betriebsmodi zur Verfügung stellen.

Die Firma will mit der Maschine die Montage beziehungsweise Demontage von Hydraulikzylinder verbessern und die bisherige kurvenbasierte Drehmomentberechnung (Druck, Drehwinkel et cetera) ersetzen. Laut Martin Trenkle ist mit der Maschine eine professionelle Hydraulikzylinder-Wartung in weniger als einer Stunde erledigt. do

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