Licht und Handys aus: Das Theater hat von seiner Faszination nach wie vor nichts verloren. Damit die Zuschauer über die künstlerischen Leistungen der Darsteller hinaus durch tolle Effekte und beeindruckende Bühnenbilder in den Bann gezogen werden, spielt Hydrauliktechnik auf, über, hinter und unterhalb der Bühne eine wichtige Rolle.
Moderne Hydrauliktechnik für Wow-Effekte
Wie komplex und anspruchsvoll die Hydraulik im Bühnenbereich ist, zeigt sich am Beispiel des Oldenburgischen Staatstheaters. Hier hatte das Unternehmen RC-Hydraulik aus Syke bei Bremen die Aufgabe, Teile der Bühnentechnik zu modernisieren. Dabei brachte das Team von Geschäftsführer Michael Heuer neben zahlreichen Neu- und Umbauprojekten in der Bühnentechnik – unter anderem an der Staatsoper Berlin und dem Playhouse-Theater in Kopenhagen – sowie an fliegenden Fahrgeschäften auch Erfahrungen aus dem Sondermaschinenbau und der Antriebstechnik in das Projekt mit ein. Unter anderem wurden Systemtechnik, Software und Einzelkomponenten von Parker Hannifin verbaut.
Die Aufgabe: Im Theater Oldenburg sind zwei horizontal und vertikal verfahrbare, 12,6 Meter lange und vier Meter breite Bühnenpodien installiert. Sie können über eine hydraulische Gleichgangsteuerung getrennt oder parallel verfahren werden. Jedes dieser Podien wird dabei über je acht Achsen angesteuert. Somit sind bei Parallelbetrieb insgesamt 16 Achsen im Gleichgang mit einer maximalen Abweichung von ±1 Millimeter zu verfahren. In der Vergangenheit wurde dazu eine einfache Steuerung mit Gleichgangfunktion über Stromregelventilen eingesetzt. Diese Steuerung hatte jedoch einige Mängel.
So bewegten sich die Achsen mit einer hohen Abweichung von ± 5 bis 10 Millimeter. Im Stillstand senkten sich die Zylinder um bis zu 15 Millimeter und der parallele Gleichklang zwischen den beiden Podien erwies sich als zu ungenau. Auf den Podien ist für Schauspielzwecke eine Drehscheibe aufgebaut, auf der Bühnentechnik installiert wird. Die vorhin beschriebenen Abweichungen bei den Podienstellungen sorgten immer wieder dafür, dass sich die Drehscheibe verwindete und beschädigt wurde.
Millimeterarbeit für unvergessliche Bühnenerlebnisse
Das Pflichtenheft war für die Techniker eindeutig definiert: Im gewünschten Sollzustand sollten alle Achsen – ob Einzel- oder Parallelbetrieb – mit einer Gleichlaufgenauigkeit von ± 1 Millimeter laufen. Das Anheben oder Absenken der Zylinder sollte vermieden werden. Neben einer geregelten Fahrgeschwindigkeit war eine nachregelbare Positionsüberwachung der Podien gewünscht. RC-Hydraulik konnte die neue hydraulische Steuerung mithilfe von Proportionalventilen der ‚DFplus-Serie‘ Schalt- und Druckbegrenzungsventilen zur Überlastabsicherung realisieren.
Die Steuerung der Podien wird über den ‚Parker Automation Controller‘, Typ ‚PAC120‘ realisiert. Diese modulare SPS wird über die standardisierte Entwicklungsumgebung, der Software ‚CODESYS V3‘ programmiert. Der Bühnentechniker ruft dann die einzelnen Funktionen über eine webbasierte Visualisierungsseite auf. Der ‚PAC120‘ wurde eigens für die Automatisierung schneller, präziser, hydraulischer Abläufe optimiert und kann mit einem oder mehreren Modulen der Reglerbaugruppe ‚PACHC‘ kombiniert werden.
Im Zusammenspiel ermöglicht ein ‚PACHC‘ Modul dann die Positions- und Kraft-/Druckregelung von je zwei Achsen. Im Falle des Theaters Oldenburg wurde so ein ‚PAC120‘ mit acht ‚PACHC‘-Modulen ergänzt, um die 16 Achsen zu regeln.
In Kombination mit den ‚PACIO‘-Modulen von Parker kann die Steuerung dann um weitere Ein- und Ausgänge erweitert werden, sodass der ‚PAC‘ als Stand-Alone-Lösung die Steuerung der Podien komplett übernimmt, sagt Christoph Lennartz. Der Produktmanager ergänzt, dass der ‚PAC120‘ durch das sehr kompakte und modulare Design in vielen Bereichen einsetzbar und der Datenaustausch mit anderen Systemen über fast alle gängigen Feldbussysteme und OPC UA möglich sei. Basierend auf diese Steuerung wurden bis dato weitere Projekte im Bereich der Bühnen- und automatisierten Verfahrenstechnik durch RC Hydraulik realisiert, unter anderem die Steuerung der Saalhubwände im Lorenzsaal der schweizerischen Gemeinde Cham.
Gebündelte Kompetenz für mehr Kundenservice
In Neuanlagen kommt Hydraulik vor allem für Podien in der Untermaschinerie zum Einsatz. Sind dazu noch hohe Traglasten und Geschwindigkeiten bei gleichzeitig geringem Einbauraum gefordert, kann die Hydraulik hier ihre Stärken voll ausspielen, heißt es vom Hersteller Bosch Rexroth, dessen Komponenten in der Bühnentechnik vieler renommierter Häuser zu finden sind. Wie das Unternehmen mitteilt, werde die Wartung und der Service für die Bühnenprojekte seit Mitte 2023 von der ‚Scala Stage Systems & Services‘ GmbH aus dem westfälischen Castrop-Rauxel übernommen. Das neu gegründete Unternehmen bündelt die Kompetenzen mehrerer europäischer Technologieunternehmen, die sich auf Bühnentechnik spezialisiert haben.
Übergangsweise arbeiten mehrere Bühnentechnik-Experten von Bosch Rexroth als ‚Customer Care Team‘ Hand in Hand mit ‚Scala Stage Systems & Services‘. Damit sei ein fließender Know-how-Transfer und eine umfassende Einarbeitung in die individuellen Besonderheiten der einzelnen Bühnenhäuser gewährleistet. Bosch Rexroth hatte im Mai 2022 seinen schrittweisen Rückzug aus dem Geschäft mit Bühnentechnik angekündigt und in diesem Bereich keine Neuprojekte mehr angenommen. Die Auslegung und der Einbau von hydraulischer Antriebstechnik sowie die Lieferung von Komponenten wird von Bosch Rexroth weiterhin auch in Theatern und Opernhäusern fortgeführt.
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Wenn die Hydraulik fast unhörbar arbeitet
Den Experten von ‚Scala‘ ist klar, dass die Hydraulikantriebe im Bühnenbereich sehr leise sein müssen. Denn in der ersten Zuschauerreihe darf maximal ein Schallpegel von LAeq = 35 dB(A) ankommen. Auf diese Richtlinien sind alle Produkte von Bosch Rexroth optimiert. Beispiel ist das auf einem Stahltank basierende, modulare Kleinaggregat ABPAC, dessen Antriebsleistung von 3 bis 75 Kilowatt und das Behältervolumen von 100 bis 630 Liter reicht. Je nach Bedarf können weitere Option wie eine Speicherbaugruppe, Ölkonditionierung und Sensoriken ausgewählt werden. Über einen Konfigurator lassen sich diese Aggregate auf die jeweilige Anwendung individuell zusammenstellen.
Mit ‚ABMAXX‘ bietet Bosch Rexroth einen modularen Baukasten für Großaggregate, der sich für den Neubau oder die Modernisierung bestehender Anlagen eignet. Die ‚ABMAXX‘-Module von Tank (2.000 bis 18.000 Liter), Motor-Pumpen, Pumpenblock, Rücklauffilter, Umwälzeinheit mit Filterung und Kühlung sowie Speichermodul sind vorkonfiguriert und basieren auf Standardelementen.
Auch die Steuerblöcke und der Hydrozylinder ‚CDH1‘ von Bosch Rexroth sind auf geringe Geräuschemissionen optimiert. Der ‚CDH1‘-Zylinder verfügt über eine spezielle Dichtungstechnik. Dieses Detail sorgt dafür, dass der Lärm und Verschleiß verursachende Stick-Slip-Effekt bei sehr langsamen Zylinderfahrten vermieden wird. Ein wichtiger Aspekt ist die Energieeffizienz: Zylinderantriebe für die Podien in der Untermaschinerie benötigen nur Energie in der Fahrtrichtung ‚Heben‘. Das Absenken erfolgt rein durch das Eigengewicht. Diese Energiebilanz lässt sich mit elektrischen Antrieben nicht erzielen.
Kleines Lexikon der Bühnentechnik
Generell lässt sich die Bühnentechnik in die Ober- und Untermaschinerie sowie den Bühnenboden aufteilen. Theaterzüge gehören zur Obermaschinerie und sind Teil des Bühnenhauses. Dies ist deshalb doppelt so hoch wie die sichtbare Höhe des Bühnenraumes, damit komplette Bühnenteile schnell nach oben in Richtung des sogenannten Schnürbodens gezogen werden können. Im Schnürboden sind Zugvorrichtungen, unter anderem Prospektzüge, montiert. Hier werden die Bühnenteile an über die gesamte Bühnenbreite verlaufende Zugstangen mit circa 60 Millimeter Durchmesser aufgehängt. Sehr häufig handelt es sich um Prospektzüge. Hier sind die Bühnenteile an Zugstangen aufgehängt, die über die Gesamtbreite der Bühne verlaufen. An dieser Stelle kommen neben manuellen Systemen die Hydraulikzylinder ins Spiel, mit denen per Zugseilen die Dekoration herauf- und heruntergefahren wird. Alternativ werden diese Aufgaben über elektromechanische Systeme erledigt.
Im Raum unter der Bühne, der Untermaschinerie, sind unter anderem die bühnenbreit dimensionierten Hubpodien installiert, mit denen horizontal verlaufende Teilbereiche der Bühne hoch oder herunter gefahren können und sich die Perspektive des Bühnenschildes schnell ändern lässt. Zudem können mit Hilfe dieser Podien ganze Bühnenbilder plötzlich auftauchen oder verschwinden. Bei neueren Theatern lassen sich über diese Technik bis zu acht Bühnenbilder verschieben. Neben Drehbühnen und Drehscheiben sind weitere szenische Gestaltungsmöglichkeiten mit Bühnenwagen realisierbar. Diese sind fest eingebaut, nehmen die gesamte Fläche der Hauptbühne ein und können ein gesamtes Bühnenbild nach hinten oder zur Seite verschieben.
Der ‚Eiserne Vorhang‘ ist ein gesetzlich vorgeschriebener Schutzvorhang, der das Bühnenhaus in Form eines Feuerschutzabschlusses vom Zuschauerraum trennt. Die sichere Flucht der Zuschauer soll im Brandfall gesichert und der Übergriff eines Feuers in andere Gebäudeteile verhindert werden. Schutzvorhänge sind bei Großbühnen vorgeschrieben. Der ‚Eiserne Vorhang‘ muss sich durch sein Eigengewicht in maximal 30 Sekunden schließen können. Während der Vorhangfahrt ist ein netzunabhängiges Warnsignal zu hören. Das Auslösen per Hand muss an mindestens zwei Stellen erfolgen können. Der Vorhang wird mittels Hydrauliktechnik bei Vorstellungsbeginn hochgefahren.
Sicherheit geht vor!
An erster Stelle steht im Bühnenbetrieb die Sicherheit. Besonders dann, wenn es um den Personentransport geht oder wenn sich Menschen unter schwebenden Lasten bewegen. Bosch Rexroth bietet dazu speziell entwickelte Regelventile. Zum Portfolio gehören direktgesteuerte Ventile vom Typ ‚4WREE‘, die für Zylinder- und Windenantriebe in der Obermaschinerie eingesetzt werden.
Für den gleichen Einsatzbereich in der Untermaschinerie eignen sich die vorgesteuerten Regelventile vom Typ ‚4WRLE‘. Die Regelventile sorgen für ein sanftes Anhalten bei Notstop-Kategorie ‚0‘. Der integrierte Ventilregler ist mit vielen Bühnentechniksteuerungen kompatibel.
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Elektrisch oder hydraulisch?
Das Unternehmen ‚Bühnenplanung Walter Kottke Ingenieure GmbH‘ (BWKI) ist seit über 30 Jahren im Bereich der Veranstaltungstechnik international aktiv. So planen die Bayreuther beim Neubau des Konzerthauses München die gesamte technische Ausrüstung für die Bühnen-, Medien- und Veranstaltungstechnik. Aus Sicht von Andreas von Graffenried, Projektleiter und Fachplaner bei BWKI, sind elektromotorische Antriebe im Vergleich zu hydraulischen Lösungen in der Investition günstiger. Da es keine Druckbehälter, Stickstoffaggregate, Tanks und Pumpen geben würde, sei auch die Wartung weniger aufwendig. Weitere Vorteile sieht der BWKI-Experte in der höheren Präzision von Steuerung und Positionierung, höherer Sauberkeit, einem besseren Bremsverhalten und einer geringeren Lärmemission. Zudem würden elektromotorische Antriebe von vielen Herstellern angeboten.
Christian Würschinger, Abteilungsleiter Bühnenmaschinerie bei BWKI, erwähnt, dass bei hydraulischen Antrieben hohe Drücke bei wenig Stromleistung möglich sind, da der Druck langfristig über die Pumpe erzeugt würde. Hydraulikantriebe seien vergleichsweise widerstandsfähiger gegen Überlast und das Drehmoment sei konstanter. Dennoch sollten aus Sicht des BWKI-Experten hydraulische Antriebe nur in Ausnahmefällen verbaut werden.
Beispiele: Es handelt sich um Altanlagen, wo zum Beispiel acht Meter hohe Hubzylinder vorhanden sind, die weiter genutzt werden sollen. Oder zum Heben großer Podien ist nur wenig elektrische Anschlussleistung verfügbar. Doch dieser Mangel würde bei einer Sanierung in der Regel über neue Trafos oder Anschlüsse beseitigt.
Auch Wasserhydraulik, die früher aus brandschutztechnischen Gründen zum Einsatz kam, wird zumindest in Europa nicht mehr verbaut. Denn Wasser habe den Nachteil der Korrosionsbeschleunigung, sagt Christian Würschinger abschließend.