Airbus A380,

Im Airbus A380 wurde erfolgreich ein Hochdruck-Hydraulikblock aus dem 3D-Drucker getestet. (Bild: Airbus 2017, F. Lancelot/master films)

Vor dem Hintergrund, dass das ökologische Bewusstsein zunimmt, die Treibstoffpreise steigen und es an alternativen Energiequellen fehlt, muss die Luftfahrtindustrie nach neuen Technologien suchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der pulverbettbasierte industrielle 3D-Druck könnte die Branche grundlegend verändern und innovative Bauteile hervorbringen. Sechs Jahre ist es her, dass Liebherr sein Programm der additiven Fertigung eingeführt hat.

Nun konnte das Unternehmen nachweisen, dass sich die EOS-Technologie für den 3D-Metall-Druck auch für in Flugzeugen verbaute Hydraulikblöcke eignet. Zusammen mit Airbus und einem Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz hat Liebherr ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mitfinanziertes Projekt lanciert. Sein Ziel bestand darin, ein konventionelles Bauteil der primären Flugsteuerung, einen Hochdruck-Hydraulikblock, durch eine additiv gefertigte Komponente zu ersetzen.

Mehrerer Komponenten sorgen für Sicherheit

An Bord eines Flugzeugs sorgt erst das Zusammenspiel mehrerer Komponenten für einen sicheren Flug: So bewegt beispielsweise ein Stellantrieb die Störklappen in die gewünschte Position, um den Auftrieb eines Flugzeugs zu verringern. Insbesondere bei diesen Bauteilen der primären Flugsteuerung kommt es auf höchste Qualität und Präzision in der Fertigung an. Traditionell werden Ventilblöcke aus Rohmaterial geschmiedet und danach bearbeitet, beschnitten, mit Bohrungen versehen und schließlich montiert. Diese Prozesskette ist zeitraubend und komplex und lässt nur wenig Spielraum für Optimierungen.

Bereits die bloße Menge an Prozessschritten lässt erahnen, welches Verbesserungspotenzial besteht, wenn auf das 3D-Metall-Druckverfahren umgestellt werden kann. Von vornherein war klar, dass es mit dem reinen Ersatz des konventionellen Bauteils nicht getan ist. Das neue Bauteil musste leichter, ressourceneffizienter und umweltfreundlicher sein, sollte doch die Eignung der additiven Fertigung als vielversprechende Technologie der Zukunft nachgewiesen werden.

Neues Design und Prozesskette für 3D-Druck

Konventioneller Ventilblock,
Der konventionell gefertigte Ventilblock. (Bild: Liebherr)

Für die Lösung wurden ein Design und eine Prozesskette entwickelt, mit denen sich das industrielle 3D-Druckverfahren von EOS auch in der Luftfahrtbranche einsetzen lässt. Hierfür wurde zunächst das konventionelle Bauteil in Augenschein genommen. Dann wurden seine hydraulischen Strukturen herausgearbeitet und Hilfssysteme entfernt. Eine Analyse zeigte, wie sich die Hauptbauteile angesichts der Bauraum- und Schnittstellenanforderungen so platzieren lassen, dass intelligente und kurze Verbindungsleitungen möglich sind. Damit stand das Design des neuen Bauteils.

„Dank additiver Fertigung ist Komplexität nicht länger ein Problem. In der EOS M 290 werden Bauteile Schicht für Schicht aufgeschmolzen beziehungsweise „gedruckt“ – jede nur zwischen 30 und 60 μm dick. Selbst komplexe Geometrien sind so möglich“, erklärt Alexander Altmann, Lead Engineer Additive Manufacturing in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Liebherr-Aerospace Lindenberg. Die Funktionselemente wurden über gekrümmte Rohre direkt miteinander verbunden. Auf ein komplexes Rohrsystem mit vielen Querbohrungen konnte so verzichtet werden, was viel Zeit in der Produktion spart.

3D-gedruckter Ventilblock,
Der optimierte 3D-gedruckte Ventilblock. (Bild: Liebherr)

Als Werkstoff kam eine Titan-Legierung zum Einsatz. Diese eignet sich besonders gut für die Luftfahrt, da sie mit vielen Vorteilen aufwarten kann. So lassen sich mit dem Material Gewichtseinsparungen erzielen und ein kosteneffizienter Betrieb gewährleisten, da es sehr leicht, mechanisch stabil und äußerst korrosionsbeständig ist. Der Ventilblock wurde im Zuge der Nachbearbeitung zur Spannungsentlastung wärmebehandelt; auch seine hydraulischen Kanäle wurden einer Sonderbehandlung unterzogen.

Schließlich „darf es nicht einmal den geringsten Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Bauteile und des Werkstoffs, aus dem diese bestehen, geben. Dank der EOS-Technologie sind wir in der Lage, zuverlässig Titan-Bauteile von höchster Qualität herzustellen – die Voraussetzung für den nächsten Schritt der Serienproduktion“, sagt Altmann.

3D-gedruckter Ventilblock um 35 Prozent leichter

Der neue additiv gefertigte Ventilblock bietet die gleiche Leistung wie das konventionelle Bauteil, ist aber 35 Prozent leichter und besteht aus weniger Einzelteilen. Da es möglich war, zehn Funktionselemente in den neuen Ventilblock einzubinden, konnte auf das Rohrsystem inklusive Querbohrungen verzichtet werden. „Es mag ja der generelle Vorteil der additiven Fertigung sein, dass das gleiche Bauteil mit weniger Gewicht und Einzelteilen hergestellt werden kann. Doch genau darauf kommt es uns bei Liebherr-Aerospace an“, betont Alexander Altmann. Das im 3D-Druckverfahren hergestellte Bauteil konnte inzwischen einen ersten erfolgreichen Testflug im Airbus A380 absolvieren.

Additiv gefertigter Ventilblock,
Der neue additiv gefertigte Ventilblock bietet die gleiche Leistung wie das konventionelle Bauteil, ist jedoch 35 Prozent leichter und besteht aus einer Titan-Legierung. (Bild: Liebherr)

Die Prozesskette des industriellen 3D-Drucks ist im Gegensatz zu traditionellen Bearbeitungsverfahren weniger komplex und extrem materialeffizient. Der Titan-Abfall wird auf ein Minimum reduziert. „Derzeit können wir einen Ventilblock in etwas über einen Tag herstellen, doch wir sind zuversichtlich, die Bauzeit mit dem EOS-System M 400-4 um mehr als 75 Prozent verkürzen zu können“, glaubt Alexander Altmann. Doch damit nicht genug: Der im 3D-Druck gefertigte Ventilblock in Leichtbauweise dürfte im Zusammenspiel mit anderen künftig additiv gefertigten Bauteilen zur Verringerung des Treibstoffverbrauchs und damit auch zur Reduktion der CO2- und NOX-Emissionen beitragen.

Flugzeugteile müssen extrem hohe Anforderungen erfüllen. Daher hat es sich Liebherr zur Aufgabe gemacht, die additive Fertigung bis ins Detail zu verstehen, um auf dieser Grundlage absolut zuverlässige Produktionsprozesse umzusetzen. Im Zuge einer Pilotphase konnte Liebherr bei der Entwicklung von Eostate Exposure OT, einem neuen Modul der EOS Monitoring-Software, mitarbeiten, das die nahtlose Echtzeitüberwachung von Bauteilen zulässt. Altmann: „Künftig werden wir Materialfehler während des industriellen 3D-Drucks noch schneller erkennen und den Bedarf für nachgelagerte Qualitätssicherungsprozesse wie Computertomografie verringern können.“ hei

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