Vorträge,

Auf dem Podium diskutierte fluid-Chefredakteur Wolfgang Kräußlich mit Vertretern von ZF Friedrichshafen, Tüv Thüringen und Rauh Hydraulik über die nicht mehr ganz so neue Betriebssicherheitsverordnung. (Bild: fluid)

Unsere Welt soll sicherer werden. Auch die Arbeitswelt. Und sie wird es ja auch: Stetig sinkende oder auf niedrigem Niveau stagnierende Unfallzahlen zeigen, dass die Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte Früchte tragen. Neben der Maschinenrichtlinie, in der die Regeln für die funktional sichere Konstruktion einzelner Maschinen niedergeschrieben sind, gibt es noch das Arbeitsschutzgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung. Hinzu kommen gewerkspezifische Vorschriften wie zum Beispiel die Druckgeräterichtlinie. Aktuell ist die Betriebssicherheitsverordnung wieder stärker im Gespräch, nachdem der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) im vergangenen Jahr einen Bußgeldkatalog herausgegeben hat.

Welche Richtlinie wofür?

Vorträge,
Die Vorträge im Plenum waren gut besucht. (Bild: fluid)

Was das für die Hydraulikbranche bedeutet und ob Bußgelder tatsächlich verhängt werden, darüber sprachen, moderiert von fluid-Chefredakteur Wolfgang Kräußlich, im Rahmen des Bamberger Hydraulikfrühstücks Ralf Gehrz vom Tüv Thüringen, Carlo Friedrich von ZF Friedrichshafen und Andreas Laubsch von Rauh Hydraulik. Insbesondere dem Tüv-Spezialisten war es wichtig, die Regeln zunächst einmal einzuordnen: „Im Arbeitsschutzgesetz geht es nicht um Arbeitsmittel, hier werden im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nur Tätigkeiten betrachtet. Das Arbeitsmittel wiederum ist nach der Betriebssicherheitsverordnung zu betrachten“, so Ralf Gehrz.

Ein wesentliches Ziel der 2005 als nationale Umsetzung der europäischen Arbeitsschutzrichtlinie erlassenen und 2015 novellierten Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist es also, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Darüber hinaus dient sie hinsichtlich sogenannter „überwachungsbedürftiger Anlagen“ auch dem Schutz anderer Personen im Gefahrenbereich, die aufgrund des Betriebs dieser Anlagen gefährdet werden könnten. Der Geltungsbereich ist dabei durchaus universell: Vom Hammer bis zur verfahrenstechnischen Anlage, alles, was ein Arbeitnehmer bei seiner Arbeit benutzt, muss entsprechend der Richtlinie organisiert werden.

Carlo Friedrich, ZF
(Bild: fluid)

Die Prüfung mit Tausch der Speicher hat fünf Tage Stillstand verursacht. Mit der neuen Methode haben wir in nur vier Stunden alle 24 Speicher überprüfen können.“

Carlo Friedrich, ZF Friedrichshafen

Verantwortlich für die Sicherheit der Arbeitsmittel ist dabei immer der direkte Arbeitgeber. So müsste bei Außeneinsätzen, etwa von Wartungspersonal, das Wartungsunternehmen die Sicherheit einer vor Ort ausgeliehenen Leiter organisieren, weswegen es in vielen Unternehmen heute Usus ist, dass nichts mehr verliehen wird. Jeder bringt seine Arbeitsmittel selber mit.

Keine Entlastung durch Dritte mehr

Die Betriebssicherheitsverordung übergibt die Verantwortung dabei ganz generell und umfassend an die Arbeitgeber: Ein Arbeitgeber wird nicht mehr durch die Arbeit Dritter entlastet. „Wenn Sie externe Personen beauftragen, wie es nach altem Denken üblich war, dann werden Sie heute juristisch für die Qualität, die Durchführung und Dokumentation dieser Prüfung selbst nicht entlastet“, erklärt Tüv-Mann Gehrz.  „Diese Eigenverantwortung der Arbeitgeber wurde lange gefordert, sie bringt allerdings die Herausforderung mit sich, alles was sich um die Prüfungen der Anlagen, um die Beauftragung externer Unternehmen dreht, im Unternehmen selbst zu organisieren.“

Runde 2,
Eine Videoaufzeichnung der kompletten Expertenrunde können Sie auf www.fluid.de ansehen. (Bild: fluid)

Den Aufwand bestätigt  Carlo Friedrich von ZF Friedrichshafen: „Wenn wir eine neue Maschine kaufen, gibt es neben Lastenheft und Vorabnahme immer auch eine Abnahmeprüfung, bei der die Sicherheitsfunktionen nochmal geprüft und korrekt dokumentiert werden.“ Dabei ist, will man die Verordnung sauber umsetzen, besonders auf den korrekten Sprachgebrauch zu achten: Man „verwendet Arbeitsmittel“. Man setzt „zur Prüfung befähigte Personen“ oder „zugelassene Überwachungsstellen“ ein. Außerdem: Die Betriebssicherheitsverordnung kennt nur noch das Prüfen von Anlagen, nicht von Anlagenteilen. Es nützt also beispielsweise nichts, nur den Druckspeicher zu prüfen, man muss alles abbilden und erhält ein Prüfergebnis für die gesamte Anlage, inklusive Schläuchen, Ausrüstung und Anbauteilen.

„Diese juristisch-organisatorische Vorgehensweise fällt vielen Unternehmen schwer“, weiß Andreas Laubsch von Rauh Hydraulik. „Denn solche Verwaltungsaufgaben sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht die Aufgabe der Techniker gewesen.“ Ralf Gehrz ergänzt: „Wir können bestätigen, dass die organisatorische Umstellung auf diese Verordnung rund 80 Prozent der Prüftätigkeit in dem Kontext einnimmt.“

Ralf Gehrz,
(Bild: fluid)

Der Bußgeldkatalog hat im Wesentlichen organisatorische Auswirkungen auf Unternehmen. Man sollte prüfen, ob man hier im Einklang zur Verordnung steht.“

Ralf Gehrz, TüV Thüringen

Jetzt auch mit Bußgeld versehen

Eine zusätzliche Schärfe erhält die Thematik, da der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog in Kraft ist und, wie man aus Fachkreisen hört, in einigen Bundesländern bereits Bußgelder verhängt wurden. „Der Bußgeldkatalog hat im Wesentlichen organisatorische Auswirkungen auf Unternehmen“, erklärt Ralf Gehrz. „Das heißt, man sollte prüfen, ob man mit seiner betrieblichen Organisation im Einklang zur Verordnung steht.“ Natürlich, bevor es zu einem Bußgeld kommt, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Aber, so der Tüv-Spezialist, man müsse schon gute Gründe haben, warum man diese organisatorischen Abläufe zwischen 2005 und 2019 in seinem Unternehmen nicht umgesetzt haben kann.

Andreas Laubsch,
(Bild: fluid)

Die juristisch-organisatorische Vorgehensweise fällt vielen schwer. Solche Verwaltungsaufgaben sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht die Aufgabe der Techniker gewesen.“

Andreas Laubsch, Rauh Hydraulik

Ein weiterer wichtiger Punkt: Es gibt juristisch keine erlaubte Überschreitung von Prüfterminen mehr. Selbst bei nur einem Tag Verspätung fallen Bußgelder an, wenn die Behörden davon erfahren. Hinzu kommt: Man muss die fristgerecht begonnene Prüfung innerhalb von acht Wochen abschließen. Früher gab es hier eine Karenzzeit von sechs Monaten. Was für Hydraulikanlagen mit Druckspeichern nocht recht einfach ist, kann bei großen Dampfkesseln oder Kraftwerken durchaus eine Herausforderung sein.

Event in Bamberg

Hydraulikfrühstück

Die hier wiedergegebene Expertenrunde fand am 31. Januar 2019 im Rahmen des  9. Bamberger Hydraulik-Frühstücks statt, das die Firma Rauh Hydraulik regelmäßig veranstaltet. Neben der Podiumsdiskussion gab es noch weitere interessante Vorträge.  Insgesamt stand aber im Welcome-Hotel in Bamberg vor allem das Networking im Fokus. Denn neben den Vorträgen im Hauptsaal gab es noch eine Hausmesse im Nebenraum, in der neben bekannten Hydraulik­ausrüstern auch ein paar auf den ersten Blick exotische Firmen zu finden waren.

Erleichterung bei Druckspeichern

Mit der Novelle der Verordnung aus dem Jahr 2015 kamen aber auch Erleichterungen für die Unternehmen zum Tragen. Eine davon ist die Möglichkeit der Ersatzprüfungen. Schön lässt sich das an Druckspeichern demonstrieren: „Wir führen seit über 30 Jahren Druckspeicherprüfungen durch. In der alten Variante heißt das: Maschine anhalten, Druckspeicher ausbauen, Blase raus“, erzählt Andreas Laubsch. „Bei größeren Speichern muss der Tüv mit dazu, gerade bei Hydraulikspeichern sind die wenigsten Speicher nur durch befähigte Personen zu prüfen. All das verursacht Kosten.“ Doch es gibt eine Alternative. Der Tüv Thüringen hat ein patentrechtlich geschütztes Verfahren entwickelt, das auf Ultraschalltechnologie basiert.

Wolfgang Kräußlich, fluid
(Bild: fluid)

Die Betriebssicherheitsverordnung ist stärker im Gespräch, nachdem der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik im vergangenen Jahr einen Bußgeldkatalog herausgegeben hat.“

Wolfgang Kräußlich, fluid

Der Schall wird so in die Behälter eingeleitet, dass die Materialbeschaffenheit abgebildet werden kann. Damit erhält der Prüfer in kurzer Zeit ein umfängliches Prüfergebnis, ohne die Druckflasche ausbauen zu müssen. Dieses Verfahren hat seine Feuerprobe bereits bestanden, wie Carlo Friedrich von ZF Friedrichshafen bestätigt: „Die konventionellen Prüfverfahren waren nicht wirtschaftlich. Deshalb haben wir die Hydraulikspeicher, von denen man sich eigentlich sicher sein kann, dass sie nach zehn Jahren noch in Ordnung sind, oft ausgemustert und durch Neuteile ersetzt. Nun haben wir die Ultraschallprüfung an einer unserer Großpressen mit 24 Hydraulikspeichern à 2,5 l getestet. Normal, wenn wir die Speicher ausgetauscht hätten, wäre eine Stillstandszeit von drei bis fünf Tagen angefallen. Wir hatten uns vorgenommen, pro Tag vier bis fünf Speicher zu prüfen, dafür sollte die Maschine nur kurz angehalten werden. Das Überraschende: Mit der neuen Methode haben wir in nur vier Stunden alle 24 Speicher überprüfen können.“

Und so war das Ergebnis der Expertenrunde: Wenn man es richtig anstellt, überwiegen dank technischer Innovationen die Vorteile der Betriebssicherheitsverordnung deren organisatorische Hürden.

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