Druckluft

24. Jun. 2025 | 08:00 Uhr | von Ragna Sonderleittner

Weltneuheit

Wasser und Schwerkraft als effizienteste Druckluftlösung

Die Bereitstellung von Druckluft zählt zu den größten Energiefressern in der Industrie. Mit dem patentierten Gravity Compressor bringt das schwedische Unternehmen Enairon eine Technologie auf den Markt, die durch Schwerkraft und Wasser eine nahezu verlustfreie Drucklufterzeugung ermöglicht – ganz ohne ölgeschmierte Verdichter.

Der Einsatz von Wasser und Schwerkraft eröffnet eine neue Dimension der Energieeffizienz, Betriebssicherheit und Umweltverträglichkeit.

Der Einsatz von Wasser und Schwerkraft eröffnet eine neue Dimension der Energieeffizienz, Betriebssicherheit und Umweltverträglichkeit. (Bild: Enairon)

Statt rotierender Schrauben oder Kolbenmechanik nutzt das System eine einzige große Spirale, durch die Wasser und Luft gemeinsam abwärts strömen. Dabei verdrängt das Wasser die Luft stufenweise – es entsteht eine isotherme Verdichtung mit hohem Wirkungsgrad. Das Wasser fungiert als Kolben, Dichtung und Kühlmedium zugleich.

In der Praxis bedeutet das: keine Reibungsverluste, kein Materialverschleiß im Kompressionsraum und kein Öl, das gewartet oder aufbereitet werden müsste. Die entscheidende Innovation liegt in der Kombination von langsamer Rotation (<15 U/min), Wassernutzung und spiralförmiger Geometrie, die sich physikalisch optimal zur Drucksteigerung eignet. Die Kompression erfolgt in drei Phasen: Vorverdichtung, Zwischenstufe und Endkompression – alles auf Basis natürlicher Bewegungskräfte.

Einfacher Aufbau

Der Kompressor besteht aus PE-Rohren mit kontinuierlich abnehmendem Innendurchmesser, die in mehreren parallel angeordneten Spiralen in einem Winkel von 45 Grad angeordnet sind. Jeder Endpunkt jeder Spirale ist mit zwei geraden Rohren verbunden, die im Inneren der Spiralen verlaufen. Das eine Rohr sorgt für den Rücklauf des Wassers innerhalb der Spirale und verbindet den Endpunkt mit dem Anfangspunkt derselben Spirale. Das andere gerade Rohr verbindet den Endpunkt der aktuellen Spirale mit dem Anfangspunkt der darauffolgenden Spirale und ermöglicht ausschließlich den Durchfluss von Luft.

Der gesamte rotierende Apparat arbeitet passiv und besitzt nur ein einziges bewegliches Teil.
Der gesamte rotierende Apparat arbeitet passiv und besitzt nur ein einziges bewegliches Teil. (Bild: Enairon)

Während des gesamten Betriebs verbleibt das Wasser in der ihm zugewiesenen Spirale, während sich die Luft nahtlos von einer Spirale zur nächsten bewegt, während sich der Druck stufenweise erhöht und schließlich den Endpunkt der letzten Spirale erreicht, wo die Luft den Enddruck erreicht hat.

Dieses ausgeklügelte System, das durch die Schwerkraft ergänzt wird, sorgt für die Trennung von Luft und Wasser und garantiert einen nahtlosen Fluss und Prozess. Bemerkenswert ist, dass der gesamte rotierende Apparat passiv arbeitet und nur ein einziges bewegliches Teil besitzt. Sobald der Kompressor mit Wasser gefüllt ist, benötigt er keine zusätzliche Wasserzufuhr, sondern nur Luft als Zufluss und gibt nur Luft ab.

Der Komprimier-Prozess beginnt in einem oberen Tank, der Außenluft ansaugt. Der Tank ist zur Hälfte mit Wasser gefüllt, und Luft und Wasser werden abwechselnd in Spiralen geleitet, die am Kompressor herunterlaufen. Während sich die Spiralen drehen, drückt die Schwerkraft das Wasser und die Luft nach unten. Das Volumen der Spirale pro Umdrehung nimmt entlang der Spirale ab. Die Schwerkraft ist bestrebt, das Wasser in einer horizontalen Position zu halten, aber der Luftdruck drückt das Wasser aus dem Gleichgewicht, wodurch stehende Wasserkolben mit Höhenunterschieden entstehen. Bei jeder Spiralumdrehung erzeugen diese Höhenunterschiede einen höheren Druck. Der Verdichtungsprozess wird während des gesamten Prozesses durch das Wasser effizient gekühlt, so dass ein nahezu isothermer Prozess mit hohem Wirkungsgrad erreicht wird.

Die Spiralen enden in einem Bodentank, in dem das Wasser und die komprimierte Luft getrennt werden. Das Wasser wird in den oberen Behälter zurückgeführt, wo es seinen Druck nutzt und diesen in potenzielle Energie umwandelt, die in der Spirale wiederverwendet wird. Die Luft gelangt in den oberen Behälter der nächsten Stufe und in einen neuen Satz von Spiralen zur weiteren Verdichtung. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis der Gesamtdruck erreicht ist. Die Luft kann dann an die Verbraucher geliefert werden.

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(Bild: SV Veranstaltungen)

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Wartungsarm und langlebig

Durch den Verzicht auf verschleißanfällige Komponenten wie Lager, Dichtungen oder Getriebe reduziert sich der Wartungsaufwand drastisch. Enairon gibt eine geplante Lebensdauer von über 30 Jahren an. Im Gegensatz dazu werden klassische Schraubenkompressoren nach etwa zehn Jahren oder 40.000 Betriebsstunden wirtschaftlich unrentabel.

Ein weiterer Vorteil: Der Verdichter startet innerhalb weniger Sekunden und ist dank des geschlossenen Wasserkreislaufs sofort voll leistungsfähig – ohne Anlaufverluste, ohne Warmlaufphase. Die Spirale wird dabei durch das Eigengewicht des Wassers angetrieben, die mechanische Rotation erfolgt langsam und gleichmäßig.

Wirkungsgrad und Energieeinsparung

Die Kombination aus isothermer Verdichtung, minimaler interner Reibung und thermischer Stabilität sorgt für einen außergewöhnlich hohen Gesamtwirkungsgrad. Laut Herstellerangaben erreicht das System bis zu 75 Prozent Energieumwandlungseffizienz, was deutlich über dem Branchenschnitt liegt. Eine Beispielrechnung sähe so aus: Ein herkömmlicher ölfreier Kompressor mit 400 Kilowatt Leistung und 6.000 Betriebsstunden pro Jahr verursacht bei einem Strompreis von 0,15 €/kWh etwa 360.000 Euro Stromkosten jährlich.

Mit der Enairon-Technologie können davon bis zu 130.000 Euro eingespart werden. Über 15 Jahre ergibt das ein Einsparpotenzial von über 1,9 Millionen Euro – ganz ohne Fördermittel.

Technische Leistungsdaten im Überblick

Das aktuelle Modell Gravity Compressor 400 MVSD-7 liefert mit einer Motorleistung von 400 Kilowatt eine Druckluftmenge von 85 Nm³/min bei 7,5 bar. Die spezifische Energieaufnahme liegt bei nur 78,43 W/Nm³ – ein bisher unerreichter Wert für ölfreie Kompression in dieser Leistungsklasse. Vergleichswerte zeigen die Dimension des Fortschritts: Ein moderner ölfreier Schraubenkompressor benötigt für die gleiche Luftmenge rund 120–130 W/Nm³. Das bedeutet eine potenzielle Energieeinsparung von 30–40 Prozent – Jahr für Jahr, Schicht für Schicht.

Druckluftbedarf flexibel steuern

In vielen Industrieprozessen ist die Druckluftlast variabel – sei es durch Tag-/Nachtschichtwechsel, saisonale Produktion oder Automatisierung. Der Enairon-Kompressor lässt sich zwischen 0 und 100 Prozent Luftleistung stufenlos regeln – bei konstant hoher Effizienz. Anders als bei Schraubenkompressoren gibt es keine Effizienzeinbrüche bei Teillast, keine internen Leckagen durch reduzierte Verdichtung und keine zyklische Start Stopp-Belastung.

Volle Öl- und Schadstofffreiheit

Das System arbeitet vollständig ölfrei – nicht nur in der Verdichtung, sondern im gesamten Prozess. Auch die Kühlung erfolgt ausschließlich über Wasser. Dadurch ist die Druckluft frei von Aerosolen, Ölspuren oder Fremdstoffen.  Der Lufteinlass ist mit einem Filter ausgestattet, der sicherstellt, dass keine Partikel oder Verunreinigungen in den Kompressor gelangen.

Die niedrige Kompressionstemperatur verringert zudem die Feuchtebeladung der Luft. Nachgeschaltete Trockner und Filteranlagen können dadurch kleiner dimensioniert werden oder gar entfallen.

Nachhaltigkeitsfaktor: CO₂-Fußabdruck drastisch senken

Der Energiespareffekt wirkt sich auch massiv auf die CO₂-Bilanz aus: Pro Jahr lassen sich rund 476 Tonnen CO₂ vermeiden – bei globalem Strommix sogar über 950 Tonnen. Gleichzeitig reduziert sich der Kühlwasserbedarf im Vergleich zu herkömmlichen wassergekühlten Systemen um über 30 Prozent. Der Enairon-Kompressor ist damit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch die nachhaltigste Lösung im Markt.

Der Energiespareffekt des Schwerkraftkompressors wirkt sich massiv auf die CO₂-Bilanz aus.
Der Energiespareffekt des Schwerkraftkompressors wirkt sich massiv auf die CO₂-Bilanz aus. (Bild: Enairon)

Kundenstimmen und Praxisberichte

Der Papierhersteller Stora Enso aus Schweden setzte bereits 2019 einen Prototyp mit 36 Kilowatt ein. Besonders beeindruckt zeigte sich das Unternehmen von der Fähigkeit, binnen zehn Sekunden von 0 auf 100 Prozent zu fahren. Auch die Energieeinsparung überzeugte – bei konstanter Luftqualität. Und das international tätige Metallpulverunternehmen Höganäs AB plant die Integration eines 400 kW-Modells zur Dekarbonisierung seiner Produktion. Die erwartete Einsparung von über 2 GWh Strom jährlich ist ein zentraler Baustein der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens.

Modularer Aufbau – Herausforderung Platz

Die einzige Einschränkung der Technologie ist der höhere Platzbedarf im Vergleich zu Kompaktanlagen. Die Spiralstruktur erfordert eine vertikale Ausrichtung, die sich jedoch gut für eine Außenaufstellung eignet. Dabei wird wertvoller Innenraum in der Produktion gespart – und gleichzeitig die Wärmeabgabe außerhalb des Produktionsbereichs geführt.

Die einzige Einschränkung der Technologie ist der höhere Platzbedarf im Vergleich zu Kompaktanlagen.
Die einzige Einschränkung der Technologie ist der höhere Platzbedarf im Vergleich zu Kompaktanlagen. (Bild: Enairon)

Enairon Green Air Service Package

Der Enairon Gravity Compressor wird mit einem umfassenden Servicepaket ausgeliefert, das unerwartete Kosten für Reparaturen, Service und Wartung vermeidet. Enthalten im Enairon Green Air Service-Paket sind Service und Wartung: Enairon überwacht kontinuierlich den Status und die Diagnose des Kompressors über VPN und bietet einen jährlichen Service. Service und Wartung sind dabei im Servicepaket enthalten; Ersatzteile sind jedoch nach Ablauf der Garantiezeit nicht mehr vom Paket abgedeckt.

Diese Technik ist ein Quantensprung für Industrie und Umwelt

Mit dem Gravity Compressor bringt Enairon eine Technologie auf den Markt, die das Potenzial hat, die Drucklufterzeugung grundlegend zu verändern. Auf der Hannover Messe hatte das Unternehmen seine Innovation erstmals vorgestellt.

Der Einsatz von Wasser und Schwerkraft anstelle mechanischer Kompression eröffnet eine neue Dimension der Energieeffizienz, Betriebssicherheit und Umweltverträglichkeit. Für Unternehmen, die ihren Energieverbrauch senken, ihre CO₂-Bilanz verbessern und gleichzeitig ihre Betriebskosten reduzieren möchten, ist diese Technologie nicht nur eine Alternative, sondern ein strategischer Vorteil.

Quelle: Enairon AB

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