hydraulischen Presse,

Mit der Technologie „Pressure Controlled Hardening“ (PCH) konnte Schuler auch bei hydraulischen Pressen die Ausbringungsleistung erhöhen. (Bild: Schuler)

Anfang des Jahres 2018 zeigte sich Gerhard Hein, Leiter Wirtschaft und Statistik beim VDW vorsichtig optimistisch: „In den jüngsten Monaten zeichneten sich neue Potenziale für auf den Pressenbau gerichtete Nachfragen ab.“ Diese Einschätzung bestätigte sich in den folgenden Monaten: Von Januar bis September stiegen die Bestellungen bei den deutschen Herstellern von Umformtechnik um zwölf Prozent. Das Inland zog um 20 Prozent an, das Ausland legte acht Prozent zu. „Die Umformtechnik hat sich im Jahresverlauf wieder als Zugpferd positioniert“, kommentiert Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Branchenverbands VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) in Frankfurt am Main. Die Umformung hole aufgrund von Großaufträgen im Pressenbau jetzt auf, so Schäfer weiter. Vor allem im Inland sei der Nachholbedarf bei den Investitionen in Umformtechnik noch nicht abgeschlossen. Die ausländischen Bestellungen entwickeln sich innerhalb der Eurozone und in den Nicht-Euro-Ländern im Gleichschritt.
Auch Helmut Behl, Vertriebsleiter Pressen bei Bosch Rexroth, sieht die Zukunft positiv: „Immer kürzere Modelllebenszyklen in der Automobilindustrie erfordern verstärkte Investitionen in moderne, flexible Umformtechnik. Dabei ist die Nachfrage unabhängig vom Antriebskonzept der Fahrzeuge und wird auch in den nächsten Jahren anhalten.“

China mit Abstand größter Markt

Seit 2016 wird weltweit bei Markterhebungen zwischen spanenden und umformenden Werkzeugmaschinen unterschieden. Das weltweite Produktionsvolumen für Werkzeugmaschinen insgesamt belief sich 2016 auf 67,5 Milliarden Euro. Davon entfielen 47,1 Milliarden Euro auf spanende und 20,5 Milliarden Euro, also etwa 30 Prozent, auf umformende Maschinen.

Im Länder-Ranking der Umformtechnik dominiert China. Das Land steht mit 6,9 Milliarden Euro für ein Drittel der weltweiten Erzeugung (VDW-bereinigt). Ein genauerer Blick zeigt, dass ein hoher Anteil auf sehr einfache mechanische Pressen entfällt. Diese hat der VDW für seine vergleichende Statistik herausgerechnet. Hinter China folgt mit großem Abstand Deutschland mit 2,9 Milliarden Euro und 14,4 Prozent Weltanteil. An dritter Position liegt Italien mit 2,3 Milliarden Euro Produktionsvolumen und 11,4 Prozent Weltmarktanteil.

Auch auf der Käuferseite steht China an erster Stelle, gefolgt von den USA und Deutschland. Das chinesische Volumen beträgt 7,5 Milliarden Euro, der Weltanteil liegt bei beeindruckenden 37 Prozent. Die USA nehmen Umformtechnik für 2,0 Mrd. Euro auf (9,8 Prozent). Der deutsche Markt beläuft sich auf 1,6 Milliarden Euro (7,9 Prozent).

WRC-4X-Ventil,
Durch die integrierte Elektronik mit Multi-Ethernet-Schnittstelle und OPC UA for Drives fügen sich WRC-4X-Ventile auch bei analoger Sollwertvorgabe in vernetzte Umgebungen ein. (Bild: Bosch Rexroth)

Wettbewerbsverzerrungen moniert Professor Manfred Wanzke, geschäftsführender Gesellschafter von Wanzke Umformtechnologie: „Im großen Stil verlagern deutsche Unternehmen die Produktion ins Ausland, vornehmlich nach China.“ Er spricht aus Erfahrung. Ein großer deutscher Automobilzulieferer verlagerte eine bereits geplante Investition in Deutschland in eine neue Fertigung nach China. Aufgrund chinesischer Local-Content-Bestimmungen wurde die Presse von einem chinesischen Hersteller bezogen.

Geschwächt würden deutsche Hersteller zudem durch Subventionen in einigen EU-Ländern, die für Betriebsmittelanschaffungen bis zu 60 Prozent betragen können – und das unabhängig vom Herstellungsort der Betriebsmittel. Die Folge: „Eine Flucht deutscher Unternehmen ins Ausland sowie dramatische Unternehmensverkäufe vornehmlich an chinesische Investoren, die hauptsächlich an deutschem Know-how interessiert sind.“

Auch Hydraulik kann „Servo“

Und Know-how gibt es reichlich. So lösen immer häufiger servomechanische Antriebe rein hydraulische und mechanische Antriebe im Pressenbau ab. Doch servohydraulische Lösungen können gut mit den servomechanischen mithalten, wie Bert Brahmer, Geschäftsführer (CTO) bei Voith Turbo H + L Hydraulic klarstellt: „Unsere servohydraulische Lösung mit drehzahlveränderlicher Servopumpe, Zylinder und hydrostatischem Getriebe ist nicht nur eine frei programmierbare CNC-Achse, sondern genauso effizient wie ein elektromechanischer Antrieb.“ Dafür gibt es die unbestrittenen Vorteile der Hydraulik: Langlebigkeit und Robustheit gegen Überlast.

Innenzahnradpumpe IPVP,
Speziell für drehzahlvariable Antriebe entwickelt: Innenleben der Hochdruck-Innenzahnradpumpe IPVP von Voith. (Bild: Voith)

Ein weiterer Pluspunkt: Die Übersetzung des hydrostatischen Getriebes lässt sich sehr einfach den Anforderungen des Lastzyklus anpassen. „Hohe Geschwindigkeit im Eilgang und hohe Kraft im Lastgang werden mit einem deutlich kleineren Motor und Umrichter realisiert“, so Brahmer. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Hardwarekosten. Und für höchste Regelungsdynamik bleibt „die klassische Hydraulik mit Servoventilen unerreicht“.

Wie bei den zerspanenden Werkzeugmaschinen geht der Trend zur Komplettbearbeitung von Werkstücken. Bernd Schnabel, Business Development Manager bei Parker Hannifin, erklärt: „Für umformende Maschinen bedeutet das zusätzliche Achsen, die einzeln und unabhängig voneinander in Funktion treten.“

Umformanalge,
Mehr als nur Pressen: Wanzke Umformtechnologie liefert mittlerweile komplette Fertigungsprozesse vom Coil bis zur Teileverpackung. (Bild: Wanzke)

Ein weiteres Thema ist die Energierückgewinnung und deren Speicherung. Eine Herausforderung für Antriebstechniker ist dabei die Auswahl der idealen Antriebsart. Diese unterschieden sich deutlich hinsichtlich der Kräfte, Eigenfrequenzen und den zu bewegenden Massen.

Das Beste aus beiden Welten verbindet auch Bosch Rexroth. Nur die Hydraulik biete die notwendige Kraftdichte und Robustheit für viele Anwendungen der Umformtechnik. „Moderne elektronifizierte Hydraulik ergänzt diese Eigenschaften um ein einfaches Engineering, schnelle Inbetriebnahme und Energieeffizienz“, ist Vertriebsleiter Behl überzeugt.

Drehzahlvariable Pumpentriebe, vor allem mit Schwenkwinkelverstellung, reduzieren den Energieverbrauch um bis zu 90 Prozent. „Gleichzeitig ermöglichen sie Verdrängersteuerungen, bei denen Software viele Aufgaben übernimmt, die bislang durch Ventile ausgeführt wurden.“ Das vereinfacht Konstruktion, Montage sowie Inbetriebnahme von hydraulischen Antriebslösungen und steigert die Flexibilität.

Auch Schuler hat alternative Technologien im Programm. Automobilhersteller bestellten heutzutage fast nur noch mechanische Pressenlinien mit Servodirekt-Technologie, denn sie böten die höchste Ausbringungsleistung. Hydraulische Anlagen kommen zum Zug, wenn hohe Kräfte oder längere Haltezeiten gefordert sind. Um den Widerspruch aufzulösen, hat Schuler das „Pressure Controlled Hardening“ (PCH) entwickelt, das die Ausbringungsleistung auch bei hydraulischen Anlagen erhöht.

Pressen können Industrie 4.0

Schuler stellte 2016 sein mittlerweile von der „Allianz Industrie 4.0“ ausgezeichnete Konzept „Smart Press Shop“ vor. Erhältlich sind bereits eine Service-App und der „Smart Assist“. Über die Service-App können Betreiber direkt an ihrer Anlage kompetente Hilfe erhalten. Der Smart Assist unterstützt als elektronischer Assistent beim Produktionsstart auf Transferpressen und erhöht die Ausbringung. Darüber hinaus hat Schuler mit dem Machine Monitoring System ein umfassendes Modell zur Anlagenüberwachung entwickelt. Viele Anlagen sind mittlerweile mit Schnittstellen für eine übergreifende Vernetzung ausgestattet.

Schnittstellen integriert auch Bosch Rexroth, beispielsweise den herstellerübergreifende Standard IO-Link in seine Proportionalregel-Ventile und Druckschalter. Vertriebsleiter Behl: „Das ermöglicht eine Anbindung an übergeordnete Systeme. Unsere digitalen Regelelektroniken unterstützen mit der Multi-Ethernet-Schnittstelle alle gängigen Protokolle.“

Auch Rexroth hilft aus der Ferne: Mit dem Dienstleistungspaket ODiN (Online Diagnostics Network) lassen sich modular aufgebaute Dienstleistungen nutzen, die über die elektronifizierte Hydraulik sämtliche Betriebszustände einer Anlage erfassen. Selbstlernende Software wertet diese Information so aus, dass sie „sehr zuverlässig Verschleiß erkennt, bevor er zu einem Stillstand führt“.

Digitalisiert sind die hydraulischen und elektrohydraulischen Lösungen von Parker Hannifin schon seit Jahren. „Steuerungstechnisch gestaltet sich die Einbindung hydraulischer Antriebssysteme ebenso einfach wie die von elektromechanischen Lösungen“, erklärt Bernd Schnabel. Erweiterte Fehler- und Diagnosefunktionen unterstützen Servicetechniker bei Störungen mit Expertenwissen. „Die Nutzung moderner Steuer- und auch Leistungselektronik erweitert die Einsatzmöglichkeiten der Hydraulik immens und trägt entscheidend zu Energieeinsparungen bei.“

Auch Bert Brahmer von Voith Turbo hält hydraulischer Antriebstechnik für ebenso gut digitalisierbar wie jede andere. „Die Hydraulik bietet alle Möglichkeiten, die Maschinen- beziehungsweise Antriebszustände zu überwachen wie zum Beispiel für vorausschauende Wartung. Spannender ist die Überlegung, wer für das Condition Monitoring bezahlt und wer letztlich die Daten nutzen darf.“

Professor Wanzke erkennt zwar ebenfalls Vorteile in der Digitalisierung, „wenn jedoch die gesamten Prozessketten Glied um Glied kontrolliert werden, macht das die Anfertigung von Teilen Losgröße 1 extrem kostspielig“. Vor allem aber fehle es an Fachkräften, „die die entsprechende Fingerfertigkeit für das Justieren und Feineinstellen von Werkzeug und Maschinenkomponenten haben; die Digitalisierung ersetzt niemals die Neuentwicklung und die uns Menschen gegebenen Visionen.

Thomas Bergs, Geschäftsführer des Aachener Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT, sieht das etwas anders: „Eine vollständige Digitalisierung ist der Eckpfeiler für eine vernetzte Produktion für agile Unternehmen, um die eingesetzten Fertigungstechnologien entlang der Wertschöpfungskette effizient zu nutzen.“ Agilität erlangten die Unternehmen nur, wenn Assistenzsysteme wissensbasierte Entscheidungen anhand von Echtzeitdaten und extrahierten impliziten Prozesswissen ermöglichten. Bergs führt aus: „Assistenzsysteme können ihre vollständige Funktionalität dann erreichen, wenn eine vollständige Digitalisierung von Umformmaschinen in der Blechumformung und -trennung erfolgt.“ do

 

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