Konzepte und Technologien, um den Produktionsprozess um und mit Werkzeugmaschinen energieeffizienter zu gestalten, sind Legion. Doch bis vor kurzem war der Energieverbrauch nur eine Kennzahl von vielen. Energie einzusparen – und den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern – war im Hinblick auf den Klimawandel wünschenswert, häufig auch wirtschaftlich vorteilhaft, aber nicht zwingend notwendig.
Energieeffizienz ist wichtig für das Klima
„Schon während der Klimadebatte führte die Energieeffizienz in der Industrie vielfach ein stiefmütterliches Dasein. Das muss sich nun zeitnah ändern“, findet Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP). „Die dramatisch veränderte politische, wirtschaftliche und ökologische Lage zwingt uns, die Evolution hin zu umweltverträglicher und krisenfester Produktion zu einer Revolution zu machen“, fordert er. Energieeffizienz ist hierbei ein mächtiger Hebel: „Sie vermindert nicht nur den Geldtransfer in problematische Volkswirtschaften. Darin steckt auch die Möglichkeit, Wertschöpfung in Deutschland zu schaffen“, betont Wulfsberg. „Die Frage ist nicht, ob wir es schaffen“, stellt er klar. „Die Frage ist, ob wir es wirklich schaffen wollen. Und diese Frage geht an Unternehmer genauso wie an Politiker.“
Hohe Energiepreise motivieren, Energie zu sparen
„Es gibt immer eine Vielzahl an Motivatoren, aber auch an Hemmnissen, wenn es um die Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen geht“, weiß Lars Petruschke, Oberingenieur der ETA-Fabrik an der TU Darmstadt aus Erfahrung. Energieeffizienz, Ressourceneffizienz und Energieflexibilität in der Produktion sind Schwerpunkte der Forschungsgruppe Energietechnologien und Anwendungen in der Produktion (ETA). „Ein zentraler Punkt ist natürlich immer die Wirtschaftlichkeit. Durch die höheren Energiepreise verschiebt sich hier gerade einiges“, berichtet er. „Allerdings entscheiden Wirtschaftlichkeit und Amortisationszeiten nicht alleine über die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen. Fachliche Kompetenzen oder personelle Kapazitäten sind weitere wichtige Punkte. Teilweise fehlt es auch an Transparenz in Bezug auf Energiebedarfe und -kosten einerseits, sowie den Einsparpotenzialen andererseits“, stellt er immer wieder fest.
Organisatorische, technologische oder systemische Maßnahmen
Die Lösungen für einen effizienteren Umgang mit der Ressource Energie lassen sich in organisatorische, technologische und systemische Maßnahmen gliedern. Organisatorische kommen nicht selten ohne zusätzliche Investitionen aus. Wie das seit Jahren diskutierte Abschalten von Maschinen, wenn sie länger nicht gebraucht werden – etwa über Nacht, am Wochenende oder während der Betriebsferien. Ändern sich die Betriebs- oder die Umgebungstemperatur einer Werkzeugmaschine, kann das zu leichten Verformungen in der Maschine führen. Deshalb bleiben in vielen Unternehmen die Maschinen grundsätzlich an.
„Werkzeugmaschinen nicht abzuschalten, wird häufig mit Qualitätsproblemen bei den gefertigten Teilen begründet, was teilweise der Fall sein mag, tatsächlich aber von Fall zu Fall zu beurteilen wäre. In jedem Fall ist es aber so, dass Werkzeugmaschinen auch in Nichtnutzungszeiten Leistungsaufnahmen haben, die nicht unerheblich sind“, sagt Petruschke.
Abschalten bringt viel
Allein ein Abschalten von Nebenaggregaten wie Hydraulik, Spindelkühlung oder Druckluftversorgung reduziert den Energieverbrauch deutlich. Peripherie und Nebenaggregate machen den Löwenanteil der Grundlast einer Werkzeugmaschine aus, der bei bis zu 80 % des Gesamtenergieverbrauchs liegen kann.
„Mit hohen Energiepreisen bekommt das Thema ‚Abschalten’ wieder eine höhere Relevanz“, denkt auch Hendrik Rentzsch, Abteilungsleiter Werkzeugmaschinentechnik am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz. „Es wird zukünftig sicher verstärkt eine Rolle spielen, Betriebsmodi zu finden, wie man solche Systeme besser und energieeffizienter betreiben kann. Im Sinne von ein- und ausschalten, einem Modus für die Fertigung, einem Nacht-Abschaltemodus oder einem Wartemodus“, erwartet Rentzsch. „In diese Richtung könnte es gehen und vieles ließe sich über eine intelligente Steuerung auch automatisieren“, ist er sicher.
Regelbare Pumpen
Zu den wichtigen technologischen Energieeffizienz-Maßnahmen bei der Hydraulik von Werkzeugmaschinen gehören regelfähige Pumpen, deren Drehzahlen oder Fördermengen sich einstellen lassen. „Einsparungen im zweistelligen Prozent-Bereich sind damit absolut möglich“, betont Rentzsch’ Kollege Robin Kurth. Allerdings offenbart sich die tatsächliche Kostenersparnis nur, wenn im Sinne der Total Cost of Ownership (TCO) neben den Anschaffungskosten auch die Betriebskosten in die Rechnung einfließen. „Was nicht immer passiert und dazu führt, dass sich nach wie vor viele Unternehmen lieber für eine konventionelle Hydraulik entscheiden, als für eine moderne, smarte. Das wird sich bei steigenden Strompreisen jedoch mit Sicherheit ändern – hin zu einem verstärkten Einsatz energieeffizienter, smarter und damit wissensbasiert regelbarer hydraulischer Systeme“, erwartet er.
Systemische Maßnahmen
Systemische Maßnahmen beziehen das Umfeld der Maschine mit ein. Grundidee der ETA-Fabrik ist, Systemgrenzen weiter zu fassen, die Interaktion einer Maschine mit der technischen Gebäudeausrüstung oder mit dem Gebäude insgesamt zu betrachten. Im gleichnamigen, 2018 abgeschlossenen Projekt ‚ETA-Fabrik’ stand eine Referenzprozesskette aus der metallverarbeitenden Industrie im Mittelpunkt. „Im Ergebnis zeigte sich, dass unter Verwendung von effizienten Maschinen und einer Vernetzung sowohl der Prozesse als auch energetisch mit dem Gebäude, im Vergleich zum Ausgangszustand 45 Prozent Energie eingespart werden können“, berichtet Petruschke. Ein Ansatzpunkt für eine solche Vernetzung ist die Kühlung von Maschinen oder Schaltschränken. Die Nutzung der bei der Kühlung durch Kompressoren anfallenden Abwärme oder der Einsatz einer zentralen Kaltwasserversorgung ist keine neue Idee. „Aber es wird noch nicht sehr häufig umgesetzt, dabei gibt es hier einiges an Potenzial zu heben“, betont er.
Zentrale Aggregate
Etwa bei einer Kühlung über eine zentrale Kältekompressionsanlage: Zentrale Aggregate zeichnen sich durch einen höheren Energiewirkungsgrad (EER – Energy Efficiency Ratio) und einen fluidgebundenen Wärmetransport aus. So lässt sich die unvermeidlich anfallende Abwärme beispielsweise im Winterhalbjahr über die Lüftungsanlage zur Hallenheizung nutzen oder generell zur Erzeugung von Prozesswärme. „Eine zentrale Versorgung macht vor allem dort Sinn, wo eine Vielzahl von Maschinen zu kühlen ist“, erklärt Petruschke.
Die Crux bei dieser Art systemischen Maßnahmen sind der höhere Planungsaufwand und die Amortisationszeiten: „Diese liegen in der Regel nicht bei zwei oder drei, sondern mitunter bei acht oder zehn Jahren. Aber der Horizont, mit dem ein Unternehmen beispielsweise einen Neubau plant, ist natürlich ein anderer, als die Nutzung einer Maschine, sodass auch längere Amortisationszeiten herangezogen werden können und sollten“, denkt er.
Digital vernetzt und automatisiert
‚Systemisch’ heißt auch digital vernetzt, automatisiert und vom Ende, sprich von den gefertigten Teilen her denken. „Der Wirkungsgrad von Werkzeugmaschinen an sich ist schon jetzt extrem ausgereizt. Das heißt, wer Energie und andere Ressourcen einsparen will, arbeitet in Richtung Produktivität und Qualität sowie an einer ressourceneffizienten Prozesskette insgesamt“, sagt Rentzsch.
Schlüsselrollen spielen eine hohe Gesamtanlageneffizienz (OEE – Overall Equipment Effectiveness) und möglichst wenig Ausschuss. „Werkzeugmaschinen haben eine relativ feste Grundlast und je mehr Teile ich innerhalb dieser Grundlast über die Maschine schleuse, desto weniger Energie fließt unter dem Strich in jedes Teil“, betont er.
So nützt die Digitalisierung
Digitalisierung und Automatisierung sind wichtige Enabler, um Effizienzpotenziale zu heben. So beschleunigen Automatisierungslösungen wie Palettenhandling-Systeme oder Roboter das Be- und Entladen. Sie ermöglichen zudem hauptzeitparallele Rüstvorgänge und sind Voraussetzung für eine mannlose Fertigung, etwa während der Nachtschicht. Unproduktive Zeiten verringern sich so.
Industrie-4.0-Ansätze wie der digitale Zwilling spielen ihre Stärken vor allem dort aus, wo es um die Regelung und die Überwachung von Prozessen geht. Nicht nur, um Maschinenausfall- und Stillstandszeiten durch vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) zu senken, sondern auch um die Ausschussquote zu reduzieren und so ressourceneffizienter zu produzieren. Nicht selten geht beides Hand in Hand.
Datenpflege ist Pflicht
Voraussetzung sind belastbare Daten. „Wir nutzen – so weit es geht –inhärente Daten und Sensoren, die ohnehin in und an der Maschine vorliegen, wie Antriebsströme oder Werte von Positionsmesssystemen“, berichtet Rentzsch. Manche Sensorwerte, insbesondere von Stellen, an denen sich keine Sensoren integrieren lassen, kann mittlerweile auch der digitale Zwilling liefern – modellbasiert, gespeist aus den vorhandenen Messdaten. Ganz ohne zusätzliche Sensorik geht es jedoch meist trotzdem nicht, insbesondere bei älteren Maschinen. Hier bieten sich Werkzeughalter oder Spannmittel mit intelligenter Messtechnik an. Sie erfassen Schwingungen oder Temperaturen direkt an der Wirkstelle, und das häufig ohne größeren zusätzlichen Installationsaufwand.
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