Anlauf Igor,

Bei der Wahl der Antriebslösung empfiehlt es sich, Schritt für Schritt vorzugehen. (Bild: Igor – stock.adobe.com)

Der optimale Antrieb muss passend zur Anwendung verschiedenen Parametern gerecht werden. Stefan Hänchen, Geschäftsführer und Vertriebsleiter im Unternehmen Herbert Hänchen, führt aus: „Dabei geht es um technische Leistungswerte und konstruktive Möglichkeiten, um Fertigungsqualitäten, Kosten und um die Energiebilanz.“ Im ersten Schritt gelte es, die Technologie ohne Scheuklappen zu wählen, fährt er fort. „Dabei sollte man die Stärken von Hydraulikantrieben ebenso in den Blick nehmen wie die von elektromechanischen Antrieben.“

Vorteile der Hydraulik

„Fluidtechnische Systeme haben in vielen Bereichen entscheidende Vorteile. Nur werden diese oft nicht erkannt“, erklärt Hänchen. Hydraulik ist im Maschinenbau-Studium an den meisten Hochschulen ein Randthema. So fehlt vielen Ingenieurinnen und Ingenieuren Know-how zum Einsatz dieser Technik. Dabei bieten Hydraulik-Antriebe bei hoher Präzision eine große Leistungsdichte durch kleine Bauelemente. Sie können simpel und schnell große Kräfte erzeugen – und das ohne große und schwere Getriebe, da der Zylinder hydrau­lischen Druck direkt in eine lineare Bewegung umwandelt. Das wirkt sich gerade auch bei hohen Beschleunigungen ebenso positiv aus wie die geringe bewegte Masse von Kolben und Kolbenstange.

Das Anfahren aus dem Stillstand unter Volllast, schnelle Umkehr der Bewegungsrichtung und stufenlose Geschwindigkeitsänderung sind aufgrund der kleinen bewegten Masse von Hydraulikzylindern und der entsprechend niederen Masseträgheit kein Problem. Hydrospeicher können zudem jederzeit Leistungsspitzen abdecken, die weit über der Pumpenleistung liegen. Denn hydraulische Energie ist mit geringen Verlusten für lange Zeit puffer- und speicherbar. Dem stehen die Vorteile der elektromechanischen Antriebe entgegen, beispielsweise einfachere Wartung, hohe Effizienz und Wiederholgenauigkeit.

Stefan Hänchen,
(Bild: Hänchen)

„Dabei sollte man die Stärken von Hydraulikantrieben ebenso in den Blick nehmen wie die von elektromechanischen Antrieben.“

Stefan Hänchen, Geschäftsführer und Vertriebsleiter bei Herbert Hänchen

Anforderungsprofil des Antriebs festlegen

Entscheiden sich Konstrukteurinnen oder Konstrukteure für die Hydraulik als Antriebstechnik, können sie gut geeignete Hydraulikzylinder je nach Anwendung aus dem Katalog wählen oder angepasste Varianten entwickeln und produzieren lassen. Dabei gibt es zwei wichtige Punkte zu beachten:

Erstens: Die Anforderungen, die beispielsweise der 24-Stunden-Betrieb in einer Kunststoffspritzmaschine an einen Zylinder stellt, sind viel höher als die Anforderungen an einen Zylinder, der ein schweres Tor alle zwei Wochen öffnet und schließt. So sind beim Zylinderhersteller Hänchen die Standard-Modelle, die sich über den Online-Produktkonfigurator Häko auslegen lassen, für viele Anwendungen geeignet. Aber bei extremen Anforderungen empfiehlt das Unternehmen, speziell angepasste Zylinder zu verwenden. Zu solchen Anforderungen gehören beispielsweise hohe Temperaturen, wie sie in Gießereien auftreten, oder lange Standzeiten wie bei Kunststoffspritzmaschinen – vor allem, wenn es um schnelle Verfahrgeschwindigkeiten geht, die wieder abgedämpft werden müssen. Auch besondere Umgebungsbedingungen, zum Beispiel Seewasser oder hohe Geschwindigkeiten und Oszillationen wie bei Fahrzeugprüfständen erfordern spezielle Komponenten.

Zweitens: Es ist ein Unterschied, ob ein Zylinder einmal oder fünfmal gefertigt wird oder ob über mehrere Jahre hinweg regelmäßige Lieferungen erfolgen. Dieser Unterschied spiegelt sich in den Stückkosten.

Hydraulik einsetzen ohne Know-how

Auch Unternehmen ohne eigene Hydraulik-Fachkompetenz können Hydraulik-Antriebe einsetzen. Einige Anbieter haben dafür so eine Art Rundum-sorglos-Paket im Sortiment. Zum Beispiel gibt es gekapselte lineare Antriebseinheiten, bei denen die gesamte Hydraulik einschließlich Pumpe in einem Gehäuse ohne außenliegende Verrohrung oder Aggregate untergebracht ist. Die Ansteuerung des Zylinders kann direkt ohne Ventile im geschlossenen Kreislauf durch Differentialpumpen erfolgen. Dies sorgt auch für eine gute Energieeffizienz. Die Konstruktionsabteilung beim Anwender muss in einem solchen Fall lediglich die mechanischen Schnittstellen und die Stromversorgung sowie den Anschluss der Steuerung kennen.

Einige Unternehmen bieten über das hydraulische Einzelprodukt hinaus auch die Umsetzung des gesamten hydraulischen Antriebsstranges in Form einer unvollständigen oder vollständigen Maschine an.

Produktkonfiguratoren richtig nutzen

Werden Zylinder einmalig in kleinen Losgrößen benötigt, ist es oft die beste Lösung, einen Produktkonfigurator des Zylinderherstellers zu verwenden und mit Varianten verschiedene Kenngrößen durchzuspielen. Zu den relevanten Kenngrößen gehören unter anderem Abmessungen, Wirkungsart, Betriebsdruck, Dichtungs- und Führungssysteme, Befestigung, Kolbenstangengüte, Anschlussgröße und Sensorik. So werden auch Parameter vermieden, die sich gegenseitig ausschließen. Je nach Anbieter sind die CAD-Daten kurzfristig lieferbar, sofern das Unternehmen eine entsprechend große Zahl an Varianten konstruktionstechnisch vorbereitet hat und diese daher schnell anpassen kann.

Auf einen Blick

Nach der Entscheidung für einen Hydraulik-Antrieb ist die nächste Frage: anwendungsspezifische Zylindervariante oder Kataloglösung? Dabei spielen unter anderem die Anzahl benötigter Zylinder (Preis!) und die technischen Anforderungen in der Anwendung eine Rolle. Produktkonfiguratoren können insbesondere bei kleinen Losgrößen wertvolle Unterstützung leisten. Vor allem bei größeren Stückzahlen kann es sich lohnen, Beratung in Anspruch zu nehmen und Zylinder auf die Anwendung hin optimieren zu lassen. Fehlendes Hydraulik-Know-how beim Anwender muss kein Hindernis für den Einsatz der Technik sein, da es Zylinderhersteller mit entsprechenden Angeboten gibt.

Wann hat eine Beratung Sinn?

Wer eine regelmäßig wiederkehrende Stückzahl benötigt, kann Zylinder aus solchen Produktkonfiguratoren als Basis nehmen und diesen dann auf die Anwendung hin qualitativ sowie ökonomisch optimieren. So lässt sich auch ein Over-Engineering vermeiden, bei dem man beispielsweise immer einen Sicherheitsfaktor von zwei, drei oder sechs verwendet – nur um ganz sicher zu sein. Wenn die Anforderungen präzise definiert sind, lässt sich durchaus festlegen, welche Qualitäts-Features genügen.

Einige Zylinderhersteller beraten und unterstützen durch Engineering. Das kann beispielsweise bei der Klärung folgender Fragen hilfreich sein: Wird ein Highend-Dichtungssystem benötigt oder eine einfache Standard-Dichtung? Ist eine leistungsfähige Standardkonstruktion gefordert oder reicht ein abgespeckter, individueller Zylinder? Solche stückzahl- und anwendungsoptimierten Hydraulikzylinder sind ein Schlüssel für leistungsfähige Lösungen in kostensensitiven Bereichen.

Dies alles zeigt: Es gibt umfangreiche Angebote im Zylinder-Markt, die es Konstrukteurinnen und Konstrukteuren ermöglichen, sich auch ohne eigene Fluidtechnik-Kompetenz die Welt der Hydraulikantriebe zu erschließen. Der Einsatz von Konfiguratoren sollte durch direkte Kommunikation mit dem Zylinderhersteller ergänzt werden, wie Stefan Hänchen betont: „Ein entscheidender Schritt bei der Wahl eines anwendungsoptimierten Standard- oder Sonderzylinders ist für uns das Gespräch mit unseren Kunden.“

 

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