
Der Raupenbagger EC380E mit elektrohydraulischer Steuerung zeichnet sich durch seine hohe Kraftstoffeffizienz aus. (Bild: Volvo)
Seitdem die Energiepreise in die Höhe schnellten, sieht es düster aus für die deutsche Industrie. „Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, Anfang 2022 in der Tagesschau. Ob die Rekuperation von Energie die Lage in den Betrieben verbessern kann, beschäftigt Hydrauliker ebenso wie Maschinenbauer und Forschungseinrichtungen.
„Die Rekuperation potenzieller Energie ist ein großes Thema“, sagt Dierk Peitsmeyer, Produktportfolio-Manager bei Bucher Hydraulics, „bei einem Ausleger oder Gabelstapler oder einer Industriepresse sind viele Tonnen Stahl in Bewegung. Die Abwärtsbewegung birgt ein hohes Energiepotenzial, das man nutzen kann. Geeignete Industrieanwendung wären zum Beispiel Umformpressen.“
Regeneration oder Rekuperation?
Bei Linde Hydraulics beschäftigt man sich schon länger mit dem Thema Energierückgewinnung: „Oberwägen von mobilen Arbeitsmaschinen drehen, beschleunigen und bremsen ab. Wir nutzen die Bewegungsenergie, die während der Verzögerung vor dem Richtungswechsel der Drehbewegung eines Oberwagens entsteht, für andere Verbraucher“, sagt Henning Lobb-Rabe, Director Productmanagement bei Linde Hydraulics.
Professor Geimer unterscheidet zwei Arten der Energierückgewinnung: „In jedem der beiden Fälle wird hydraulische Energie in einem System rückgewonnen und erneut genutzt. Die Pumpe wird zum Motor und treibt weitere Verbraucher an. Nutzt man die rückgespeiste Energie sofort und gibt sie ohne Zwischenspeicherung an einen anderen Verbraucher weiter, spricht man von Regeneration. Wird die Energie aufgenommen, zwischengespeichert und später genutzt, spricht man von Rekuperation.“
Bei der Rekuperation muss also immer ein Energiespeicher vorhanden sein. Der wiederum bildet ein zusätzliches Glied in der Kette und bedeutet eine Verschlechterung des Wirkungsgrades. „Bei jeder Energiewandlung vom Zylinder bis zum Energiespeicher und auf dem Weg zurück entstehen Verluste, das verschlechtert den Wirkungsgrad so stark, dass der ganze Aufwand sich oftmals nicht lohnt. Allein die Anschaffung zusätzlicher Geräte, Pumpe, E-Motor, Umrichter und die regeltechnischen Einrichtungen sind insbesondere bei kleiner Leistung zu teuer“, meint Peitsmeyer.
Er berichtet von Entwicklungsvorhaben, die gescheitert seien, weil die Verluste zu hoch waren und zu wenig Energie rekuperiert wurde. „Als Zwischenspeicher eine Batterie zu nutzen, ist sehr teuer und bisher kommerziell nicht nutzbar“, bestätigt Lobb-Rabe.


„Der Anteil des Kraftstoffes, den man durch Rekuperation einsparen kann, ist in Euro gemessen oft nicht sehr hoch.“
Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer, Institutsleitung des Institutsteils Mobile Arbeitsmaschinen am KIT
Rückgewinnung ohne Zwischenspeicherung
Bagger und Gabelstapler sind typische Beispiele für die direkte Nutzung von Verlustenergie ohne Zwischenspeicherung: „Der Bagger belädt die Baggerschaufel, hebt sie an, dreht den Oberwagen zum Lkw, bremst ihn ab, entlädt den Inhalt der Schaufel in den Lkw, senkt die Schaufel. Der Verbrennungsmotor ist der Hauptantrieb und die Arbeitshydraulik kann durch den Wechsel von Pumpe zu Motor die Bremsenergie sofort für die parallel laufenden Verbraucher wie die Bewegung der Baggerschaufel nutzen, ohne dass eine zusätzliche Komponente wie ein Speicher nötig wäre. Die Regeneration findet hier ohne zusätzlichen Aufwand statt.
Ähnlich beim Gabelstapler: Während des Abbremsens der Fahrtbewegung vor dem Regal, kann die Bremsenergie für das Anheben der Ladung verwendet werden. Die Regeneration ist hier Stand der Technik“, erläutert Prof. Marcus Geimer, Institutsleitung des Institutsteils Mobile Arbeitsmaschinen am KIT.
Gedanken zu Wirkungsgrad und ROI
Will man den Betrachtungsrahmen ein wenig weiterziehen, stellt sich schnell die Frage, ob allein die Kosten von Komponenten und Kraftstoff in die Waagschale gehören: „Hydraulik hat einen Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent, beim Verbrennungsmotor gehen zwei Drittel der Energie im Betrieb verloren. Im Vergleich dazu ist der Elektromotor mit Batterie effizienter und der Gesamtwirkungsgrad des Systems kann von 20 Prozent auf 50 Prozent erhöht werden. Allerdings muss elektrische Energie ebenso wie flüssiger Kraftstoff erst einmal erzeugt werden und da ist eine Raffinerie wesentlich effizienter.
Die Bilanzgrenze ist eben auch entscheidend“, so Prof. Geimer. Bei der wirtschaftlichen Betrachtung im Unternehmen werden Anschaffungskosten und Einsparpotenzial gegeneinander abgewogen. „Das Problem ist, dass der Anteil des Kraftstoffes, den man durch Rekuperation einsparen kann, in Euro gemessen häufig nicht sehr hoch ist. Ob eine Investition in Technik zur Rekuperation sich schnell oder erst in zehn Jahren rechnet, ist daher eine wichtige Frage“, gibt der Institutsleiter zu bedenken.
Umschlagmaschinen für Schrott oder Schüttgut in Häfen oder Halden wären so eine Anwendung. Hier rechnet sich der etwas teurere Anschaffungspreis. „Bagger, wie wir sie von Baustellen kennen, stehen bei uns nicht im Fokus“, meint Lobb-Rabe. Denn deren Drehradius ist zu klein, um nennenswert Energie aus dem Abbremsen ziehen zu können. „Wir sprechen von großen Umschlagmaschinen, die für die Drehbewegung einen eigenen geschlossenen Kreis haben. Da lässt sich mehr Energie rausholen. Die Anschaffung eines regenerativen Systems in der Linde-Qualität macht dann Sinn, wenn die Applikation viele Stunden im Jahr fährt“, so Lobb-Rabe.

Linde Hydraulics nutzt allerdings weniger die Auf- und Abwärtsbewegung einer Schaufel, sondern die Drehbewegung des Oberwagens: „In unserem geschlossenen Kreis treibt ein Diesel-Motor die Pumpe an, diese bewegt über einen Hydraulikmotor den Oberwagen. Bremst der Bediener, geht der Motor in den Pumpenmodus und die Pumpe in den Motorbetrieb und überträgt die Energie in einen zweiten Kreis zur Ausübung anderer Funktionen wie etwa die Bewegung von Stiel oder Schaufel. Die Energieeinsparung kann bis zu 20 Prozent betragen. Das ist Stand der Technik und nichts Neues“, sagt Lobb-Rabe.
Wesentlich anspruchsvoller sei dabei die bedienergerechte Steuerung der Drehbewegung – bei Linde Hydraulics geschieht das über die sogenannte Torque Control. „Der Bediener fährt mit der Bewegung mit. Das System muss die Handeingabe des Bedieners so umsetzen, dass Beschleunigung und Abbremsen genau dem entsprechen, was der Bediener sich wünscht. Es muss sich für ihn angenehm und gleichmäßig anfühlen“, so Lobb-Rabe.
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Volvo: Hybrid-Hydraulik
Der Volvo Bagger EC380E ist das zurzeit größte Modell aus der Volvo-Großbagger-Familie, das mit einer hydraulischen Hybridtechnologie ausgestattet ist. Im Gegensatz zu anderen Hybridsystemen im Baumaschinensegment, wird in diesem Fall nicht von Rekuperation gesprochen, so Produktmanager Udo Pfeiffer: „Hybridsysteme mit elektrischer Rekuperation bedeuten auch höhere Entwicklungskosten und in bestimmten Anwendungen eine schlechtere Effizienz.
Sicher vor Elektronikfehlern
Bei Volvo CE sprechen wir von einem Assistenzsystem“, so Pfeiffer, Produktmanager Großbagger Volvo Construction Equipment. Volvo verzichtet bei diesem Hydraulik-Hybrid-System gänzlich auf Elektronik. „Damit sind wir sicher vor Elektronik-Fehlern und bei Ausfall unseres Systems kann der Bagger weiter ohne Leistungseinbußen betrieben werden“, so Pfeiffer. Der Bagger nutzt die Absenkbewegung des Auslegers (Hydrauliköl beider Auslegerzylinder) zum Laden eines Akkumulators der mit Stickstoff auf 120 bar mit einem Volumen von 32 Liter (EC380E) beaufschlagt wird.
Mit der gespeicherten hydraulischen Energie wird dann der Hilfsmotor, der auf der Hauptpumpe angeflanscht ist, angetrieben. Der Hilfsmotor unterstützt die Pumpe und damit wird vom Dieselmotor weniger Leistung und Drehmoment abverlangt, was zu einer um bis zu 17 Prozent besseren Kraftstoff-Effizienz (Liter/Tonne) und einem bis zu 15 Prozent geringerem Kraftstoffverbrauch (Liter/Stunde) führt.

„Bei entsprechender Anwendung wie im Steinbruch oder einer Abbruchhalde, wo große Mengen an Material verladen oder umgeschlagen werden, macht unsere Hybridtechnologie Sinn“, sagt Pfeiffer. Ein Return-on-Invest ist in diesen Fällen innerhalb von zwei- bis zweieinhalb Jahren möglich – „berechnet auf Grundlage des damaligen Dieselpreises von 1,25 Euro“, so Pfeiffer. Der stickstoffgekühlte Speicher des 40-Tonnen-Baggers wird auf 120 bar vorgespannt, von dort geht es zur Hauptpumpe, darauf angeflanscht ein Motor. Zwischen Zylinder und Pumpe sitzt der Speicher und ein Hauptventil, so bleibt die Belastung von Motor und Pumpe gering.
In der Industrie sind neben der Hydraulik immer auch Elektromotoren vorhanden. Die elektrisch-hydraulische Rekuperation kann auf vorhandene Komponenten zurückgreifen.
Auch in mobilen Anwendungen wird zunehmend elektrifiziert. „Zehn-Tonner und kleiner werden in Zukunft vollelektrisch sein“, vermutet Pfeiffer. Prof. Geimer berichtet von Wacker Neusen, der bereits sein gesamtes Fahrzeug-Portfolio elektrifiziert hat: „Eine elektrische Batterie wird in vielen Rekuperationsvorhaben als Zwischenspeicher genutzt, da damit die Arbeitszeit elektrischer Maschinen verlängert werden kann.“


„Die Rekuperation von Energie ist ein großes Thema!“
Dierk Peitsmeyer, Produktportfolio-Manager bei Bucher Hydraulics
Energieeinsparungen zwischen 70 bis 90 Prozent
Rekuperative Systeme wie das von Bucher Hydraulics nutzen sowohl Batterie als auch Hydraulikspeicher. Peitsmeyer dazu: “Die Lösung sind elektrohydraulische Systeme wie unsere Helax. Das System ist teuer in der Anschaffung, aber bringt für die einzelnen Funktionen Energieeinsparungen zwischen 70 bis 90 Prozent – real. Wir haben es an einem Bagger ausprobiert und für verschiedene andere Anwendungen anhand derer Lastprofile simuliert. Der Unterschied zu den ventilgesteuerten Systemen ist, dass wir die potenzielle Leistung hydraulisch und elektrisch nutzen. Was nicht hydraulisch genutzt wird, kommt in den elektrischen Zwischenkreis, denn ein zu hoher Druck im Hydraulikspeicher kann auch kontraproduktiv wirken – der Bagger hat zum Graben weniger Kraft.“

Die Energieeinsparung des Systems sei so hoch, da eine Verdrängersteuerung und eine drehzahlvariable Pumpe mit einem Wirkungsgrad von 96 Prozent eingesetzt würde. Die Verdrängersteuerung arbeitet ohne Drosselventile, sie steuert die Pumpe direkt an. „Unsere AX bleibt auch bei sehr niedrigen Drehzahlen (unter 1 U/min) präzise, geräusch- und vibrationsarm“, so Peitsmeyer. Bucher Hydraulics rekuperieren innerhalb des elektrohydraulischen-Systems 50 bis 60 Prozent rein hydraulisch. „Damit entlasten wir den elektrischen Teil. Die elektrischen Verluste sind reduziert und die Batterie wird weniger belastet. Da keine Wärme entsteht, wie es bei normalen Ventilsteuerungen der Fall ist, muss auch keine Kühlleistung mehr aufgebracht werden“, berichtet Peitsmeyer.
Auch Umformpressen können im geschlossenen Hydraulikkreis betrieben werden. In solchen Pressen kann der Oberstößel gut 50 Tonnen wiegen. „Eine Presse, ausgestattet mit dem Helax-System, kann Energieeinsparungen in Höhe von 80 Prozent erreichen“, so Peitsmeyer. Große Maschinen, die keinen elektrischen Kreis haben, müssen auf andere Weise Energie sparen. „Aber auch da gibt es für alternative Kraftstoffe und Verbesserungen noch Potenzial. Die Politik muss nur wollen“, so Pfeiffer. Doch für Rekuperation, alternative Kraftstoffe oder Elektrifizierung fehlt vielfach der Kostendruck: „Finanzielle Hilfestellungen für die Anschaffung rekuperativer Systeme seitens der Politik gibt es leider nicht, daher muss man rein kommerziell rechnen und in vielen Applikationen ist der Sprit, salopp gesagt, noch zu billig“, meint Peitsmeyer.
Am KIT haben die Forscher in einer Untersuchung berechnet, dass 50 Prozent der Kosten auf den Kraftstoff entfallen, 50 Prozent auf das Fahrzeug inklusive Abschreibung Wartung, Service. „Und mehr als beides zusammen kostet der Fahrer“, rechnet Prof. Geimer vor.