Herr Lengnowski, Sie sind bei Parker Hannifin Division Market Manager für Zylinder, Akkumulatoren und Kühleinheiten. Was sind Ihrer Meinung nach die Herausforderungen im Bereich Mining oder Erdbewegung und im Bereich Tiefbau – was die Elektrifizierung und die Einsatz-Umgebung angeht?
Andreas Lengnowski: "Die Bereiche Mining, Erdbewegung und Tiefbau stehen vor erheblichen Herausforderungen. Eine zentrale Problematik ist die Elektrifizierung von Maschinen und Anlagen. Traditionell sind Ingenieure in Mechanik, Hydraulik und Elektronik gut ausgebildet, aber mit dem verstärkten Aufkommen autonomer Maschinen und Vernetzung von Geräten sehen sie sich nun auch mit Elektromobilität und Hochvolt-Technologien konfrontiert. Zudem müssen sie neue Lösungen für die Bereitstellung von Energie finden, sei es über Batterien oder Wasserstoff, um die Arbeitszeiten der Maschinen abzudecken."
Auf der vergangenen Bauma-Messe stand das Thema Elektrifizierung und Wasserstoff im Vordergrund. Wie gehen Ingenieure mit dieser Entwicklung um?
Lengnowski: "Richtig, auf der Bauma-Messe war die Elektrifizierung und Wasserstoff-Technologie ein Kernthema. Ingenieure müssen nun Technologien für Hochvolt-Systeme aus der Automobilindustrie oder Starkstrom- und Hochvolt-Technologien aus dem Industriebereich adaptieren. In einigen Tagebaubetrieben werden bereits Elektro-Bagger eingesetzt, die über Kabel mit Strom versorgt werden. Da geht es natürlich um die Länge des Kabels und was da noch praktikabel ist. Deshalb gibt es auch den Trend zu Batterietechnologien und Wasserstoff, um größere Entfernungen zu überbrücken."
Welche Herausforderungen ergeben sich dabei im Hinblick auf die Umgebung und die Infrastruktur?
Lengnowski: "Die Umgebung und die Infrastruktur spielen eine entscheidende Rolle. In Tagebau-Betrieben mit nahegelegenen Kraftwerken ist es relativ einfach, Energie aus dem Netz abzuzweigen. Doch in entlegeneren Minen ohne direkten Zugang zu Energiequellen gestaltet sich das schon schwieriger. Dabei kommt es aber auch wieder darauf an, wie mobil die Maschine sein muss. Es müssen jeweils individuelle Lösungen gefunden werden, um die Energieversorgung sicherzustellen, sei es durch stationäre Supercharger, Wasserstoff-Generatoren oder Hybrid-Systeme mit effizienten Diesel-Generatoren."
Sie haben damit bereits einige technologische Ansätze genannt. Könnten Sie uns bitte genauer erklären, wie die Elektrifizierung technisch vonstatten gehen kann?
Lengnowski: "Bei der Elektrifizierung gibt es verschiedene Ansätze wie Lithium-Ionen-Batterien, Wasserstoff-Brennstoffzellen und Hybrid-Systeme. Batterien bieten hohe Energiedichte, sind jedoch in Bezug auf Größe und Gewicht noch eine Herausforderung. Wasserstoff kann hohe Energiedichte erreichen, erfordert jedoch spezielle Kühl- und Betriebssysteme für die Brennstoffzellen. Hybrid-Systeme nutzen Diesel-Generatoren in Verbindung mit Elektromotoren. Die Wahl der richtigen Technologie hängt von der Anwendung, der Verfügbarkeit von Energieressourcen und der Wirtschaftlichkeit ab."
Welche weiteren Herausforderungen treten bei der Implementierung dieser Technologien auf – abgesehen von der Infrastruktur?
Lengnowski: "Eine zentrale Herausforderung ist die Energiedichte der verwendeten Energieträger. Dies beeinflusst direkt die Größe, das Gewicht und die Effizienz der Systeme. Lithium-Ionen-Batterien haben im Vergleich zu flüssigem Diesel eine geringere Energiedichte. Sie können achteinhalb bis neuneinhalb Kilowattstunden in einem Liter Diesel speichern. In dem gleichen Raum, also in einem Liter, liefert eine Lithium-Ionen-Batterie im besten Fall 0,4 bis 0,45 Kilowattstunden Energie.
Auf der Bauma hat eine namhafte Firma präsentiert, dass einer ihrer Bagger pro Stunde circa neun Liter Diesel in einer Stunde Arbeit verbraucht. Das ist realistisch. Das wären dann zwischen 70 und 80 Liter in einer Schicht von acht Stunden, wenn der Bagger kontinuierlich durcharbeiten würde.
Wenn ich das Gleiche mit Batterien ersetzen möchte, dann brauche ich dafür 1,6 Kubikmeter Raum. Dann kommt das Gewicht dazu. Und dann kommt noch dazu, dass ich ja im Prinzip nur 80 Prozent entnehmen kann. Ich müsste deshalb die Batterien entsprechend größer ausführen. Zusätzlich brauche ich bei den Batterien eine Kühlung, eventuell eine Heizung und Equipment, das das Batterie-Managementsystem übernimmt. Beim Diesel brauche ich nur einen Metalltank mit einem Lüfter und einem Einfüllschutz."
Wie kommt denn diese Energiemenge jeden Tag auf‘s Neue in die Batterie – zumal an einem abgelegenen Ort?
Lengnowski: "Da gibt es einige Konzepte. Ein Beispiel wäre ein Supercharger auf der Baustelle. Das ist ein Container, der mit Batterien voll gestapelt ist und die Möglichkeit bietet, die Fahrzeuge an diesem großen Container zu laden. Die andere Option ist Power to Power. Das heißt, Sie hätten zum Beispiel einen Wasserstoffcontainer da stehen, und eine Brennstoffzelle produziert dann wiederum Strom, um die Geräte zu laden.
Allerdings: Wasserstoff Brennstoffzellen benötigen aufwendige Kühlungssysteme – da reden wir über Thermal Management. Dabei ist die Membrane und der Ionentransfer der kritische Punkt. So eine Kühlung ist weitaus komplexer als eine Standard Kühlung eines Dieselmotors, wo auch schon mal zehn, 20, vielleicht auch 30 Grad Temperaturunterschiede nicht dazu führen müssen, dass das System abgeschaltet werden muss. Zudem muss die Energie für die Kühlung ja auch wieder irgendwoher kommen – das verschlechtert den Gesamtwirkungsgrad."
Was bedeuten diese vielfältigen Lösungsansätze für Ingenieure?
Lengnowski: "Ingenieure sind gefordert, innovative Lösungen zu finden, um die besten technologischen Ansätze zu identifizieren und umzusetzen. Sie müssen Energieeffizienz, Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen. Das ist in der aktuellen Lage sehr schwierig, weil viele Konzepte eben noch Entwicklungsarbeit brauchen. Der Gesetzgeber kann hierbei eine Rolle spielen, um Anreize für die Entwicklung und den Einsatz umweltfreundlicher Technologien zu schaffen."
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Wer treibt eigentlich den Markt für alternative Antriebssysteme und CO2-neutrale Energiequellen in Industrie oder Bergbau?
Lengnowski: "Das ist eine interessante Frage. Normalerweise wird der Markt von der Ökonomie getrieben. Doch in jüngster Zeit sehen wir verstärkt Einflüsse durch Gesetzgeber und internationale Abkommen wie das Pariser Abkommen. Regierungen, die ambitionierte Ziele für die CO2-Neutralität ihrer Städte und Industrien setzen, spielen eine entscheidende Rolle in der Gestaltung der Märkte.
Deutschland beispielsweise erarbeitet eine Strategie, um die Ziele für 2030 und 2045 zu erreichen. Städte setzen sich CO2-neutrale Ziele für 2030 und planen, emissionsfreie Fahrzeuge in ihren Zentren zu haben. Das sind natürlich große Herausforderungen, insbesondere für Branchen wie die Bauindustrie."
Welche Herausforderungen für die Industrie sind das konkret?
Lengnowski: "Besonders die Bauindustrie steht vor einer Herausforderung. Die Anpassung von Baumaschinen und Ausrüstungen an CO2-neutrale Standards erfordert intensive Überlegungen. Die Technologie muss weiterentwickelt werden, um die Emissionen zu reduzieren. Bei Baumaschinen beispielsweise müssen wir uns fragen, wie wir Kräne, Bagger und andere Geräte CO2-neutral gestalten können. Das ist eine komplexe Aufgabe. Aber Unternehmen arbeiten bereits an Konzepten, um schrittweise zu solchen Zielen zu gelangen. Wir sehen das als eine Art Staffellauf, bei dem wir von Generation zu Generation fortschreiten. Dabei spielen Technologieentwicklung und Energiedichte eine wichtige Rolle."
Welche Ansätze für alternative Antriebssysteme gibt es denn außerdem aktuell?
Lengnowski: "Gegenwärtig nutzen wir vor allem Lithium-Ionen-Batterien als etablierte Technologie. Diese Batterien werden aus standardisierten Zellen hergestellt und in Geräten wie Bergbau- und Baumaschinen eingesetzt. Doch hier stehen wir vor der Aufgabe, die Energiedichte zu erhöhen, um längere Betriebszeiten zu gewährleisten."
Und wie sieht es mit Wasserstoff und anderen alternativen Brennstoffen aus?
Lengnowski: "Wasserstoff ist definitiv ein vielversprechender Ansatz, ebenso wie Methanol. Methanol kann aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden und in Brennstoffzellen oder Motoren als alternativer Kraftstoff genutzt werden. Die Wahl hängt von verschiedenen Faktoren ab wie der Energiedichte, der Praktikabilität und den Kosten."
Gibt es Branchen, die ähnliche Herausforderungen bewältigen müssen?
Lengnowski: "Zum Beispiel steht die Schiffbauindustrie vor ähnlichen Herausforderungen. Die Anforderungen an CO2-Neutralität und Emissionsreduktion betreffen auch sie. Hier werden alternative Treibstoffe wie Methanol und Ammoniak diskutiert."
Wie gehen Unternehmen wie Parker mit diesen komplexen Anforderungen um?
Lengnowski: "Wir vernetzen unsere internen Experten aus verschiedenen Bereichen und bringen ihre Erfahrungen zusammen. Unsere Ingenieure arbeiten mit den Kollegen zusammen, die bereits seit Jahren mit alternativen Brennstoffen arbeiten. Wir entwickeln innovative Konzepte und nutzen die vielfältige Expertise innerhalb des Unternehmens."
Gibt es bereits praktische Umsetzungen dieser Konzepte?
Lengnowski: "Ja, durchaus. Es gibt bereits Unternehmen, die alternative Treibstoffe in Baustellen liefern, um den Übergang zu erleichtern. Andere entwickeln Batteriewechselsysteme für Maschinen, um die Betriebsunterbrechungen zu minimieren. Die Elektrifizierung bietet auch Vorteile wie eine geringere Notwendigkeit für Belüftung in Minen, was besonders bei autonomen Maschinen wichtig ist."
Wie sehen Sie die Zukunft der Energieversorgung in der Industrie und im Bergbau?
Lengnowski: "Ich bin überzeugt, dass Unternehmen wie Parker einen bedeutenden Beitrag leisten können. Die Technologie entwickelt sich kontinuierlich weiter, und Unternehmen setzen sich zunehmend für nachhaltige Lösungen ein. Die Frage ist nicht, ob dies geschieht, sondern wann. Wir bei Parker haben uns das Motto ‚A Better Tomorrow‘ gegeben. Das ist keine leere Floskel, sondern ein gelebter Anspruch. Viele Ingenieure teilen diese Vision und arbeiten mit Leidenschaft an einer nachhaltigen Zukunft."