Nicht nur Großgeräte wie Kräne und Bagger sind aus gutem Grund mit Hydraulik ausgestattet. Solche hydromechanische Technik wird auch bei erheblich kleiner dimensioniertem, medizinischem Mobiliar eingesetzt. So werden per Kompakthubhydraulik Patienten gebettet, umgelagert und transportiert, und sogar die minimalinvasive Chirurgie setzt zunehmend auf Hydraulik statt auf Muskelkraft.
In ärztlichen Praxen, Untersuchungsräumen und Operationssälen ist sowohl unverwüstliches wie angenehm einsetzbares Gerät gefragt. Von Behandlungs-, Untersuchungs- und Therapieliegen wird erwartet, dass sie mühelos und unkompliziert ihren Zweck über viele Jahre ohne Folgekosten erfüllen.
Außerdem sollen sie das medizinische Personal entlasten und den Patienten schonen. Hydraulik erfüllt hier die Anforderungen an zuverlässige Funktionalität, Stabilität und Wartungsfreiheit und bietet wirtschaftliche Lösungen.
Technik im Detail
Der Trick mit der Drehwellenhydraulik
Pumpe, Tank, Druckrohr und Kolbenstange in einem Gerät – so werden mittels hermetisch geschlossener Kompakteinheiten hydraulische Antriebe in Hubgeräten integriert. Ein Programm dieser Art bietet zum Beispiel das Unternehmen Lupold an. Die Palette reicht dabei von ultrakompakten Modellen mit Gasfeder-Baumaßen bis zu besonders starken Exemplaren, die 12 Kilonewton Hublast bewältigen können. Alle Varianten sind einbaufertige und manuell bedienbare Aktuatoren. Ein Beispiel dafür sind die manuell-hydraulische Aktoren der L030-Produktfamilie. Die Aktuatoren der Baureihe sind auf die weltweit gängigen Einbau- und Anschlussmaße abgestimmt. Mit der Grundkonstruktion sind beispielsweise bis über 14 Kilonewton Schubkraft und eine Hubhöhe von 80 bis 400 Millimeter realisierbar.
Doppelmotoriger Fahrantrieb und integrierte Sensorsteuerung
Handfest geht das von Trumpf Medizintechnik, mittlerweile zur Hillrom-Gruppe gehörend, entwickelte Power Shuttle rund um den Operationssaal zu Werke. Das ist auch nötig: Wegen des tendenziell höheren Gewichts der Patienten stößt das Personal im Krankenhaus sonst nicht selten an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Das selbstfahrende Shuttle sollte Abhilfe schaffen. Zum Zuge kommt dabei eine speziell für das Shuttle ausgelegte Drehwellen-Kompakthubhydraulik L027V1 von Andreas Lupold Hydrotechnik. Die Hubhydraulik ist für die Höhenverstellung der Liegefläche zuständig. Auf diese Art können Patienten, die bis zu 360 Kilogramm auf die Waage bringen, komplett mit dem OP-Tisch-Oberteil vom Fahrgestell an eine OP-Grundsäule übergeben werden.
Die L027V1 ist eine Einheit aus Pumpe, Tank und Zylinder, die mit dem Fuß betätigt wird. Das Hydraulik-System begnügt sich mit einem Längen-Einbaumaß von 305 Millimeter, hat einen Hub von 210 Millimeter und eine Hubkraft von 5,5 Kilonewton bei geprüfter vierfacher statischer Sicherheit. Eine automatische Senksperre verhindert das Absenken des Tisches. Dabei ist die Sperre an die Einstellung der Liegeflächen-Neigung gekoppelt.
Feinfühligere Bedienung
Auch das Unternehmen AGA Sanitätsartikel setzt bei der MRT-Patiententransportliege auf Hydraulik: Dabei geht es um die Höhenverstellung per Fußpumpe. Diese Pumpe ist gekoppelt mit verstellbaren Seitengittern und Laufrollen sowie mit einer stufenlosen Kopfteilverstellung per Klemmstangen. Die MRT-Liege ist für verschiedene Magnetresonanz-Systeme freigegeben, heißt es in einem Vorabbericht der Düsseldorfer Medica 2015. Das gilt für die Hersteller Philips, Siemens und GE.
Fließgeräusche eliminiert
Dass die Anwender selbst in sensiblen Bereichen wie Arztpraxen auf Öl statt Strom setzen, hat verschiedene Gründe. „Hydraulik ist hoch belastbar“, erklärt das Unternehmen Özpinar Therapiegeräte, das auf Patientenliegen spezialisiert ist. Angenehmes und schmerzfreies Arbeiten sei für Physiotherapeuten und Masseure durch die Höhenverstellung mit einem hydraulischen Antrieb möglich. Damit sind die Vorzüge der Hydraulik aber noch nicht ausgereizt.
Der Antrieb arbeitet heute beinahe lautlos. Das war nicht immer so. Bei der letzten Weiterentwicklung des Produktes ging es einerseits um den Hub, der noch stark lastabhängig reagierte. Andererseits rauschte das Öl hörbar. Montage- und Antriebstechniker des Lieferanten Roemheld Friedrichshütte Laubach wurden aktiv. Sie glätteten Kolben und Pumpe des Hydraulikantriebs und passten das Stromregelungsventil so an, dass die Hubbewegung gleichmäßiger ablief und die störenden Fließgeräusche des Öls verstummten. Jetzt ist beim Andocken allenfalls noch ein kleiner Schlag zu spüren, bevor das gleichmäßige Strömen einsetzt.
Der Liegen-Hersteller verwendet einen Hydraulik-Antrieb mit 200 oder 250 Millimeter Hub, der aus einem Öldruckkolben besteht, der in einem wartungsfreien, nichtrostenden Aluminium-Gehäuse gekapselt ist. Korrosion, Reinigungs- und Desinfektionsmittel können ihm nichts anhaben. Für die Betätigung gibt es einen Fußhebel. Geprüft sind die Hydraulikliegen bis zu 600 Kilogramm, sodass zum realen Patientengewicht noch Puffer ist. 2007 kam das Modell auf den Markt.
Hydraulik spart Platz
Etwa ein Drittel der verkauften Liegen des Herstellers ist mit dem hydraulischen System ausgestattet, die restlichen zwei Drittel haben stattdessen einen Elektromotor. Özpinar-Geschäftsführerin Jutta Gissler verweist dabei auf die persönlichen Vorlieben der Anwender: „Es kommt darauf an, wie ein Therapeut tickt“, erklärt sie. Hydraulik macht für sie nicht nur in der medizinischen Alltagspraxis, sondern vor allem in Schulen Sinn. Schon aus Platzgründen hat diese Technik hier die Nase vorn, weil auf eine aufwändige Verkabelung verzichtet wird. Das kommt auch der Sicherheit bei der Schulung zugute.
Mikrohydraulik gewährt operative Freiheit
Die Hydraulik setzen Medizintechniker allerdings nicht nur für schwere Arbeiten, sondern auch für Präzisionsaufgaben ein: In der minimal-invasiven Chirurgie können mikrohydraulische Antriebe erstaunliche Leistungen vollbringen. So erfüllen sie den Wunsch der Chirurgen nach einer Kraftrückkopplung und gewähren mehr operative Freiheitsgrade. Timo Cuntz arbeitet in der Projektgruppe PAMB für Automatisierung in der Medizin- und Biotechnologie, einem Bereich des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierungstechnik IPA in Mannheim.
Er lobt die Endoskope mit mikrohydraulischem Antrieb: „Die Greifkraft fällt höher aus. Der Chirurg kann das Instrument viel feinfühliger bedienen.“ Hydraulikaktoren im Mikrobereich, so erklärt der Wissenschaftler, besäßen eine hohe Kraft-, Energie- und Leistungsdichte. Das macht sie für minimal-invasive Chirurgie so vielversprechend.
In der flexiblen Endoskopie, also bei Spiegelungen, verliehren mikrohydraulisch bewegte Instrumente selbst bei starken Biegungen der Zuleitungsschläuche nichts von ihrer Feinfühligkeit. „Auch bei miniaturisierter Bauweise erzeugen sie hohe Kräfte“, berichtet Cuntz. Aktuell laufen die Planung für die ersten präklinischen Tests der hydraulischen Endoskope. Auch die Industrie zeigt bereits Interesse.
Ein weiteres Einsatzfeld sind hydraulische Antriebe mit Kunststoff-Zylindern für die Magnetresonanztomografie. Da diese Systeme kein Metall enthalten, stören sie die Messungen nicht. Die Forscher am Fraunhofer sehen insgesamt großes Potential für die Hydraulik in der Medizintechnik. do
Autor: Klaus Niehörster, freier Autor für fluid
Technik im Detail
Wartungsfreier Antrieb für die Höhenverstellung
Ein Beispiel für eine Kompakthubhydraulik im Medizinbereich ist das Modell L259V5. Das System kommt ohne separate Führung der Last aus. Mittels der Kolbenstange drehen Bediener die Last und arretieren sie in die richtige Position. Mit einigen Handgriffen wird die Hydraulik montiert und bildet dann den wartungsfreien Antrieb für die fuß- oder handbetätigte Höhenverstellung. Pump- und Senkbetätigung sowie Arretierung der Drehbewegung erledigt alles ein Hebel.
Der einfacheren Bedienung wegen wird der Hebel bei Heben und Senken in dieselbe Richtung bewegt: Um die Last zu heben, drücken Bediener den Hebel nach unten. Um sie zu senken, wird das Fußpedal über einen spürbaren Druckpunkt hinaus nach unten gedrückt. Um die Kolbenstange zu arretieren, bewegen Bediener das gleiche Pedal nach oben.