Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer.

Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer, Institutsleitung des Instituts für Fahrzeugsystemtechnik, Mobile Arbeitsmaschinen. (Bild: FVA/KIT Mobima)

Herr Professor Geimer, wie hat sich die Technologie der hybriden Antriebe im Lauf der Zeit entwickelt?

Marcus Geimer: "Das Thema hybride Antriebe hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Als wir 2007 unsere Hybridtagung begonnen haben, gab es viele Konzepte, aber die Umsetzung war noch weit entfernt. Doch im Laufe der Tagungen wurden konkrete Umsetzungsideen präsentiert, und nach einigen Jahren wurden erste erfolgreich umgesetzte Konzepte vorgestellt. Heute befinden wir uns mitten in der Markteinführung, insbesondere bei hybriden und energieeffizienten Antrieben."

Wo lohnt sich der Einsatz von hybriden ­Antrieben und warum?

Geimer: "Unsere Erfahrung zeigt, dass das Argument der Kraftstoffeinsparung weniger relevant ist, da Kraftstoffe immer noch relativ günstig sind. Stattdessen ist die Produktivitätssteigerung wesentlich wichtiger und relevanter für Unternehmen. Mit hybriden Antrieben haben wir einen zusätzlichen Energiespeicher und können in Leistungsspitzen mehr Energie bereitstellen, was die Maschinen insgesamt produktiver macht."

Können Sie uns ein konkretes Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung von hybriden Antrieben nennen?

Geimer: "Ein gutes Beispiel ist ein Harvester des Unternehmens HSM. Es bestand allgemein das Problem, dass die Verbrennungsmotoren durch die Abgasgesetzgebung immer träger wurden. Durch den Einsatz eines hydraulischen Speichers konnte man bei HSM das Problem lösen und die Last bei hoher Anforderung kurzfristig erhöhen – das reduziert die Reaktionszeit und macht die Systeme produktiver."

Maschinenausstellung im Rahmen der Fachtagung.
Maschinenausstellung im Rahmen der Fachtagung. (Bild: FVA/KIT Mobima)

Kann man hybride Antriebe auch nachrüsten?

Geimer: "Es ist grundsätzlich möglich, hybride Antriebe in bestehende Maschinen einzubauen, aber das hängt von der Herstellersteuerung und der Maschinenkenntnis ab. Es ist oft sinnvoller, die Technologie in neuen Maschinen anzubieten, da für die Umrüstung ein wirklich tiefes Verständnis für die Maschine erforderlich ist. Man muss dabei auch sehen, dass die durchschnittliche Laufzeit etwa von Traktoren rund 25 Jahre beträgt. Anders ist es bei Lohnunternehmern, die Mähdrescher durchaus nach drei bis vier Jahren wieder abgeben, weil sie dann einfach nicht mehr die Leistungsfähigkeit neuer Maschinen haben. Generell lohnen sich hybride Antriebe überall dort, wo eine erhöhte Produktivität und Energieeffizienz von Vorteil sind. Besonders in Bereichen, in denen Maschinen besonders intensiv und häufig eingesetzt werden, können die Vorteile von hybriden Antrieben optimal genutzt werden."

Wie ist der Stand der Dinge beim Thema Maschinenlernen in der Hydraulik und wie sieht die praktische Umsetzung aus?

Geimer: "Maschinenlernen kann in verschiedenen Bereichen der Hydraulik eingesetzt werden, wie zum Beispiel bei der Steuerung von Maschinen, der Erkennung von Gegenständen oder der Optimierung von Abläufen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und bieten spannende Potenziale. Maschinenlernen wird in der Hydraulik auch praktisch angewendet. Das sogenannte ‚invertierte Pendel‘, das von der Firma Bucher Hydraulics vorgestellt wurde nutzt klassische Regelungsmethoden, aber Maschinenlernen kann eingesetzt werden, um komplexe Aufgaben effi­zient zu bewältigen."

Auf der Fachtagung wurden insgesamt zwölf Fachbeiträge gehalten.
In den insgesamt zwölf Fachbeiträgen wurde die Bedeutung von der Hybridisierung und Effizienzsteigerung im Bereich der Mobilen Arbeitsmaschinen deutlich. (Bild: FVA/KIT Mobima)

Könnten Sie uns ein konkretes Beispiel für die Anwendung von Maschinenlernen in der Hydraulik geben?

Geimer: "Ein Beispiel wäre ein Wiegesystem für einen Kran, bei dem der Druck in den Hydraulikzylindern und die Winkelpositionen der Ausleger gemessen werden. Anhand dieser Daten kann das System das Gewicht des angehobenen Gegenstandes ermitteln und somit die Produktivität optimieren."

Wie funktioniert das ­Maschinenlernen in diesem Zusammenhang?

Geimer: "Beim Maschinenlernen werden neuronale Netze verwendet, um komplexe Zusammenhänge zu erkennen. Das Netzwerk wird mit Trainingsdaten vorab trainiert, und dann kann es unbekannte Daten korrekt interpretieren und entsprechende Entscheidungen treffen."

Und wie steht es um die Nutzung von ­maschinellem Lernen in der Landwirtschaft? Könnten Sie uns einen Überblick darüber geben, wie diese Technologie dort eingesetzt wird?

Geimer: "Sicherlich. In der Landwirtschaft setzen wir maschinelles Lernen ein, um verschiedene Aufgaben zu automatisieren und den Landwirten den Arbeitsalltag zu erleichtern. Dazu gehört zum Beispiel die Bodenbearbeitung eines Feldes. Das System erkennt und identifiziert die Ober­fläche, bestimmt die Unebenheit und stellt das Bodenbearbeitungsgerät mit Hilfe des maschinellen Lern­verfahrens automatisch so ein, dass der Landwirt ein optimales Ergebnis erhält."

Wie wird maschinelles Lernen bei der automatischen Erkennung von Pflanzenkrankheiten eingesetzt?

Geimer: "Die automatische Erkennung von Pflanzenkrankheiten funktioniert mithilfe von Bildverarbeitungstechniken und künstlicher Intelligenz. Die Landwirte machen in regelmäßigen Abständen Bilder von ihren Pflanzen und laden sie in ein System hoch, das mit einem vortrainierten neuronalen Netzwerk arbeitet. Dieses Netzwerk erkennt dann anhand bestimmter Merkmale, ob die Pflanzen gesund sind oder ob sie von einer Krankheit befallen sind. Die Landwirte erhalten dann zeitnah Informa­tionen über den Gesundheitszustand ihrer Pflanzen und können gezielt Maßnahmen ergreifen, um den Schaden zu begrenzen.

Ein weiteres Beispiel ist die automatische Erkennung und Unterscheidung von verschiedenen Objekten in landwirtschaft­lichen Bildern. Zum Beispiel kann maschinelles Lernen dabei helfen, zwischen verschiedenen Pflanzenarten zu unterscheiden oder zwischen Hindernissen und anderen Gegenständen auf dem Feld. Diese Fähigkeit ist wichtig, um landwirtschaftliche Maschinen effizient und genau zu steuern."

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Wie hilft maschinelles Lernen dabei genau, solche Unterscheidungen zu treffen?

Geimer: "Im Wesentlichen geht es dabei um Deep Learning, einer speziellen Technik des maschinellen Lernens. Hier werden neuronale Netzwerke eingesetzt, die anhand einer großen Menge an Daten lernen, verschiedene Objekte zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Lassen Sie mich das an einem eigenen Beispiel eines Forschungsprojektes aus dem Forstbereich erläutern.

Beispielsweise kann ein neuronales Netzwerk lernen, einen liegenden Baumstamm von einem anderen Gegenstand im Wald zu unterscheiden. So kann ein Forwarder genau erkennen, welche Stämme er laden muss. Der Trainingsprozess ist dabei entscheidend für die Leistungsfähigkeit solcher Systeme. Zunächst kann das neuronale Netz vortrainiert werden. Das bedeutet, es wird bereits mit einer großen Menge an Daten trainiert, um grundlegende Fähigkeiten zu erlangen. Dann erfolgt eine sogenannte Adaption durch Transfer Learning, bei der das Netzwerk auf die spezifischen Anforderungen des Kontextes angepasst wird. Ihm werden wenige Bilder mit den verschiedenen, zu erkennenden Objekten gezeigt, und es lernt, auch diese zu erkennen. Mit genügend Trainingsdaten lernt das Netzwerk, die Objekte präzise zu identifizieren und Unterschiede zwischen ihnen zu erkennen."

Welche Vorteile ergeben sich für den ­Anwender ganz konkret aus dem Einsatz dieser maschinellen Lernverfahren im Arbeitsalltag?

Geimer: "Der Einsatz von maschinellem Lernen kann den Bedienern erhebliche Vorteile bieten. Zum einen können bestimmte Aufgaben automatisiert werden, was Zeit und Ressourcen spart. Zum anderen können Maschinen und Fahrzeuge optimiert gesteuert werden, um eine effiziente und präzise Arbeitsweise zu ermöglichen. Die Landwirte werden zum Beispiel in ihrer Arbeit unterstützt und können sich auf die wichtigen Entscheidungen und Prozesse konzentrieren, während maschinelle Lernverfahren wiederkehrende und repetitive Aufgaben übernehmen."

Effizienter und nachhaltiger Einsatz von Land- und Forstmaschinen.
Effizienter und nachhaltiger Einsatz von Land- und Forstmaschinen war ein wichtiger Schwerpunkt der Keynotes. (Bild: FVA/KIT Mobima)

Kann man es mit dem maschinellen Lernen auch übertreiben?

Geimer: "In gewisser Weise schon. Wir haben ein Forschungsprojekt zur Fahrerkabine 4.0. Da sehen wir unterschiedliche Stadien in der Maschinensteuerung. Es gab zum Beispiel zunächst Maschinen, die waren hochkomplex. Der Bediener musste viele Funktionen erlernen und war deshalb oft relativ stark angespannt, teilweise sogar überfordert. Dann wurden die Steuerungen automatisiert. Wir haben dann festgestellt, dass der Bediener bis zu 15 Minuten keine Eingabe macht. Das heißt, die Maschine fährt 15 Minuten über das Feld ohne eine einzige Eingabe, und das ist ziemlich langweilig. Der Bediener ist jetzt unterfordert und macht Fehler, weil er nicht mehr aufmerksam und konzentriert ist. Wir messen den Belastungszustand des Bedieners und wollen darauf angepasst reagieren."

Gibt es auch Herausforderungen oder mögliche Risiken, die mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft einhergehen?

Geimer: "Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Einerseits ist es wichtig, dass die maschinellen Lernverfahren korrekt und zuverlässig arbeiten. Fehler oder Fehlinterpretationen können negative Auswirkungen haben. Zudem ist der Datenschutz ein wichtiger Aspekt, da für das Training der Modelle oft eine große Menge an Daten benötigt wird. Es ist wichtig, die Daten der Landwirte angemessen zu schützen und für die richtigen Zwecke zu verwenden. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die Landwirte die Technologie verstehen und in ihre Arbeitsprozesse integrieren können, um das volle Potenzial auszuschöpfen."

Die 9. Fachtagung ‚Hybride und energieeffiziente Antriebe für mobile Arbeitsmaschinen‘

Am 28. Februar fand in Karlsruhe die 9. Fachtagung ‚Hybride und energieeffiziente Antriebe für mobile Arbeitsmaschinen‘ mit circa 170 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie statt. Veranstaltet wurde die Tagung durch die FVA GmbH mit wissenschaftlicher Unterstützung durch den Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen (Mobima) des KITs.

 

Die Vorabendveranstaltung bot allen Teilnehmenden die Möglichkeit, sich bei geselliger Atmosphäre auszutauschen und einen Einblick in die aktuellen Forschungsthemen am Mobima sowie den anderen Bereichen des Instituts für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) zu erhalten. Unterstützt wurde die Abendveranstaltung durch das Sponsoring der Firmen Bosch Rexroth, Fendt (AGCO) und Hohenloher Spezial-Maschinenbau (HSM).

 

Eröffnet wurde die Tagung am 28. Februar 2023 von Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer vom Karlsruher Institut für Technologie. Darauf folgte Patrick Ahlbrand von Claas mit einer Keynote zum Thema ‚Effizienter und nachhaltiger Einsatz von Landmaschinen‘. In der zweiten Keynote zum Thema ‚Nachhaltigkeit – Ein Begriff macht Karriere‘ von Prof. Dr. Dr. h.c. Bastian Kaiser von der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine neue Sichtweise auf den Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ aufgezeigt.

 

Anschließend folgten spannende Vorträge in den Sessions ‚Innovative Forsttechnik‘, ‚Elektrifizierte Arbeitsmaschinen‘ sowie ‚Energie­effiziente Komponenten‘. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit Beiträgen zum Themenbereich ‚Klimaneutrale Antriebe‘.

 

In den insgesamt zwölf Fachbeiträgen wurde die Bedeutung von der Hybridisierung und Effizienzsteigerung im Bereich der Mobilen Arbeitsmaschinen deutlich. Die Beiträge aus Industrie und Forschung zeigten, dass die Themen Klimaneutralität und Nachhaltigkeit auch im Umfeld der mobilen Arbeitsmaschinen Haupttreiber der Entwicklung sind. Insbesondere die Elektrifizierung bzw. Hybridisierung von Fahr- und Arbeitsantrieben hat sich als großes Potenzial für die Effizienzsteigerung erwiesen. Des Weiteren wurde auch der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger mehrfach als wichtiges Forschungsthema adressiert.

 

In den Pausen zwischen den Vorträgen konnten sich die Teilnehmenden auf der begleitenden Fachausstellung der Firmen Bosch Rexroth, Hydac, InMach, RheinTacho und Shimadzu über neue Produkte und Innovationen informieren.

 

Die Veranstalter danken den Sponsoren, den Ausstellern, den Referierenden sowie allen Teilnehmenden für die erfolgreiche Veranstaltung und freuen sich auf das zehnjährige Jubiläum der Veranstaltung im Jahr 2025.

 

Der zur Veranstaltung herausgegebene Tagungsband wird in digitaler Form über die KIT-Bibliothek kostenlos zur Verfügung gestellt.

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