Interview: Philipp Santen, AHP Merkle

„Mit Dämpfung die Leistung eines Zylinders erhöhen“

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Philipp Santen
Philipp Santen an seinem zweiten Arbeitsplatz: Der Endlagenprüfstand im neuen modern ausgestatteten Testlabor bei AHP Merkle.

Dämpfung kann das Zünglein an der Waage sein, wenn es darum geht das Leistungspotenzial eines Hydraulikzylinders auszuschöpfen. AHP Merkle bringt mit der neuen linearen Dämpfung eine Lösung, die es so bisher noch nicht gab.

Entwicklungsingenieur Philipp Santen erklärt, was es damit auf sich hat.

Herr Santen, Sie waren maßgeblich an der Entwicklung der linearen Dämpfung beteiligt. Was war der Anstoß, die Dämpfung im Hydraulikzylinder zu optimieren?

Kundenseitig werden der Ruf nach immer leistungsfähigeren Hydraulikantrieben sowie das Bestreben, Zykluszeiten weiter zu verringern, lauter. Unsere Zylinder verfügen über eine enorme Leistungsdichte. Sie können große Massen mit hoher Geschwindigkeit bewegen, dafür sind sie prädestiniert. Die Dämpfung kann aber schnell zum limitierenden Faktor werden. Eine einmal beschleunigte Masse muss nämlich in der Endlage auch wieder abgebremst werden – das wird häufig vernachlässigt.

Wenn hier die Dämpfungsgrenze überschritten wird, sind Beschädigungen am Zylinder, die Verringerung der Zylinderlebensdauer und im schlimmsten Fall ein Ausfall der gesamten Anlage die Folge. Mit der neuen linearen Dämpfung eliminieren wir diese Einschränkungen. Der Kunde kann den Zylinder und damit die Dämpfungskapazität gezielt für seine Anwendung auslegen. Unsere Intention war es, eine Lösung zu entwickeln, die die große Unbekannte, also die Dämpfung, verständlich macht, indem sie berechenbar wird. Mit diesem Verständnis wiederum kann die Effizienz des Zylinders und der gesamten Anlage erhöht werden.

Unter anderem versprechen Sie mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit des Zylinders. Was ist das Geheimnis der linearen Dämpfung?

Dämpfungskolben
Der neu entwickelte Dämpfungskolben gewährleistet eine sehr kurze Bremszeit, da der zur Verfügung stehende Dämpfungsweg voll ausgenutzt wird.

Ganz einfach: Das Geheimnis liegt in der Art und Weise, wie verzögert wird. Die lineare Dämpfung schafft die nahezu schnellstmögliche Abbremsung bei einer geringen Belastung für den Zylinder. Es wird die gleiche Dämpfungsarbeit verrichtet, jedoch in sehr kurzer Zeit. Damit erhöht sich die Leistung und auch die Effizienz des Zylinders.

Bei welchen Anwendungen kann die lineare Dämpfung ihr Potenzial ausspielen?

Ich sehe sehr viele mögliche Konstellationen. Zum einen kann sie grundsätzlich immer dann eingesetzt werden, wenn großen Massen schnell bewegt werden. Abhängig von der Zylindergröße können das wenige Kilogramm oder mehrere Tonnen Gewicht sein. Zum zweiten ist die lineare Dämpfung dann empfehlenswert, wenn die Zykluszeiten einer Anwendung reduziert werden sollen. Die Zeiteinsparungen ergeben sich aus der schnelleren Bewegung und der kürzeren Abbremszeit. In Zahlen gesprochen: Bisher galten Geschwindigkeiten von 0,1 bis 0,5 Meter pro Sekunde als Richtwert. Mit der neuen Dämpfung können jetzt Geschwindigkeiten bis zu einem Meter pro Sekunde sicher abgebremst werden. Und zu guter Letzt ist der Einsatz der linearen Dämpfung bei Zylindern im Gleichlauf sinnvoll. Sie gewährleistet die gleiche Abbremsung, also die gleiche Dämpfungscharakteristik aller Zylinder. Somit entsteht kein Verzug in der Form.

Da am Zylinder selbst keine Einstellungen mehr vorgenommen werden müssen, erhöht sich die Konstruktionsfreiheit. Der Zylinder kann da verbaut werden, wo es am besten passt.

Philipp Santen, AHP Merkle

Was genau bedeutet das für den Anwender?

Für den Anwender bringt das den Vorteil, dass er den Zylinder anhand seiner Anwendungsparameter berechnet und dann den gelieferten Zylinder nur noch einbaut. Die manuelle Dämpfungseinstellung mittels Dämpfungsschraube am Zylinder entfällt. Damit werden nicht nur Einstellungsfehler ausgeschlossen, es spart auch eine Menge Zeit. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Da am Zylinder selbst keine Einstellungen mehr vorgenommen werden müssen, erhöht sich die Konstruktionsfreiheit. Der Zylinder kann da verbaut werden, wo es am besten passt. Der Zugang zur Einstellschraube am Zylinder muss nicht mehr gewährleistet sein.

Sie haben erwähnt, dass der Zylinder anhand der Anwendungsparameter berechnet wird. Welche Hilfestellungen und Tools geben Sie Ihren Kunden für die Berechnung und Auslegung der Zylinder an die Hand?

Wir haben die fünf Schritte zur Berechnung und Auslegung des Zylinders anschaulich beschrieben und Schritt für Schritt dokumentiert, das kann als PDF auf unserer Webseite angefordert werden. Zudem wird in Kürze ein Update unserer App verfügbar sein. Mit der neuen Funktion ahp.calc ist es sehr leicht, den richtigen Zylinder zu ermitteln. Der Kunde gibt lediglich seine Anwendungsparameter und den gewünschten Zylindertyp ein, die App berechnet und gibt an, ob die Dämpfung geeignet ist oder nicht. Interessant in diesem Kontext vielleicht auch: Im Rahmen unseres Schulungsprogramms im AHP Technikum bieten wir Schulungen und Workshops an. An den Praxistagen wird die lineare Dämpfung ein Fokus-Thema sein. Ansonsten gilt: Wir sind nur einen Anruf entfernt und helfen gerne weiter.

Ab wann ist die lineare Dämpfung verfügbar?

Die neue Dämpfung ist bereits jetzt verfügbar, jedoch vorerst als Sonderzylinder. Im laufenden Jahr werden wir sie sukzessive für alle Hydraulikzylinder der HZ-Serie einführen.

Wie lange haben Sie sich mit der linearen Dämpfung beschäftigt und wie können wir uns die Entwicklungsarbeit bei AHP Merkle vorstellen?

Wir von AHP Merkle beschäftigen uns schon seit drei Jahren intensiv mit der Dämpfung von Hydraulikzylindern, einfach weil uns die Praxis zeigte, dass es da eine Komponente gibt, die Unsicherheit ins System bringen kann. Oder anders gesagt, wenn diese Schwachstelle eliminiert wird, wird ein großes Potenzial freigelegt. Schritt für Schritt und in vielen Versuchsaufbauten haben wird die Dämpfung getestet und einen Weg gefunden, die Vorgänge einer Dämpfung mathematisch zu beschreiben. Mit dieser Kenntnis konnten wir dann an die mechanische Optimierung der Dämpfung gehen.

Philipp Santen, AHP Merkle

AHP Merkle

AHP Merkle hat sich auf die Entwicklung, Konstruktion und Fertigung hochwertiger Hydraulikzylinder spezialisiert. Seit 1973 bedient der Hersteller den Werkzeug-, Formen- und Maschinenbau, den Aluminiumdruckguss und andere Branchen. Als familiengeführtes Unternehmen beschäftigt AHP Merkle 160 Mitarbeiter am Stammsitz in Gottenheim und 15 weitere in den chinesischen Niederlassungen in Hongkong und Shenzhen. Weltweit betreuen 20 Auslandsvertretungen Kunden vor Ort.

Im Testlabor führen wir sämtliche anfallenden Tests durch. Zum Beispiel die Erprobung neuer Dichtungs- oder Führungskonzepte, und auch die Tests zur Entwicklung der linearen Dämpfung haben wir hier durchgeführt. In unserem Labor testen wir natürlich auch die Prototypen unserer neuen Zylinder. Am eigens konstruierten, sehr massiven Endlagenprüfstand mit dem sehr flexiblen Hydraulikaggregat können wir ausreichend Leistung bereitstellen, um auch große Zylinder auf Geschwindigkeit zu bringen. Da wir verschiedene Anwendungssituationen simulieren können, testen wir hier auch in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden.

Warum wird Ihrer Meinung nach die lineare Dämpfung überzeugen und sich in der Praxis durchsetzen?

Die lineare Dämpfung bringt nur Vorteile für den Kunden. Sie gibt ihm die Möglichkeit, größere Massen schneller zu bewegen und Zykluszeiten zu reduzieren. Bei bestimmten Anwendungen, wenn zum Beispiel wirklich große Massen bewegt werden oder bei Zylindern im Gleichlauf, kommt meines Erachtens keiner an der linearen Dämpfung vorbei. Die Benutzerfreundlichkeit bietet entscheidende Vorteile bei der Auswahl des passenden Zylinders und der Inbetriebnahme. Im laufenden Betrieb leistet die lineare Dämpfung ihren Beitrag zur Schadensprävention und verlängert die Lebensdauer des Zylinders. Unsere Zylinder der HZ-Serie, die im Laufe diesen Jahres sukzessive mit der linearen Dämpfung ausgestattet werden, sind baugleich zum Vorgängermodell. Es müssen also keine Anpassungen vorgenommen werden. Plug and Play. Das alles sind Argumente, die für die lineare Dämpfung sprechen. wk

Technik im Detail

Die neue lineare Dämpfung im Überblick

  • Dämpfung für Geschwindigkeiten bis zu 1 m/s
  • sehr kurze Brems- und Zykluszeiten realisierbar
  • einstellfrei: keine Einstellfehler möglich
  • hohe Prozesssicherheit
  • berechenbar mit Konstruktionstool ahp.calc
  • benutzerfreundlich: kein Justierungsprozess bei der Inbetriebnahme
  • längere Lebensdauer des Zylinders
  • für alle Standardzylinder der HZ-Serie.

Info: www.ahp.de/lineare-daempfung