Radartechnologie verbindet man entweder mit Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr oder mit Geräten zur Flugüberwachung. Doch seit den 2000ern hat die Technologie zunehmend auch Einsatz im Auto selbst gefunden. Aktive Abstandsregelungen, sogenannte ACC-Systeme (Adaptive Cruise Control), nutzen Radare, um den Abstand zu vorausfahrenden Autos und deren Geschwindigkeit zu ermitteln.
Auch in der industriellen Automation setzen sich Radare in den vergangenen Jahren zunehmend durch. Insbesondere in der Füllstand- und klassischen Abstandmessungen zahlen sich die Vorteile gegenüber Ultraschall, optosensorischen oder medienberührenden Technologien in vielen Applikationen aus.
Erste Radarsensoren
2020 hatte Turck bereits mit den LRS-Reihe seine ersten Radarsensoren zur Füllstandsmessung vorgestellt, auf die 2021 die DR-M30-Radar-Sensoren zur Abstandsmessung folgten. Beide Gerätefamilien arbeiten im 120-Ghz-Bereich, was insbesondere der Reichweite und der Auflösung, sprich der Genauigkeit des Signals zugutekommt. Als drittes Mitglied des Radar-Portfolios bringt Turck jetzt den Radarsensor MR15-Q80. Schon an der Gehäuseform wird sichtbar, dass hier eine weitere Gerätegattung die Produktpalette ergänzt.
Kollisionskontrolle und Objekterfassung für mobile Arbeitsmaschinen
Im Unterschied zu den zylindrischen Geräten für Abstände und Füllstände ist der MR15-Q80 flach und quaderförmig konstruiert. Auch die zugrundeliegende Technik unterschiedet sich: Im Inneren des robusten IP69K-Gehäuses arbeitet eine Antenne mit 60 GHz. Im Vergleich zum 120-GHz-Frequenzband liefert die geringere Frequenz zwar weniger Auflösung, der Abstrahlwinkel hingegen verbreitert sich entscheidend. So erfassen die MR15-Q80-Objekte mit einem Öffnungswinkel von 120° horizontal und 100° vertikal.
Der Sensor schafft eine Reichweite bis zu beachtlichen 15 Meter, wobei sich dieser Maximalwert je nach Material, Winkel und Oberflächenbeschaffenheit der Objekte auch verringern kann. Da die Zielapplikationen aber vor allem Objekterkennung und Kollisionsvermeidung sind, müssen sich Anwender um mangelnde Reichweite keine Sorgen machen.
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Turcks neuer Radarscanner erreicht mit IP69K den maximalen Schutz gegen Eindringen von Wasser und Staub und erfüllt diesbezüglich alle Anforderungen an die Robustheit von Komponenten für den Mobile-Equipment-Bereich. Auch bei der mechanischen Widerstandsfähigkeit kann der M15-Q80 punkten, denn er verkraftet Schocks und Stöße bis 100 g. Hier unterscheidet sich die Radartechnologie deutlich von der laserbasierten Lidar-Technologie. Lidar Systeme benötigen bewegliche Spiegel, um die Laserstrahlen in jeden Winkel des zu erfassenden Raums zu lenken. Diese beweglichen Spiegel sind naturgemäß anfällig für mechanische Schäden durch Stöße und Vibration.
Radare sind also nicht nur unempfindlicher gegenüber Störfaktoren wie Staub, Nebel oder Lichtreflexe, sondern auch mechanisch viel robuster. Neben starken Schocks toleriert der MR15-Q80 auch Versorgungsspannungen von 12 oder 24 Volt, die in den Bordnetzen mobiler Arbeitsmaschinen genutzt werden – auch mögliche Spannungsspitzen übersteht der Sensor schadlos. Turck positioniert den MR15-Q80 als Sensor zur Kollisionsvermeidung und Objekterfassung für alle nicht sicherheitsrelevanten Aufgaben. Er erfasst Objekte in seiner Umgebung und gibt – im Unterschied zu vergleichbaren Geräten – Messwerte für alle drei Dimensionen aus. Für mobile Arbeitsmaschinen ist der neue Radarscanner derzeit das einzige Gerät auf dem Markt, das eine dreidimensionale Messung über das Kommunikationsprotokoll SAE J1993 für den CAN-Bus ausgeben kann.
Realistische Raumabbildung durch 3-D-Daten
Der MR15-Q80 liefert Abstands- und Geschwindigkeitswerte für Objekte auf allen drei Raum-Achsen. Damit können die Umgebung und alle Objekte darin viel präziser abgebildet werden. So erhalten insbesondere Maschinen, die mit Armen oder Auslegern auf unterschiedlichen Höhen operieren, wertvolle Zusatzinformationen über ihre Umgebung. Dank der 3-D-Informationen weiß die Steuerung nicht nur, wo ein Hindernis beginnt, sondern auch, wo es endet und wo die Maschine mit ihren Armen operieren kann. Es gibt noch viele weitere Einsatzfelder, wo die genaue Kenntnis des Raums vor Maschinen hilfreich sein kann, beispielsweise bei der Erfassung von Topografie und Felsvorsprüngen im Bergbau.
Identifikation von Tieren und Gegenständen im Feld
Eine andere Applikation im Mobile-Equipment-Bereich ist die Erfassung von Tieren und Gegenständen in Feldern. Turcks Radarscanner kann dazu am Mähdrescher direkt am Dreschwerk montiert werden, um das vor ihm liegende Feld zu überwachen. Aufgrund der unterschiedlichen Reflexionseigenschaften von Tieren oder Gegenständen und Getreidehalmen kann der Sensor Fremdkörper im Feld erkennen, die entweder selbst Schaden nehmen würden oder das Dreschwerk beschädigen könnten. Dank der großen Öffnungswinkel von 120° horizontal und 100° vertikal und einer Reichweite von bis zu 15 Meter kann der Radarscanner zuverlässig erkennen, ob das Feld vor dem Mähdrescher problemlos geerntet werden kann.
Sechs Warnradien und drei Signalräume einstellbar
Für diese und andere Applikationen können Nutzer Warnradien definieren, die ein Schaltsignal triggern, sobald sich ein Objekt darin befindet. Auch durch bestimmte Intensitätsschwellen, die zur Unterscheidung von Objekten wichtig sind, lassen sich Schaltsignale zuverlässig triggern. Die Steuerung kann jedoch auch das IO-Link-Signal komplett auswerten, um die gesamte Informationsdichte zu nutzen.
Bis zu sechs frei definierbare Warnfelder und drei dreidimensionale Signalräume können eingelernt und mit einem der beiden Schaltausgänge verknüpft werden. Ist eines dieser Warnfelder im Radarschatten, weil sich ein Objekt zwischen Sensor und Feld befindet, so erkennt der Sensor auch dies und gibt eine entsprechende Meldung aus.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit an mobilen Arbeitsmaschinen ist die Toter-Winkel-Warnung, also die Überwachung von schwer einsehbaren Bereichen an der Maschine. Befinden sich dort Objekte, kann das Fahrzeug Schaden nehmen. Auch für diese Zwecke sind die Warnradien und Signalräume hilfreich, um Warnsignale rechtzeitig auszugeben.
Kollisionsvermeidung in der Intralogistik
Alternative Einsatzfelder zeichnen sich auch in der Intralogistik ab. Insbesondere Flurförderzeuge und fahrerlose Transportsysteme (FTS) benötigen Sensorik zur Navigation und zur Vermeidung von Kollisionen. In der Regel werden zur sicherheitsgerichteten Umfeldüberwachung LIDAR-Scanner eingesetzt. Doch zur vertikalen Überwachung von Hubwegen an autonomen Gabelstaplern eignen sich diese nur bedingt, da sie meist einen geringen vertikalen Öffnungswinkel erfassen. Spezielle Safety-Radare und -Scanner wären für die nicht sicherheitsrelevante Funktion der Höhenkontrolle zudem überdimensioniert und damit zu teuer.
Höhenkontrolle
Turcks 3D-Radarscanner liefert die notwendigen Informationen für alle drei Raumdimensionen und erkennt damit Hindernisse und Umgebung in Gänze. Diese Informationen erleichtern auch die exakte und sichere Kontrolle von Hubbewegungen.
Die gescannten Daten können dabei zusätzlich zur Sicherung von Durchfahrtshöhen und zur Vermeidung von Schäden an Fahrzeugen, Gütern und Anlagenelementen genutzt werden. Häufig werden für diese Aufgaben Kamerasysteme eingesetzt, die allerdings teurer und in der Inbetriebnahme meist deutlich aufwendiger sind.
Erleichterte Inbetriebnahme und Echtzeit-Visualisierung in TAS
Die Parametrierung von derart komplexen Sensoren, die mehr als nur ein Analogsignal oder ein bis zwei Schaltsignale ausgeben, stellt häufig eine Herausforderung dar. Turck unterstützt Anwender dabei mit seiner Konfigurations- und IIoT-Software TAS (Turck Automation Suite). Das Toolkit erleichtert deutlich die Inbetriebnahme und optimale Einstellung der Signal- und Intensitätsfilter, Erfassungswinkel oder Warnradien.
Die Software visualisiert im Webbrowser in Quasi-Echtzeit alle Rohdaten des Sensors. Auf zwei Graphen, einem für die vertikalen Daten und einem für die horizontalen Erfassungswinkel, werden Objekte als Punkte und Punktewolken dargestellt. Turck bietet zwei Varianten des 3-D-Radar-Scanners an: eine mit IO-Link und eine mit SAE-J1939-Interface, das vor allem für mobile Arbeitsmaschinen genutzt wird. Beide Geräte verfügen neben der Schnittstelle für die 3-D-Daten über zwei klassische Schaltausgänge, die durch unterschiedliche Schwellwerte getriggert werden können.