Sie sind heute zu zweit hier, beide von Freudenberg, einer aus Hamburg, einer aus Schwalmstadt. Bitte erzählen Sie etwas über sich und Ihre Aufgabenverteilung?
Gonzalo Barillas: Ich kam 1978 mit einem Stipendium aus Guatemala und habe in Esslingen Maschinenbau studiert. Nach dem Studium trat ich meine erste Stelle an unserem Standort in Hamburg an, wo ich fünf Jahre in der Entwicklung von Hydraulikdichtungen tätig war. Von dort aus hat mich Freudenberg ins Werk in Schwalmstadt geholt, wo ich an verschiedenen Stellen hauptsächlich an der Entwicklung von Dichtungen gearbeitet habe, viel in der Pneumatik, aber auch im Business Development. Momentan bin ich zuständig für die Vorausentwicklung von Dichtungen für die Fluidtechnik sowie für Versuch und Innovationen. Ein großer Teil meiner Arbeit ist die Koordination unserer Forschungsaktivitäten, sowohl hausintern, als auch mit externen Partnern. Zudem halte ich als Gastdozent Vorlesungen zur Dichtungstechnik an der TU Dresden. In Schwalmstadt betreuen wir die gesamte Mobilhydraulik, etwa Baumaschinen oder Stapler, die Industriepneumatik, Fluidtechnik, Textilindustrie, Powertools, und andere Marktsegmente wie Bau und Lebensmitteltechnik.
Dr. Kristian Müller-Niehuus: Ich bin von Hause aus Geophysiker und 2006 zum Freudenberg-Konzern nach Weinheim gekommen, in die zentrale Forschung. Nach einigen Jahren bin ich zu Freudenberg Sealing Technologies nach Hamburg gegangen. Dort ist der Bereich Schwerhydraulik angesiedelt. Das sind bei uns alle nicht landbewegten Maschinen, also Dichtungen für Stahlwerke, Offshore, Energy, Tunnelbohrmaschinen, aber auch Food & Beverage oder Chemie. Mein Verantwortungsbereich ist das komplette Engineering dort, das fängt an bei den Applikationsingenieuren, die schnell auf Kundenanfragen reagieren müssen, über Laborprüfung und Materialentwicklung – wir haben auch in Hamburg direkt eine Materialentwicklerin sitzen – bis hin zur langfristigen Produktentwicklung. So entstehen über mehrere Jahre in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Schwalmstadt oder Weinheim nagelneue Produkte.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen den beiden Geschäftsbereichen, von den Kundenanforderungen her?
Dr. Kristian Müller-Niehuus: Ein sehr großer Unterschied ist sicher die Belastungsfrequenz. Unsere Anwendungen aus der stationären Schwerhydraulik laufen oft rund um die Uhr, 95 Prozent des Jahres. Ein Schiff muss laufen, eine Windkraftanlage muss drehen. Die stehen nicht zwischendrin in einer Ecke und werden nicht benutzt. Da kommen dann rund 8000 Stunden pro Jahr zusammen. Ein typisches Serviceintervall ist fünf bis sieben Jahre, viele Dichtungen müssen also über 40.000 Betriebsstunden halten. Das ist in der Mobilhydraulik anders.
Gonzalo Barillas: Das stimmt, das Wartungsintervall bei einem Bagger liegt je nach Anwendung zwischen 250 und 1000 Stunden, bei manchen schnell drehenden Bohrmaschinen auch nur 200 Stunden. Bei hoher Belastung durch Schmutz, Vibrationen, Lastspitzen und wechselnde Lasten müssen die Dichtungen öfters ausgetauscht werden. Auf der anderen Seite haben wir in der Pneumatik auch ziemliche Dauerläufer. Viele Zylinder sind auf zehn Millionen Doppelhübe ausgelegt, die werden nicht gewartet, da muss der Zylinder und mit ihm die Dichtung eben ein Maschinenleben lang halten. Ein weiterer Unterschied zwischen unseren Geschäftsbereichen sind sicher die Maße der Dichtungen: Bei uns in Schwalmstadt bekommen Sie Dichtungen von zwei Millimeter bis etwa 300 Millimeter Innendurchmesser. Das ist in der Schwerhydraulik anders.
Anwendungen aus der stationären Schwerhydraulik laufen oft rund um die Uhr. Da müssen Dichtungen mehr als 40.000 Betriebsstunden halten. Bild: fluid
Dr. Kristian Müller-Niehuus, Freudenberg Sealing Technologies
Und zwar?
Dr. Kristian Müller-Niehuus: Unsere Welt fängt bei etwa 120 Millimetern an, geht aber zum Beispiel an Tunnelvortriebsmaschinen hinauf bis über zwölf Meter Durchmesser.