Elektromechanisch angesteuerte Hydraulikeinheit

Hydraulik neu gedacht

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Beim Schnittvorgang bewegt sich der Pressbalken immer vorauseilend zum Messer nach unten.
Beim Schnittvorgang bewegt sich der Pressbalken immer vorauseilend zum Messer nach unten und deckt damit die Klinge zur Sicherheit des Bedieners ständig ab.

Wie Bott eine neue Antriebstechnik für die Stapelschneider von Krug + Priester entwickelt hat und dabei sicherstellte, dass diese flexibel, wirtschaftlich und mit hohem Bedienkomfort arbeiten können.

Die Druckindustrie befindet sich im strukturellen Wandel. Rückläufige Auflagen, hoher Kostendruck und Web-to-Print-Konzepte beschleunigen den Trend zum Digitaldruck und stellen neue Anforderungen an die Weiterverarbeitung. „Mit dem Aufstieg des Digitaldrucks haben sich die Anforderungen an Stapelschneider stark verändert“, erklärt Holger Jenter, Leiter Entwicklung, Konstruktion und Versuch von Krug + Priester.

Seit über 30 Jahren arbeitet Jenter in der Produktentwicklung des Balinger Familienunternehmens und kennt den Bedarf deshalb genau. „Kleinere Papierformate, häufige Formatwechsel, kurze Durchlaufzeiten und der hohe Kostendruck verlangen heute von der Weiterverarbeitung deutlich mehr Flexibilität und wirtschaftlichere Lösungen.“ Daher setzen immer mehr Druckereien auf die kleineren und zugleich kostengünstigeren Stapelschneider der Mittelklasse. Dadurch wachsen die Ansprüche und die Bereitschaft, Kompromisse bei Leistung und Komfort einzugehen, sinkt.

Funktionen, die bislang High-End-Geräten vorbehalten waren, werden nun verstärkt von kompakten Schneidmaschinen erwartet. Für das Entwicklungsteam um Jenter war klar: Mit einer Überarbeitung der bestehenden Gerätegeneration ließ sich das nicht mehr umsetzen. Denn die bisherigen Antriebs- und Steuerungssysteme stießen dabei an ihre Grenzen. Zukünftige Lösungen verlangten ein völlig neues, platz- und kostensparendes Antriebskonzept. Jenter vertraute dafür auf Hydraulikpartner Bott.

Angesichts der ambitionierten Ziele und einer straffen Kalkulation hatte er allerdings berechtigte Zweifel, ob sich überhaupt eine geeignete Hydrauliklösung realisieren lässt. „Doch anstatt beim Blick auf unser ehrgeiziges Konzept den Besprechungstisch gleich wieder zu verlassen, blieben die Experten von Bott sitzen und stellten sich der Herausforderung“, denkt Jenter gerne an den Start des erfolgreichen Projekts zurück.

Großer Anspruch bei kleinem Bauraum

Und das zu Recht, denn die Stapelschneider der neuen Generation arbeiten heute deutlich schneller, intelligenter und sparsamer als ihre Vorgänger und bieten ausgewählte Komfortfunktionen. Neben einer programmierbaren Steuerung mit modernem Interface, Touch-Screen und intuitiver Benutzerführung verfügen sie ebenso wie die großen, hochpreisigen Vertreter über eine individuell einstellbare, hydraulische Papierpressung.

Im Gegensatz zu diesen arbeiten sie jedoch wesentlich energieeffizienter und lassen sich daher mit einer Netzspannung von 230V und einer Standard-Einphasenabsicherung betreiben. Einfacher ausgedrückt, die Geräte werden mit einem gängigen Schukostecker ans Stromnetz angeschlossen. Ein klarer Vorteil, den besonders kleinere Digitaldruckereien zu schätzen wissen. „Die Einphasenabsicherung und der regulierbare Papierpressdruck waren nur zwei der entscheidenden Kriterien“, beschreibt Jenter das komplexe Anforderungsprofil zu Beginn der Entwicklung. Zusätzlich sollte die hydraulische Einheit elektromechanisch ansteuerbar sein, geräuscharm laufen, nahezu wartungsfrei funktionieren und im Schadensfall praktisch als kompletter Baustein austauschbar sein.

„Die größte Herausforderung war allerdings der kompakte Einbauraum, kombiniert mit hoher Leistung und ehrgeizigen Zielkosten“, ergänzt Markus Haist, Verantwortlicher für Technik und Vertrieb der Wolfgang Bott. Und bringt damit die Extreme auf den Punkt. Ein einfaches Downsizing der bestehenden Hydraulikkomponenten konnte weder technisch noch kostenseitig zum Ziel führen. Stattdessen sind die Mössinger Experten einen eher ungewöhnlichen Weg gegangen.

Die jüngste K+P-Stapelschneider-Generation.
Die jüngste K+P-Stapelschneider-Generation baut sehr kompakt und bietet dank der schlanken Hydraulik von Bott eine individuell einstellbare Papierpressung.

Weniger ist mehr

Warum ein bloßes Verkleinern der Komponenten nicht ausreichte, zeigt ein Blick auf bestehende Systeme: Vollhydraulische Lösungen treiben Messer- und Pressbalken über zwei Zylinder an. Sie benötigen ein leistungsstarkes Aggregat, beanspruchen viel Platz und verursachen hohe Kosten. Dagegen sind rein elektromechanische Antriebe zwar günstiger, kompakter und energieeffizienter, bieten jedoch keine variable Papierpressung. Kombinationslösungen verbinden beide Ansätze, brauchen aber ebenfalls zwei Hydraulikzylinder und dazu noch eine aufwendige Regelung – mit entsprechendem Kostenaufwand und Platzbedarf.

„Um unser Entwicklungsziel zu erreichen, mussten wir also nicht nur kleiner, sondern auch mit weniger Komponenten denken“, beschreibt Haist den Ansatz der Entwicklung. Eine erste, kompakte und elektromechanisch ansteuerbare Hydraulikeinheit entstand, die in das schlanke Konzept passte. Getestet wurde sowohl auf einer Vorrichtung als auch im reellen Maschineneinsatz. Millionen von Prüfzyklen und eine abschließende, wertanalytische Optimierung später stand die neue Hydraulikeinheit dann fest. Und mit ihr bald darauf das gesamte Maschinenkonzept.

Der gewünschte Papierpressdruck lässt sich bequem über das moderne Interface programmieren.
Der gewünschte Papierpressdruck lässt sich bequem über das moderne Interface programmieren oder bei Bedarf auch manuell einstellen.

Intelligente Hydraulik hält sich zurück

Im Antrieb der neuen Stapelschneider verhält sich die Hydraulikeinheit passiv und fungiert stattdessen als Kopplungsmechanismus und Druckverstärker. Im Wesentlichen besteht sie aus einer einzelnen Zylindereinheit mit Ölreservoir und Ventilsteuerung und kommt ohne eigene Hydraulikpumpe aus. Den Antrieb von Messer- und Pressbalken übernimmt ein Elektromotor. Er ist mit beiden Balken und der Hydraulik bewegungsgekoppelt und löst sowohl den Schnitt als auch die Papierpressung aus. Ein ausgeklügeltes mechanisches Umlenksystem sorgt dafür, dass sich der Pressbalken beim Schnittvorgang immer vorauseilend zum Messer nach unten bewegt und so die Klinge zur Sicherheit des Bedieners ständig abdeckt. Erst mit dem Aufsetzen des Pressbalkens auf dem Papierstapel wird Öl aus dem Presszylinder ins Reservoir verdrängt und dadurch die hydraulische Unterstützung aktiviert.

Mit nur 250ml Öl und 100mm Hub realisiert die Einheit eine Papierpressung zwischen 250daN und 1000daN. Eine hohe Leistung, für die sie nur wenig Platz beansprucht. Denn die komplette Antriebseinheit passt – bei eingefahrenem Zylinder – einschließlich Ölreservoir, Ventilsteuerung und Servomotor in einen schmalen DIN A4-Ordner. Die Geräuschentwicklung des Antriebs bleibt moderat und ist selbst direkt neben der Maschine kaum wahrzunehmen.

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Fachwissen und Offenheit als Erfolgsrezept

Seit der Vorstellung auf der drupa 2024 konnte Krug + Priester die neue Gerätegeneration bereits um zusätzliche Modellvarianten erweitern. Denn Anwender sind begeistert von der Funktionalität und dem Bedienkomfort, den die kompakten Stapelschneider mit schlanker Hydraulik bieten. Auch bei Holger Jenter ist die Zufriedenheit deutlich zu spüren.

„Wir konnten alle gesetzten Ziele – auch die Kosten – zu 100 Prozent erreichen und die Zusammenarbeit mit Bott war immer professionell, offen und konstruktiv.“ Besonders beeindruckt den Entwicklungsleiter allerdings, dass die Mössinger Experten ihr tiefes Fachwissen mit der Offenheit verbinden, neue Wege zu gehen – eine Kombination, die den Erfolg erst möglich machte.

Quelle: Bott GmbH & Co. KG

FAQ - Fragen zur elektromechanisch angesteuerten Hydraulikeinheit


Was ist das Besondere an der neuen Hydraulikeinheit von Bott?

Die neue Hydraulikeinheit ist elektromechanisch ansteuerbar, extrem kompakt und benötigt keine eigene Hydraulikpumpe. Sie verbindet die Vorteile hydraulischer Presskraft mit den Vorzügen elektromechanischer Antriebstechnik – platzsparend, energieeffizient und wartungsarm.


Warum wurde eine neue Antriebstechnik f
ür die Stapelschneider benötigt?
Durch den Wandel im Druckmarkt – kleinere Auflagen, mehr Digitaldruck, häufiger Formatwechsel – steigen die Anforderungen an Stapelschneider. Die bestehende Antriebstechnik stieß an ihre Grenzen. Gefordert waren kompakte, flexible und wirtschaftliche Lösungen.


Welche Vorteile bietet die Hydraulikeinheit im Betrieb?

  • Papierpressung zwischen 250 und 1.000 daN bei nur 250 ml Öl
  • Betrieb mit handelsüblichem Schukostecker (230 V, Einphasenabsicherung)
  • Geräuscharmer, effizienter Lauf
  • Intuitive Bedienung über Touchscreen
  • Nahezu wartungsfrei, modular austauschbar


Wie funktioniert die Ansteuerung ohne eigene Hydraulikpumpe?
Der Elektromotor übernimmt den Hauptantrieb und ist mechanisch mit der Hydraulikeinheit gekoppelt. Die Papierpressung wird hydraulisch nur beim Pressvorgang aktiviert – der Zylinder arbeitet dann als Druckverstärker.


Ist die L
ösung auch für andere Maschinen geeignet?
Ja, das Konzept der elektromechanisch angesteuerten Hydraulikeinheit lässt sich prinzipiell auf andere Anwendungen mit begrenztem Bauraum und variabler Druckanforderung übertragen – insbesondere in der industriellen Weiterverarbeitung oder dem Sondermaschinenbau.


Wie profitieren kleinere Druckereien von der L
ösung?
Dank 230-V-Anschluss, kompakter Bauform und geringem Wartungsaufwand eignet sich die Technik besonders für kleinere Betriebe mit begrenztem Platz und Infrastruktur. Zudem ermöglicht sie professionelle Funktionen ohne Investition in teure High-End-Geräte.