Hänchen stellt einen neuen Werkstoff auf Basis von carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) vor. In vier Jahren Arbeit entwickelte das Unternehmen Kons-truktions- und Fertigungsverfahren, mit denen Bauteile wie Leichtbau-Kolbenstangen und -Zylinderrohre aus H-CFK hergestellt werden, einem hochbelastbarem Verbund von Carbon und anderen Komponenten, veredelt zu einem Werkstoff.
Ziel der Konstrukteure war zunächst die Entwicklung einer Leichtbau-Kolbenstange aus Carbon für Kleinstückzahlen. Mit dem gewonnenen Know-how realisiert Hänchen heute in einem neuen Fertigungsverfahren Zylinderrohre aus H-CFK ohne metallisches Innenrohr sowie H-CFK-Kolbenstangen ohne metallische Lauffläche.
Im Herbst 2010 definierte das Team zunächst die Anforderungen an Zug- und Druckkräfte sowie Seitenkräfte und maximale Dehnungskoeffizienten als Vorgaben für einen neuen Werkstoff. Anschließend wurden auf dem Markt die geeigneten Carbon-Fasern als Ausgangsmaterial für einen Erfolg versprechenden Verbund gefunden. Darauf aufbauend entwarfen die Konstrukteure das Laminatdesign und schufen so die Grundlage für den Werkstoff.
Es folgte die Realisierung einer sieben-Achs-Maschine zum Aufbau der hochkomplexen H-CFK-Verbünde. Denn Kohlefasern weisen ein anisotropes Verhalten auf: ihre Eigenschaften unterscheiden sich je nach Belastungsrichtung. Mathematische Modelle, wie sie für die Auslegung metallischer Bauteile üblich sind, mussten für H-CFK erst entwickelt werden, auch um auf dieser Grundlage die Software für die Produktion zu entwerfen. Die nächste Herausforderung bestand in einer hochfesten Verbindung zwischen Gewinde, Verschluss und anderen Anschlussteilen aus Metall und dem aus Carbon designten Bauteil.
Denn konventionell geklebte Verbindungen halten den hohen Belastungen der Hydraulik nicht stand. Die besondere Wickeltechnologie von Hänchen ermöglicht es, metallische Enden direkt in den Carbon-Grundwerkstoff einzubinden. Beim Design von H-CFK-Bauteilen ist es wichtig zu erkennen, welche Komponenten auf Carbon-Basis ausgeführt werden können und für welche Komponenten eine metallische Ausführung sinnvoller ist.
Bei einer Kolbenstange ist es beispielsweise erforderlich, den Grundkörper aus Gewichtsgründen auf CFK-Basis aufzubauen. Für krafteinleitende Elemente, wie etwa das Gewinde am Ende einer Kolbenstange, sind metallische Werkstoffe geeigneter. Diese und andere Kombinationen lassen sich mit H-CFK in einem hochbelastbaren Werkstück aufbauen.
Harte Oberfläche sicherstellen
Schließlich galt es, nach einer geeigneten Oberfläche zu suchen, welche die Rolle der bisher verwendeten Chromschicht übernimmt. An die Laufflächen in Hydraulik-Zylindern werden besonders hohe Anforderungen gestellt. Denn Oberflächen von Kolbenstange und Zylinderrohr dienen als Gegenlauffläche für Dichtungen und müssen hohem hydraulischem Druck standhalten. Reines Carbon ist für diese Ansprüche nur bedingt geeignet, weshalb eine harte Oberfläche bei der Produktion von H-CFK eingebracht wird.
Die H-CFK-Oberfläche versiegelt den Grundkörper aus Carbon und bietet, ausgestattet mit dem für Kolbenstangen von Hänchen typischen Honbild, eine Fläche für reibungs- und verschleißarmen Dichtungslauf. Zusätzlich wird durch diese Oberflächentechnologie eine entsprechende Verschleißschicht erzeugt. So ist eine hochwertige, mechanische Endbearbeitung möglich, die eine harte, nachbearbeitbare Oberfläche sicherstellt.
Eine in dem neuen Fertigungsverfahren gefertigte Kolbenstange aus H-CFK ist besonders. Der Kolben wird dabei im Verfahren mit aufgebaut und ist deshalb integrierter Teil des Verbunds. Die Kolbenstange überzeugt durch ihre Werte: In der Stahlausführung wiegt sie 7,0 kg, in Aluminium 2,4 kg, in H-CFK-Ausführung mit den gleichen Maßen 1,9 kg.
Dabei hat der neue Werkstoff eine hohe Festigkeit, dehnt sich nicht aus und ist obendrein amagnetisch. Außerdem kennt Carbon keine Korrosion. Die Faserverbünde bedeuten für Dynamik, Kraft-Leistungsdichte, Geschwindigkeit und das Gesamtgewicht von hydraulischen Antrieben und anderen Anwendungen einen großen Schritt nach vorn.
Drücke bis 700 bar und höher
Auf dieser Grundlage produziert das Unternehmen nun Hydraulik-Zylinder in Kleinstückzahlen, mit Kolbenstangen und Zylinderrohren aus H-CFK. Sie reduzieren im mobilen und stationären Leichtbau das Gewicht um bis zu 80 Prozent und erlauben korrosionsfreie oder amagnetische Konstruktionen. Damit lassen sich in Fahrzeugen, mobilen und stationären Anwendungen, im Offshore- und Offroad-Bereich vielfältige neue Konstruktionen verwirklichen.
Die Zylinderrohre aus dem neuen Werkstoff erlauben den Einsatz von Drücken bis 700 bar und höher, denen bisher nur äußerst aufwendige und schwere Spezialkonstruktionen standhielten. Hydraulik-Zylinder mit den neuen Kolbenstangen bieten sich an, wenn bei gleicher Leistung Energie eingespart werden soll oder wenn in hochdynamischen Anwendungsfällen höhere Beschleunigungen erzielt werden müssen.
Je nach Einsatzfall lassen sich die Antriebsleistung deutlich reduzieren sowie die Hydraulik-Komponenten bei gleicher Leistungsfähigkeit deutlich verkleinern. Die offizielle Markteinführung der Kolbenstangen und Zylinder findet auf der Hannover Messe statt (Halle 23, Stand C03). do
Autor: Jörg Beyer, für Herbert Hänchen
Technik im Detail
Deutlich kleinere Komponenten
Durch Hydraulik-Zylinder mit den neuen Kolbenstangen lassen sich die Komponenten bei gleicher Leistungsfähigkeit verkleinern, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein Zylinder soll eine Oszillation ausführen. In der Anforderung sind Prüflingsmassen zwischen zwei Kilogramm und fünf Kilogramm bei einer Frequenz bei 100 Herz in einer Sinusbewegung zu oszillieren. Hierzu wird ein Zylinder mit einer Stahl-Kolbenstange von 40 Millimeter, einem Kolben von 50 Millimeter und ein Gesamthub von 200 Millimeter ausgewählt. Gemäß der hydraulischen Auslegung ist hierfür ein Durchfluss von 59 bis knapp 100 Liter pro Minute erforderlich. Das entspricht bei einem Betriebsdruck von 210 bar einer Antriebsleistung von etwa 21 bis 35 Kilowatt.
Für die gleiche Bewegung genügt mit einer leichteren Kolbenstange aus H-CFK ein Kolben mit 46 Millimeter bei einer Kolbenstange mit 40 Millimeter. Die erforderliche Antriebsleistung reduziert sich somit auf knapp zwölf bis 18 Kilowatt bei einem Durchfluss von nur 34 bis 51 Liter pro Minute. Neben der Halbierung der Antriebsleistung können kleinere, umweltfreundliche Hydraulikkomponenten wie zum Beispiel Pumpen und Ventile eingesetzt werden.