Betrachtet man die Geschichte des Panamakanals, ist es eigentlich erstaunlich, dass die Verantwortlichen überhaupt den Mut aufgebracht haben, die Erweiterung des Kanals anzugehen. Denn der Bau der ursprünglichen Wasserstraße war nicht nur finanziell und politisch ein Abenteuer, es starben auch etwa 28.000 Menschen dabei.
Doch der Kanal ist ein Wirtschaftsfaktor: Die Transitgebühren sind eine wichtige Einnahmequelle für Panama. Eine Erweiterung war deshalb dringend nötig. Denn weniger als 40 Prozent aller Schiffe der Welthandelsflotte konnten die Abkürzung noch nutzen, für die anderen war die Passage zu eng und zu flach.
Schiffe mit einer Kapazität bis 5000 Standardcontainer (englisch: Twenty-foot Equivalent Unit, TEU) können bislang passieren, nach heutigen Maßstäben ist dies eine recht moderate Zahl. Bald soll der Kanal nun auch für größere Gefährte passierbar werden.
Die Verbindung vom Atlantik zum Pazifik führt zunächst über Schleusenanlagen zum 26 Meter höher liegenden Gatúnsee, dann über den Rio Charges und den Culebra Cut. Danach geht es über mehrere Schleusen wieder hinab bis zum Pazifik.
Eigene Fahrbahn für Schwergewichte
Bei der Erweiterung ließ die Verwaltungsbehörde ACP (spanisch: Autoridad del Canal de Panamá) auf der atlantischen und der pazifischen Seite neue Anlagen bauen und die bestehenden Fahrrinnen ausbaggern.
So entstand eine dritte Fahrspur, durch die ab 2016 Frachter mit bis zu 366 Meter Länge und bis zu 49 Meter Breite passieren sollen. Dies entspricht etwa einer Kapazität von 12.000 bis 14.000 TEU. Problemzonen wie den Miraflores-See auf der Pazifikseite umgehen die Betreiber mit einem eigenen Zufahrtskanal.
Um die Wasserversorgung des Kanals zu verbessern, ließ ACP außerdem den Wasserpegel des Gatúnsees erhöhen. Dieses künstliche Gewässer entstand beim Bau des Kanals aus dem aufgestauten Rio Charges. Die zuständige Behörde in Panama erwartet durch den Ausbau eine Verdoppelung der Kapazität.
Streit über Zusatzkosten
2007 begannen die Arbeiten an dem Kanal. Planmäßig sollte das Projekt zum 100-jährigen Jubiläum 2014 fertig werden. Offiziellen Angaben zufolge sind allerdings aktuell erst 93 Prozent der Arbeiten vollbracht (Stand 12. August 2015).
Ein Grund für die Verspätung waren Streitigkeiten mit dem spanisch-italienischen Firmenkonsortium Grupo Unidos por el Canal (GUPC), das den Bau der Schleusenanlage übernommen hat. Dabei ging es um Verzögerungen und unerwartet aufgetretene Kosten, zum Beispiel bei der Betonherstellung.
Die Auseinandersetzung gipfelte Anfang 2014 in einem einmonatigen Baustopp. Eine Schiedskommission legte später fest, dass ACP 234 Millionen Dollar zahlen und die Vertragslaufzeit um sechs Monate verlängern muss. Neben den Querelen zwischen den Vertragspartnern erschwerten Streiks der Arbeiter das Projekt.
Zur Arbeitsniederlegung rief die Bauarbeitergewerkschaft Suntracs zum Bespiel im Mai 2014 auf. Auch im August 2015 schrammte die GUPC nur knapp an einem Streik vorbei.
Kein Wunder also, dass sich die Fertigstellung der Arbeiten etwas verschoben hat. Der wichtigste Teil des Projektes waren die neuen Schleusen. Für die Entwicklung und den Bau dieser Anlagen hatte ACP ein Budget von 3,2 Milliarden US-Dollar vorgesehen.
Die Schleusentore wurden in Italien hergestellt und per Schiff nach Panama geschafft. 2300 bis 4200 Tonnen wiegt jedes der Ungetüme. Schwertransporter brachten sie zu ihrer jeweiligen Kammer. Die Unternehmen verwendeten dann einen speziellen Rahmen, um die Tore auf den vier Stützen im Kammerbeton zu platzieren.
Am 11. Juni 2015 meldete die Verwaltungsbehörde, die Flutung der Schleusenkammern habe jetzt begonnen. Zunächst war die Atlantikseite dran, danach die Pazifikseite. Gigantische Wassermassen sind nötig, entsprechend lange dauert der Vorgang: Das Fluten einer Kammer braucht je vier bis zehn Tage. Inklusive der anschließenden Tests dauert das Fluten einer Sektion etwa 90 Tage.
Technik im Detail
Ausgleichsbecken dämmen Wasserverbrauch ein
Um den Wasserverbrauch des Kanals einzudämmen, sind an jede der neuen Schleusenkammern je drei Frischwasserbecken angeschlossen. Anders als bei der bisherigen Technik fließt das Wasser nach dem Schleusenvorgang nicht ins Meer, sondern in die Becken zurück. Bei einem vom Atlantik kommenden Schiff ist der Ablauf folgendermaßen: Schlepper bringen das Schiff im ersten Schritt in die untere Schleusenkammer. Das äußere Schleusentor schließt sich, Wasser aus den zugehörigen drei Becken fließt in die Kammer.
Parallel wird der Wasserstand der mittleren Schleusenkammer auf das Niveau der unteren abgesenkt. Dann öffnen sich die Tore, und Schlepper bringen das Schiff in die mittlere Schleusenkammer. Sind die Tore geschlossen, wiederholt sich der Vorgang: Wasser aus der oberen Kammer und aus den Wasserbecken fließt so lange in die mittlere Kammer, bis der Pegel beider Schleusenkammern gleich ist. Die Tore öffnen sich, das Schiff wird in die obere Kammer geschleppt.
Sind die Kammern wieder geschlossen, entleeren sich die dazugehörigen Wassersparbecken. Zusätzlich wird Wasser aus dem Gatúnsee zugeführt. Ist die Ausfahrtshöhe erreicht, öffnen sich die äußeren Schleusentore und das Schiff setzt seine Reise Richtung Pazifik über den Gatúnsee fort. Im Westen geht es dann wieder „bergab“, bis das Schiff wieder auf Höhe des Meeresspiegels angekommen ist.
Zu klein für die Giganten der Weltmeere
30 Meter hohe Schleusentore, Kammermaße von 427 Meter mal 55 Meter – das klingt imposant, aber ist es ausreichend? Die Reedereien geben immer gigantischere Schiffe in Auftrag, um noch mehr Container transportieren zu können und so die Frachtkosten zu senken. Im August 2015 wurde im Hamburger Hafen beispielsweise die MSC Zoe getauft; gemessen an der Kapazität ist sie aktuell das größte Containerschiff auf dem Meer.
19.224 TEU haben auf dem 395 Meter langen und 59 Meter breiten Schiff Platz. Damit ist klar: Die Abkürzung über den Panamakanal kann der Riese nicht nehmen. Und dieses Schiff ist keine Ausnahme, wie die Jahrespressekonferenz des Hamburger Hafens zeigte. Verkündet wurde für 2014 ein Anstieg von 112 Prozent bei den Schiffen mit mehr als 13.300 TEU.
Konkurrenz in Nicaragua
Nicht nur aus diesem Grund planen chinesische Investoren derweil einen Konkurrenten in Nicaragua, der noch größer als der renovierte Panamakanal werden soll. Am 22. Dezember 2015 begann offiziell der Bau der Wasserstraße, den die HKND-Gruppe nach eigenen Angaben innerhalb von fünf Jahren abschließen will. Das Vorhaben wird allerdings von Protesten der Bevölkerung überschattet, außerdem kritisieren Umweltschützer die Bedrohung heimischer Arten und eine mögliche Versalzung des Lake Nicaragua, der das Schleusensystem versorgen soll, gleichzeitig aber als Trinkwasserreservoir dient.
Wasserverbrauch ist jedoch auch beim Panamakanal ein Thema. Bislang waren für jeden Schleusengang rund 208 Millionen Liter Frischwasser nötig – und die neuen Schleusen sind noch wesentlich größer als die alten. Ein System aus Wasserbecken soll Abhilfe schaffen: Anders als bei der bisherigen Technik fließt das Wasser nach dem Schleusenvorgang nicht ins Meer, sondern in jene Becken zurück. Die neuen Schleusen brauchen daher trotz der größeren Maße rund sieben Prozent weniger Wasser pro Schleusung als die alten Anlagen. Das notwendige Frischwasser kommt aus dem künstlich angelegten Gatúnsee.
Hydraulik bewegt tonnenschwere Konstruktion
Die Verschlüsse für die Wasserbecken, die Umlaufverschlüsse zur Befüllung der Schleusenkammern mit Wasser aus dem Gatúnsee oder aus den angrenzenden Kammern sowie die Ausgleichstore zwischen den Schleusenkammern lieferte der südkoreanische Hersteller Hyundai Samho Heavy Industries.
Zentrales Element der Verschlüsse bilden Rollschütze. Diese tonnenschweren, senkrecht stehenden Stahlkonstruktionen regulieren den Wasserstrom, indem sie auf oder ab fahren, um Wasser zu stauen oder weiterzuleiten.
Rexroth stattete die insgesamt 158 Rollschütze mit Antrieben und der nötigen Steuerungstechnik aus. Damit der bisherige Engpass durch technische Ausfälle nicht erneut zum Flaschenhals wird, sind alle wichtigen Anlagen redundant ausgeführt.
Jedes Rollschütz ist mit einem Antriebszylinder und einem zugehörigen Aggregat ausgestattet. Das Aggregat wiederum besteht aus zwei Motorpumpeneinheiten, einem Hydrauliktank, der Filteranlage und Ventiltechnik, zugehöriger Verrohrung und der ebenfalls redundant ausgeführten SPS-Steuerungstechnik.
Autorin: Dagmar Oberdorfer, Redakteurin für Fluidtechnik, Antriebstechnik, Mobile Maschinen und Schiffbau.
Die ersten 100 Jahre
Der hohe Preis des Kanals
Den Traum von einer Abkürzung durch den amerikanischen Kontinent gibt es seit dem 16. Jahrhundert. Als erste versuchten sich die Franzosen am Bau. Geplant war damals ein schleusenloser Kanal. Das Projekt sollte jedoch nicht nur deutlich teurer werden als geplant, sondern sich auch als gefährlich erweisen: Malaria und Gelbfieber plagten die Arbeiter. Die Finanzierungsgesellschaft versuchte, ihren Konkurs mit allen Mitteln abzuwenden; so endete das Projekt schließlich unvollendet in einem gewaltigen Bestechungsskandal.
22.000 Menschen starben währen dieser ersten Bauphase. Den zweiten Anlauf unternahmen die USA. Dazu zettelten sie 1903 kurzerhand eine Revolution an, die in einem unabhängigen Staat Panama mündete. Wenig später konnten die Arbeiten beginnen. 1914 durchfuhren schließlich die ersten Schiffe den Kanal in seiner vollen Länge. Viele Jahre blieb die Wasserstraße unter der Kontrolle der USA. Erst Ende 1999 ging das Bauwerk vollständig in die Hand Panamas über. Die Wasserstraße ist heute eine wichtige Einnahmequelle des Landes.
Die Gebühren für eine Fahrt hängen von verschiedenen Faktoren ab. Bei größeren Schiffen staffelt sich der Preis vor allem nach Ladung beziehungsweise Passagieren. 2016 ist für die großen und sehr großen Frachter beispielsweise eine Gebühr von 30 bis 60 Euro pro TEU vorgesehen.
Trotz dieser Kosten nutzen viele Schiffe die Abkürzung, denn die Betreiber sparen sich damit den langen Weg um die Südspitze des amerikanischen Kontinents, den anderen Seeweg von den Industriezentren an der Westküste der USA zu denen der Ostküste. 13.482 Schiffe durchquerten den Kanal im Jahr 2014. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren war dies ein zwar Rückgang, die Einnahmen sind aufgrund größerer Tonnagen aber um 3,3 Prozent gestiegen.