neue Greifer Anlauf

Die neuen Greifer sind rund 70 Prozent leichter als die vorher verwendeten Modelle. (Bild: SSI Schäfer)

Störungen von IT-Systemen, menschliches Versagen, … die Liste möglicher Gründe für einen Produktionsausfall ist lang. Relevanter als Katastrophen-Szenarien – wenn auch weniger aufregend – sind im operativen Alltag die Fallstricke der produktionsinhärenten Prozesse. So war es auch bei SSI Schäfer: Bei der Herstellung von Lager-, Kommissionier- und Transportbehältern nutzte das Unternehmen über viele Jahre ein universell einsetzbares Greifsystem aus Aluminium. Diese „Metallhände“ bestanden aus Aluminiumprofilen mit Aufnahmen für Saugnäpfe. Justiert wurde der Mechanismus über Inbusschrauben – und zwar immer wieder neu, je nach gefertigter Behälterart.

„Letztlich ist so ein Design immer ein Kompromiss.“

Torsten Kosiahn, Werkzeugbau-Leiter, SSI Schäfer

Manuelles Justieren als Kostenfaktor

Entscheidend ist beim Justieren die Präzision: Die Saugnäpfe müssen exakt an der richtigen Position sein, damit die Behälter reibungslos und schnell im Produktionszyklus aus der Spritzgussmaschine entnommen werden. Geschieht das nicht, droht ein Verkanten des Behälters, was wiederum einen Produktionsstopp verursachen kann.

Doch selbst, wenn man diesen ungünstigen Ablauf außer Acht lässt, stellt diese Umrüstung einen nicht unerheblichen, wiederkehrenden Aufwand dar: „Wir müssen wegen unseres großen Produktportfolios etwa drei Mal pro Tag eine unserer vielen Spritzgussmaschinen umrüsten,“ erklärt Michael Zander, Leiter der Produktion Kunststoff am Standort Neunkirchen/Siegerland. Etwa zehn Minuten wurden bisher nur für diese Umrüstungen benötigt, mit den entsprechend verlorenen Umsätzen durch Maschinen- und Produktionsstillstand.

Mit Blick auf diese Tatsache ist es leicht nachvollziehbar, dass das Unternehmen den Prozess verbessern wollte, einerseits um das Risiko eines Produktionsausfalls zu reduzieren und andererseits um die Rüst- und damit Stillstandszeiten der Spritzgussmaschinen grundsätzlich zu reduzieren.

Pneumatikgreifer aus dem 3D-Drucker

Um Verbesserungspotenzial zu identifizieren, forderte das Unternehmen die Unterstützung von EOS Additive Minds an, der technischen Beratungseinheit des 3D-Druck-Spezialisten EOS. Das Team von SSI Schäfer baute mithilfe der Berater in kurzer Zeit Wissen auf und setze als Ziel, dass der fehleranfällige Aluminiumgreifer durch mehrere, individuell auf die jeweiligen Behältergrößen und -formen abgestimmte Spezialgreifer ersetzt werden sollte. Diese sollten haltbar, schnell auszuwechseln und optimal auf die jeweilige Anforderung abgestimmt sein.

Die Grundidee ähnelt damit der des Sports: Ein Zehnkämpfer ist sicher ein beeindruckender Sportler, doch die Experten in den Einzeldisziplinen sind ihm in aller Regel spürbar überlegen. Diesem Konzept folgend machten sich Mitarbeiter beider Unternehmen an das Projekt.

Greifer für additive Fertigung konstruieren

3D-Drucker EOS P 396,
Die Komponenten wurden auf einem 3D-Drucker vom Typ EOS P 396 gefertigt. (Bild: EOS)

Die Konstruktion der passenden Greifer war dabei insofern relativ einfach, da alle Daten zu den Behältern Inhouse verfügbar waren. Dabei galt es auch, alte Design-Pfade zu verlassen und die besonderen Möglichkeiten 3D-gedruckter Strukturen auszunutzen: Die Integration der Luftkanäle im Greifer, die wiederum Basis für den pneumatischen Greifmechanismus zur Entnahme der Behälter sind, ist eine der Spezialitäten der additiven Fertigung. Weiterhin galt es, die Bauteile so zu konstruieren, dass Stabilität und Funktion durch die kompakte Baugröße und das niedrige Eigengewicht des Greifers miteinander harmonieren. „Letztlich ist so ein Design immer ein Kompromiss“, erläutert Werkzeugbau-Leiter Torsten Kosiahn.

Das hier ausgewählte Material PA 2200 hat sich dank seines ausgeglichenen Eigenschaftsprofils in tausenden von Anwendungen bewährt: Es ist fest, steif, chemikalienbeständig und langlebig. Darüber hinaus ermöglicht es eine hohe Detailtreue samt umfassender Möglichkeiten zur Nachbearbeitung. Dadurch eignet es sich sehr gut für Funktionsteile und bewegliche Verbindungen. Produziert wurden die Greifer im 3D-Drucker EOS P 396.

Umrüstzeiten reduziert

SSI Greifer,
Die Greifer sind aus PA 2200 gefertigt, das sich gut nachbearbeiten lässt. (Bild: SSI Schäfer)

Auf diese Weise konstruierte und baute der Hersteller innerhalb von wenigen Tagen eine Vielzahl von Greifern. Mit ihnen reduzierten sich die Umrüstzeiten stark: Wo früher fummelige Feinarbeit erforderlich war, reichen nun ein paar Klicks – und der auf den jeweiligen Euro-Behälter abgestimmte Greifer sitzt. Das macht sich auch in Zahlen bemerkbar: So konnten die Rüstzeiten um 80 Prozent reduziert werden. Circa 120 Stunden Produktionszeit pro Jahr gewinnt das Unternehmen auf diese Weise.

Wichtig ist auch, dass das Risiko einer Fehlbedienung, das bei der händischen Feinabstimmung der alten Greifer immer ein Thema gewesen wäre, eliminiert wurde. Ein längerer Ausfall aus diesem Grund mit entsprechenden Folgeaufwendungen ist durch das Re-Design nun so gut wie ausgeschlossen: Die Saugnäpfe sitzen jetzt zuverlässig immer an der richtigen Stelle.

Zudem sind die neuen Greifer dank ihres Materials deutlich leichter als die alten Greifer: Die Gewichtsersparnis von mehr als 70 Prozent und die gesteigerte Bedienerfreundlichkeit findet natürlich auch Anklang beim Personal, das die Umrüstungen vornimmt. Damit hat das Unternehmen seine Ziele erreicht: mehr Zuverlässigkeit, geringere Kosten und Gewichtsersparnis und somit eine Zunahme der Produktivität.

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