„Verkehrt ein Schiff im Liniendienst, benötigt sein Antriebssystem im Durchschnitt alle vier Jahre eine gründliche Überholung“, erklärt Rudolf Schroll, der mit Gerus Apparatebau zu einem wichtigen Lieferanten für die maritime Instandhaltung geworden ist.
Der vor den Toren Augsburgs gelegene mittelständische Betrieb versorgt Wartungsspezialisten auf der ganzen Welt mit Handling- und Montagehilfen, mit Testvorrichtungen und vor allem auch mit pneumatischen Honmaschinen. „Die Schiffsmotoren sind zum Teil haushoch. Sie müssen spätestens nach 30.000 bis 40.000 Betriebsstunden einer Oberflächenfeinbearbeitung unterzogen werden, weil die Zylinderlaufbuchsen nach dieser Zeitspanne glattgelaufen sind“, schildert Diplom-Ingenieur Schroll.
Öltaschen reduzieren Reibung
Durch das Nachhonen der Zylinderbuchsen aus speziellem Gusswerkstoff werde die Oberfläche wieder kontrolliert aufgeraut, so dass sich definierte „Öltaschen“ für die Schmierung in der Lauffläche bilden. „So können die Kolben reibungsarm und geschmeidig ihre Hubarbeit im Zylinder ausführen“, veranschaulicht der Fachmann. Das wirke der Trockenlaufgefahr des Dieselmotors zuverlässig entgegen, steigere seine Lebensdauer erheblich und vermeide teure Anlagenschäden. Dabei könnten die Schiffseigner frei wählen, ob sie die Buchsen ausbauen und auf einer stationären Honmaschine bearbeiten lassen oder ob ein flexibles Hongerät auf den Schiffsmotor aufgesetzt wird, welches die Zylinderbuchsen in situ hont.
Druckluftantrieb für Dieselgiganten
Die schweren Buchsen haben Innendurchmesser bis zu 600 Millimeter. Ein Ausbau ist daher ausgesprochen aufwendig. „Deswegen setzt sich das mobile Honen immer mehr durch“, weiß Schroll. „Der Zeitaufwand ist einfach geringer – so kann das Schiff schneller wieder auf Fahrt gehen und Geld verdienen.“
Für die Anwendung der Honmaschinen sei es gleichgültig, ob die Zylinder in einem Reihenmotor oder in V-Anordnung stehen. Die zerlegbare Anlage wird über dem Dieselmotor aufgestellt. Dann erstellen drei Honsteine das gewünschte Oberflächenbild in der Zylinderwand durch steigende und/oder fallende Drehbewegungen. Die Honsteine sind mit Führungsarmen an einem rotierenden Honkopf befestigt. Angetrieben wird der Honkopf von Druckluftmotoren des Typs LZB 77 von Atlas Copco Tools. „Die benötigen nur sehr wenig Platz und sind durchzugstark“, begründet Rudolf Schroll. „Dadurch lassen sich unsere Apparate einfach handhaben und erzielen hervorragende Honergebnisse.“
Die 2,8 Kilowatt hohe Abgabeleistung des Atlas-Copco-Motors trägt ebenso zu dem perfekten Honbild bei wie seine simple Regelbarkeit. Und das Drehzahlfenster lässt sich stufenlos zwischen 60 und 170 Umdrehungen pro Minute (min-1) einstellen. „Dadurch können wir mit einem einzigen Motortypen alle Zylinderdurchmesser an Viertakt-Dieselmaschinen innen bearbeiten“, lobt der mehrfache Patentinhaber. Die geringen Außenabmessungen des Motors machen ihn vielseitig einsatzfähig und gut bedienbar.
Luft geht immer und überall
Der pneumatische Antrieb der Honapparaturen hat gegenüber elektrischen Motoren besonders auf Schiffen einen weiteren Vorteil: „An Land und auf Schiffen sind die unterschiedlichsten Stromnetze vorhanden. Deshalb wären bei Elektromotoren immer Anpassungen notwendig.“ Dieser Aufwand würde die Systeme unnötig teurer machen. So sind zum Beispiel in Europa Standardnetzspannungen von 230 Volt (V) üblich, in den USA dagegen 110 V. „Aber die physikalischen Eigenschaften der Druckluft sind überall auf der Welt identisch, und deshalb ist ein robuster Pressluftmotor wie der LZB 77 die beste Wahl. Jedes Schiff verfügt über einen Bordkompressor und sein eigenes Druckluftnetz, was läge da näher als diese Antriebsart.“
Explosionsschutz serienmäßig
Als weitere wichtige Eigenschaft streicht der bayerisch-schwäbische Konstrukteur die Ex-Schutz-Zertifizierung des LZB-77-Motors gemäß der strengen Spezifikation II 2GD c T6 IIC T85°C heraus. „Diese Ex-Zulassung erlaubt die Verwendung unserer Honmaschinen sogar in explosionsgefährdeten Räumen.“ Das sei mit konventionellen Elektromotoren nur bedingt möglich und erfordere eine entsprechend aufwendige Kapselung. „Ein Druckluftmotor bietet da einfach mehr Flexibilität“, meint Rudolf Schroll.
Und er nennt noch einen ganz anderen Vorteil: Die Instandhaltungs-Crews in den weltweiten Häfen setzten sich aus hervorragenden Handwerkern zusammen, aber Elektrofachkräfte unter ihnen seien oft rar. Schon deshalb sei die drucklufttypisch leichte Bedienbarkeit ohne Steuerkabel und komplizierte Regelungstechnik ein klares Argument für pneumatische Antriebe, findet Schroll. „Mit deren Handhabung ist das Personal in kürzester Zeit vertraut und kann seine Aufgaben schnell und zuverlässig lösen.“