Mehrere Hektar Rübenacker in Franken: Ein kleines, unbemanntes Wägelchen zuckelt über eines der Felder, zischend versengt ein Laserstrahl den zwischen den Zuckerrüben hervorspitzenden Löwenzahn. Werden hackende, spritzende, sengende oder säende Roboter auf deutschen Gemüseäckern bald öfter zu sehen sein? Laut Tobias Rapp in jedem Falle. Rapp ist Produktmanager Zukunftstechnologien bei der Baywa und beobachtet eine steigende Nachfrage nicht zuletzt durch Reiserestriktionen im Rahmen der Corona-Pandemie. „Letztes Jahr hatten die Landwirte Probleme, Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa auf ihre Höfe zu bekommen“, berichtet Rapp.
Marcus Specks von Hawe Hydraulik sieht dies ähnlich: „Tatsächlich sind autarke Fahrzeuge in der Landtechnik schon eher abzusehen als zum Beispiel im Straßenbau“ berichtet der Key Market Manager. Deswegen hat Hawe den ‚Rovo‘ entwickelt. „Rovo ist ein elektrisch betriebenes Fahrgestell, auf das der Kunde ferngesteuerte oder voll autonome Aufbauten, wie etwa eine Feldspritze, aufsetzten kann“, so Specks.
„Man muss schon etwas Pioniergeist mitbringen.“
Tobias Rapp, Produktmanager Zukunftstechnologien, Baywa
Einer der ersten Anwender im Agrarbereich ist ein Weinbauer. Mit dem System spritzt er das Pflanzenschutzmittel gezielt und fahrerlos unter die Blätter. Das spart Chemikalien, Arbeitsstunden und schont die Umwelt. Und die steht derzeit auf der politischen Agenda weit oben.
„Wenige Bereiche der Landtechnik sehen sich mit einem so hohen Innovationsdruck konfrontiert wie die Pflanzenschutztechnik“, heißt es seitens der Veranstalter der Agritechnica 2022. Das Motto der Veranstaltung lautet daher ‚Green Efficiency inspired by solutions‘. Die Landtechnik-Messe findet vom 27. Februar bis 5. März 2022 als hybride Veranstaltung in Hannover statt. Gezeigt wird, wie die Landwirtschaft Lebensmittel, Futtermittel, Rohstoffe und Energie ökoeffizient erzeugen kann. Zum Beispiel durch elektrisch betriebene Feldroboter.
„Das Interesse ist groß. Allerdings muss man schon etwas Pioniergeist mitbringen“, schildert Rapp. Zuckerrüben, Salat, Zwiebeln und weitere Sonderkulturen sind Schwerpunkte des Einsatzes der säenden und hackenden Roboter. Noch zögern viele landwirtschaftlichen Betriebe. „Aufgrund der sehr jungen Technologie und geringen Verbreitung der Roboter sind viele Landwirte momentan noch sehr zurückhaltend hinsichtlich einer Investition,“ erklärt Rapp. Doch mit steigendem Mindestlohn und immer strengeren Vorgaben in Bezug auf den Einsatz von Schutzmitteln, gewinnt die Technik an Attraktivität. „Gerade beim Anbau von hochwertigen Kulturen oder im Biolandbau, überall dort wo viel Handarbeit nötig ist, lohnt es sich schon heute“, bilanziert der Produktmanager. Die elektrischen Feldroboter Dino und Oz von Naïo Technologies, welche die Baywa vertreibt, hat er schon in vielen landwirtschaftlichen Betrieben vorgeführt.
Doch nicht nur Roboter sorgen in der Land- und Forstwirtschaft dafür, dass die Erträge steigen, während der Einsatz von Energie, Arbeitskraft und Chemie sinkt. Die Bandbreite an technischen Ideen und Neuerungen ist enorm, weiß Christoph Goetz, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Fachverbandes Landtechnik innerhalb des VDMA: „Die Branche boomt. Aus weniger Fläche muss immer mehr herausgeholt werden. Das kann die Landtechnik, da sie stark innovationsgetrieben ist.“ So nutzen Landwirtinnen und Landwirte beispielsweise schon länger GPS, um den Boden effizienter und genauer zu bearbeiten. Dank Sensorik und intelligenter Bildverarbeitung können Pflanzen heute in Einzelbehandlung gedüngt, gegossen und gespritzt werden. Der Landmaschinenhersteller John Deere bietet unter dem Schlagwort See & Spray dafür Technologien an. In dem EU-finanzierten Projekt ‚Clever Robots for Crops‘ forschen Hersteller an miteinander kooperierenden Roboter-Schwärmen. Im ökologischen Landbau wertet eine Drohne den Schädlingsbefall aus und wirft Wespeneier zur zielgenauen Bekämpfung der Schädlinge ab.
„Die Landtechnik ist eine kreative und ideenreiche Branche, in deren ureigensten Interesse es liegt, den Boden, der von Generation zu Generation weitergegeben wird, zu erhalten“, so Goetz. In Bezug auf den Kraftstoffverbrauch gelingt das schon sehr gut. So könne man heute laut Goetz mit nur einem Liter Diesel 16.000 Brötchen erzeugen. „Betrachtet man die Emissionen in Relation zum Ertrag, so sind in den letzten 20 Jahren die Kraftstoff Verbräuche um 35 Prozent gesunken“, sagt der VDMA-Mann.
In Bezug auf die Erosion der Böden allerdings mangelt es an wirkungsvollen Maßnahmen oder Einsichten. So gehen der deutschen Landwirtschaft laut WWF jährlich 120 Mio Tonnen fruchtbarer Boden verloren. Verantwortlich dafür sind die Bewirtschaftung von Hängen in Gefällerichtung, falsche Bestellweisen und Bodenverdichtungen durch den Einsatz schwerer Maschinen. „Die Ackerböden werden zu stark genutzt und können den intensiven Raubbau nicht mehr ewig verkraften“, kritisiert Birgit Wilhelm, WWF-Landwirtschaftsreferentin.
Technologietrends im Bereich Forsttechnik ähneln denen der Landtechnik, doch verläuft dort die Entwicklung weniger dynamisch. „In der Forsttechnik herrscht nicht derselbe Druck, etwas zu verändern“, berichtet Marcus Specks. Dort lautet das Credo nach wie vor: Performance, Performance, Performance. Gefordert sind robuste Lösungen, die eine hohe Umschlagleistung bringen. „Hydraulikaggregate für Harvesterköpfe, die große Bäume möglichst schnell und präzise absägen. Oder Ventilsteuerungen für Holzladekrane, die sich komfortabel steuern lassen und eine möglichst hohe Arbeitsgeschwindigkeit liefern“, zählt der Marktspezialist Specks Anwendungsbeispiele auf, für die Hawe Lösungen im Portfolio hat.
Vernetzte und intelligente Messtechnik
Moderne Hydraulik-Steuerungen für Forwarder, Skidder, Ladekrane oder Harvester sind nicht nur robust und leistungsstark. Die Hightech-Aggregate einiger Hersteller sind heute so gut vernetzt und mit intelligenter Messtechnik ausgestattet, dass sie den Baum nicht nur fällen, einschneiden und entasten, sondern vermessen, bewerten, farblich markieren und sogar dessen Verjüngung nach oben berechnen.
Die Hydraulikventile von Hawe werden mit eigener Intelligenz und Can-Bus-Schnittstelle ausgestattet. „Was im Automobilbereich schon seit vielen Jahren Standard ist, setzt sich in der Land- und Forsttechnik nun auch durch“, berichtet Specks. Die Vorteile des Can-Busses überwiegen, ohne die Robustheit der Hydraulik leiden zu lassen. Präzisere Ansteuerungen verbunden mit ‚linearisierter‘ Hydraulik, sei die Basis für moderne Assistenzsysteme, betont er. Auch die Cloud-Anbindung der Komponenten ist über die elektrische Schnittstelle einfacher und erleichtert das Predictive Maintenance.
Um die geforderten Leistungen auch ohne Diesel zu bringen, setzt der VDMA auf alternative Kraftstoffe. „Wir erleben im politischen Diskurs derzeit eine spürbare Verengung auf den batterieelektrischen Antrieb“, sagt Christoph Götz vom Branchenverband VDMA. Das Industrienetzwerk setzt auf Technologieoffenheit in der Antriebstechnik. Dort, wo der klassische Dieselantrieb auch in naher Zukunft alternativlos sei, müsse er jedoch auch weiterhin einsatzfähig sein. In der Landtechnik werde der Verbrennungsmotor allein aufgrund großer Fahrzeugbestände nicht so schnell abgelöst werden. „Wir sprechen uns daher für den Einsatz von E-Fuels im Energiemix aus. Dazu gehören synthetische Kraftstoffe, biogene Kraftstoffe, aber auch batterieelektrische Lösungen sowie Gas und Wasserstoff“, resümiert der Verbandssprecher.
Trotz allgegenwärtigem Elektrifizierungstrend bleibt die Hydraulik ein fester Bestandteil der Maschinen. „Die Hydraulikkomponenten sind robust und stark. Anderen Technologien sind sie dadurch meilenweit überlegen“, stellt Specks fest. Doch angetrieben werden die Maschinen der Land- und Forsttechnik immer häufiger von mehreren Antrieben. „Der zentrale Diesel fällt weg und wird ersetzt von mehreren kleineren dezentralen Einheiten,“ beobachtet er. In Folge können Hydraulikaggregate wie Pumpen, Ventile, Kupplungen ihrer Aufgabe entsprechend kleiner dimensioniert werden. Das geht hin bis zu Mini-Hydraulik im Coladosen-Format: „Mit unserem Minihydraulikaggregat HR haben wir eine 1-kW-Pumpe entwickelt, die wir inklusive Schlauch und Zylinder als fertige Einheit an unsere Kunden liefern“, er.
„Der zentrale Diesel fällt weg.“
Marcus Specks, Key Market Manager, Hawe Hydraulik
„Wir sehen die Elektrifizierung immer als Ergänzung zum Diesel“, meint der VDMA-Referent. Eines der seiner Meinung nach spannendsten Forschungsprojekte der Branche läuft unter dem Namen ‚Mehr Ertrag, weniger CO2‘. „Es wird zum Beispiel die kombinierte Bearbeitung betrachtet, also eine Maschine, die das Saatbett bereitet und das Korn hineingibt. Oder die punktgenaue Ausbringung von Dünger oder Pflanzenschutzmittel, oder die Anpassung des Fahrweges der Landmaschine, so dass sie bei der Kehrtwende am Ende des Feldes keine Überlappungen entstehen“, zählt Goetz auf. Mit der empirisch-mathematischen Analyse dieser Stellschrauben beschäftig sich das genannte Forschungsprojekt. Oft sind es die kleinen Neuerungen, die in Summe einen großen Effekt haben.
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