Das inhabergeführte Unternehmen Treif (350 Mitarbeiter, fast 50 Millionen Euro Umsatz) ist Spezialist für Technik zum Schneiden von Lebensmitteln – vom Brot bis hin zum Fleisch. Die Bandbreite reicht von kleinen Handwerksmaschinen zum Schneiden von Fleischwürfeln oder Brotscheiben bis hin zu vollautomatisierten, roboterunterstützten Linien, die nahezu ohne Menschenhand automatisiert in Verpackungen einlegen.
Eine derartige bis zu 50 m lange Fertigungslinie portioniert und verpackt mehr als 1,5 t Fleisch pro Stunde. Man könnte nun vermuten, dass Treif aufgrund der strengen hygienischen Vorschriften der Lebensmittelbranche nur elektrische Antriebe einsetzt. Doch die Annahme ist falsch. Laut Michael Koschinski, Leiter der Anwendungstechnik und des Produktmanagements, spiele Hydraulik eine sehr wichtige Rolle.
Details erfuhr der fluid-Reporter beim Vorortbesuch bei dem hoch spezialisierten Hersteller von Maschinen, Anlagen und Systemen der Lebensmittelschneidtechnik, der alle relevanten Schneidtechniken beherrscht.
Die Ansprüche aus der Nahrungsmittel-Industrie an Maschinen und deren Komponenten sind hoch und betreffen nicht nur die Produktivität (Schneiden mit möglichst geringen Verlusten). „Es gibt spezielle hygienische Vorschriften“, ergänzt Markus Hüngsberg, Assistent der Geschäftsleitung mit Schwerpunkt Entwicklungssupport.
„So müssen wir zum Beispiel bei Schweißnähten spezielle Radien und Kantungen einhalten, damit keine Flüssigkeit beim Reinigen stehen bleibt. Außerdem müssen die Materialien, die in direkten Kontakt mit dem Nahrungsmittel kommen, lebensmittelunbedenklich sein.“ Daher kommen Edelstahl, spezielle Kunststoffe und Flüssigkeiten (wie Lebensmittel-Hydrauliköl) zum Einsatz, zu denen es Zertifikate gibt, die Kunden oft für ihre Audits anfordern.
Gesetzeskonform durch Präzision
Der Einsatz in der Lebensmittelbranche erfordert besondere Konstruktionen. „Alle Antriebe müssen gekapselt sein“, berichtet Hüngsberg. „Wir arbeiten sehr viel mit Trommelmotoren, die in sich geschlossen sind, bei denen nur noch die Zuleitung nach außen geführt wird. Außerdem verwenden wir keine offenen
Gewindegänge, in denen sich Schmutz festsetzen kann.“ Weil in den typischen Betrieben der Branche meistens Temperaturen von 2,0 bis 3,0°C herrschen, entstehen Kondensat- und Reinigungsflüssigkeiten, vor denen Mechanik und Elektronik geschützt werden müssen. Treif klimatisiert daher auch einige Maschinenkomponenten.
Weil Anlagen zum Verarbeiten von Lebensmitteln aufgrund der strengen Hygienebestimmungen mit Wasser und Chemikalien unter Hochdruck gereinigt werden, kommen außer dem rostfreien Edelstahl auch sehr effektive Abdichtungen zum Einsatz. Um die empfindliche Elektronik und Sensorik zu schützen, werden sie sehr aufwendig eingehaust. Sie entsprechen damit den hohen Anforderungen der Schutzart IP 69K.
Eine Herausforderung für Antriebe und Steuerung ist auch die geforderte hohe Präzision beim Schneiden. Deutsche Gesetze schreiben vor, dass das Gewicht etwa der einzelnen Koteletts oder
Schnitzel pro verarbeiteter Charge im Mittelwert dem Aufdruck auf der Verpackung entsprechen muss. Ohne gute Abschneidetechnik läuft nichts, denn ohne sie lassen sich die per ausgefuchster Messtechnik ermittelten Schnittwerte nicht einhalten.
Daher entwickelt und stellt Treif das Gros seiner Messer und Schneidemechanik auch in eigener Regie her. Hinzu kommen sehr ausgeklügelte Systeme, die das
Naturprodukt Fleisch greifen und halten. Eine sogenannte Vorwaage ermittelt im ersten Verarbeitungsschritt außer der Masse auch das spezifische Gewicht des großen Fleischstücks, das je nach Fleischart, Fett- und Wassergehalt sowie eventuellem Knochenanteil schwankt.
Zwischen 1000 und 1800 kg Fleisch pro Stunde
Diese Messergebnisse wandern in einen Computer, der von einem sehr aufwendigen Bildverarbeitungssystem mit vier Kameras und drei Lasern alle Konturdaten erhält. Das Schwierigste ist aber das genaue Erfassen der Anfangs- und Endstücke. Ein Schweinerückenstück ohne Knochen besitzt beispielsweise 2.274.855 Messpunkte. Anhand der Daten der Vorwaage und des Bildverarbeitungssystems errechnet der Computer in Echtzeit die Schnittdaten für Anlagen, die im Takt von Millisekunden Fleischscheiben zuschneiden. Leistungsfähige Anlagen zerlegen pro Stunde 1000 bis 1800 kg Fleisch.
Damit der gesetzlich vorgeschriebene Mittelwert eingehalten wird, steht am Ende der Schneidelinie eine Kontrollwaage. Sie meldet dem Rechner, wenn das System vom voreingestellten Mittelwert abweicht. Die Anlage korrigiert den Wert, in dem sie entweder über- oder untergewichtige Fleischstücke zuschneidet.
Nicht nur wegen der Präzision, sondern auch zum Vermeiden von Unfällen (beim Öffnen der Maschinentüren) sind die elektrischen Antriebe mit Wirbelstrombremsen bestückt, welche zum Beispiel bis zu 7,0 kg schwere, rotierende kreisförmige Messer innerhalb von 150 ms stoppen. Die Drehzahl beträgt je nach Schnittverfahren 400 bis über 1000 U/min.
„Wir setzen bei den Messern zum Teil auch Servomotoren und Frequenzumrichter ein, um über Rampen zu fahren“, erklärt Hüngsberg. „Die 150 ms stammen von der Vorschrift, dass der Motor innerhalb einer Messerumdrehung zum Stillstand kommen muss. Bei Stromausfall stoppen wir dann mit einer mechanischen Bremse.“
Bei der Hydraulik kommen externe und selbstentwickelte Komponenten zum Einsatz. Die Hydraulik dient nicht zum Messerantrieb, sondern zum Produktvorschub und für das seitliche Pressen. Obwohl nur sogenanntes Lebensmittel-Hydrauliköl zum Einsatz kommt, soll trotzdem kein Fluid in die Schneidkammer gelangen. Daher hat Treif einen patentierten, leckagefreien Hygienezylinder (Länge bis zu 1100 mm, Kolbendurchmesser maximal 50 mm, Betriebsdruck bis zu 180 bar) entwickelt und gebaut, der in der Maschine Twisan als Vorschubantrieb arbeitet.
Twisan schneidet bis zu 4,5 t gefrorenes und nicht gefrorenes Fleisch pro Stunde in Würfel. Viele Parameter der Antriebe und Sensorik lassen sich frei anwählen. Hüngsberg: „Wir mussten diesen leckagefreien Hygiene-Zylinder in eigener Regie entwickeln, weil es nichts entsprechendes auf dem Markt gab.“
Sonst kauft Treif Standardprodukte wie Öltanks oder Zylinder, um sie dann an die jeweilige Anwendung und Maschine anzupassen. Wegen der hohen erforderlichen Präzision arbeitet die Hydraulik meist in geschlossenen Regelsystemen mit der Steuerung und Sensorik zusammen. Sie werden dazu mit Wegmesssystemen bestückt. „Unsere Hydraulik arbeitet in der Regel mit Betriebsdrücken von 10 bis etwa 180 bar“, sagt Jürgen Adam, Teamleiter für die Entwicklung von Würfelschneidern.
Außer der Produktivität, der Präzision und der Arbeitssicherheit fragen die Kunden zunehmend auch nach energieeffizienten Maschinen und Antrieben. Hinsichtlich der Hydraulik entspricht Treif diesem Ökotrend mit seinem patentierten dynamischen Hydrauliksystem (DHS), welches das Nahrungsmittel immer nur mit der jeweiligen erforderlichen Presskraft andrückt.
Dazu eine Treif-Schrift: „Automatisch wird das Produkt nur mit so viel hydraulischem Druck auf die Schneidmatrix gefahren, wie für ein gutes Schneidergebnis benötigt wird (automatische Vorschub-Druckregulierung). So wird es geschont und gegenüber herkömmlichen Systemen Energie eingespart.“
„Wenn nur 30 % der Maximalleistung für den Vorschub nötig sind, arbeitet es auch nur mit 30 %“, meint der Geschäftsleitungsassistent. „Unsere Kunden sind auch bereit, für derartige energieeffiziente Maschinen mehr zu bezahlen.“ Hinzu kommt, dass das DHS die Haltbarkeit der Schneidgüter verlängert, weil sich die Wärmeentwicklung der Maschine verringert. Dadurch bilden sich weniger Bakterien.
Es ist schon erstaunlich, was der fluid-Reporter bei einer rein zufälligen Anwenderstory über selbstentwickelte Antriebstechnik erfährt. Diese Innovationen entstehen von Treif-Mitarbeitern, die das Unternehmen übrigens als „Ingenieure des Geschmacks“ bezeichnet. Sehr passend.
Autor: Nikolaus Fecht, freier Journalist