Oil and gas platform

Dichtsysteme, die in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt werden, müssen einiges aushalten. (Bild: currahee shutter – Fotolia)

Mit der MDA, der Motion, Drive & Automation, kamen hydraulikbegeisterte Besucher der diesjährigen Hannover Messe voll auf ihre Kosten: Kaum zu überblicken war die Menge an Ideen, Projekten und Produkten, welche die Unternehmen präsentierten. Beim Rundgang über die Stände der Dichtungshersteller hat fluid spannende Nachrichten aus dem Bereich Werkstoffe eingesammelt.

nobrox

Nobrox von Parker Prädifa soll eine breite Produktpalette abdecken. In Frage kommt der Werkstoff nicht nur für Dichtungslösungen, sondern auch für Formteile. Bild: Parker Prädifa

Die Engineered Materials Group des Unternehmens Parker Hannifin, die mit einem eigenen Stand vertreten war, hatte dieses Thema ins Zentrum ihres Messeauftrittes gerückt. Eine Neuheit hatten die Spezialisten auch dabei, das Material Nobrox. Marketing Communications Managerin Christine Stehmans stellt Standbesuchern den Neuzugang im Parker-Prädifa-Sortiment als „Allround-Werkstoff“ für Dichtungslösungen und Konstruktionsteile in der Hydraulik vor. Der Hersteller charakterisiert das Produkt vor allem über hohe Werte bei Verschleißfestigkeit, chemischer Beständigkeit, Betriebssicherheit und Rückstellvermögen.

Vielerorts einsetzbar

Im Vergleich zu Polyamiden nimmt der Werkstoff weniger Wasser auf und hat eine höhere Bruchdehnung; daraus gefertigte Formteile sind deshalb besonders maßhaltig, da die schwankende Feuchteaufnahme als mögliche Fehlerquelle für Abweichungen entfällt. Außerdem seien sie widerstandsfähiger gegenüber starker oder schlagartiger Belastung, erklärt das Unternehmen gegenüber der Fachpresse. Der neue Werkstoff ähnelt in einigen Punkten den ebenfalls widerstandsfähigen Peek-Kunststoffen, ist allerdings günstiger im Preis und elastischer.

In Bezug auf die Umweltbilanz sei der Werkstoff ein Schritt nach vorne, berichtet der Anbieter. Denn für die Herstellung des Polyketons wird Kohlenomonoxid benötigt. Das klimaschädliche industrielle Abgas entweicht somit nicht in die Umwelt, sondern wird dauerhaft in einen Bestandteil der Polymerkette umgewandelt. Auch die relativ hohe Verschleißfestigkeit und damit die lange Lebensdauer der Dichtungen trügen zur Umweltfreundlichkeit bei, argumentiert Stehmans.

Den Werkstoff verwendet das Unternehmen für Kolben- und Stangendichtungen in der Industrie- und Mobilhydraulik sowie Hochdruck-Rotationsdichtungen in bewährten Designs, aber auch neuartigen Dichtungslösungen. Die Eigenschaften erlauben es außerdem, ihn als Konstruktionswerkstoff für Industrie- und Gebrauchsgüter einzusetzen, beispielsweise für Membranen zur Kraftstoffförderung oder Drucksensoren.

Spezialist für kalte Regionen

FKM-Compound Vi 840

Der FKM-Compound Vi 840 von COG erfüllt die Anforderungen der DIN EN 14141. Er kann bei eisigen Temperaturen bis -46 °C eingesetzt werden. Bild: COG

Das Unternehmen C. Otto Gehrckens (COG) geht mit dem Vi 840 in eine andere Richtung: Der Werkstoff ist für die Armaturenbranche und Gasindustrie ausgelegt. Er soll dem Bedürfnis des Marktes nach Dichtungswerkstoffen mit einer geeigneten Tieftemperaturflexibilität, die normkonform nach DIN EN 14141 sind, Rechnung tragen.

Der kälteflexible FKM-Compound, den das Unternehmen entwickelt hat, besteht den Test nach DVGW DIN EN 682 (Typ GBL) und hat mit einem TR-10-Wert unter -40 °C eine gute Tieftemperaturflexibilität. Mit der Kombination dieser beiden Eigenschaften entspricht der Werkstoff den Anforderungen aus DIN EN 14141. Das Material eigne sich mit seinem TR-10-Wert von -40,1 °C für einen Einsatz von -46 °C bis 200 °C und erfülle außerdem die API 6A und 6D Normen, erklärt das Unternehmen.

Dichtung aus nachwachsenden Rohstoffen

Bei Freudenberg Sealing haben sich Entwickler hingegen um nachwachsende Rohstoffe für Dichtungen Gedanken gemacht. Das Ergebnis des Projektes ist ein EPDM-Kautschuk für fluidische Anwendungen, der zu 45 Prozent aus Zuckerrohr hergestellt wird. Üblicherweise wurde EPDM früher vollständig aus Erdöl-Produkten wie Ethylen und Propylen hergestellt. Dann kamen erste Varianten aus Zuckerrohr auf den Markt. Ziel der Entwickler war es, über einen nachwachsenden Rohstoff die Kohlendioxid-Bilanz der Werkstoffe aufzubessern.

Aus Sicht des Dichtungsherstellers fehlten den neuen Polymeren allerdings noch wichtige Eigenschaften, um für moderne Herstellungsprozesse in Frage zu kommen. „Also haben wir eine eigene Forschungsgruppe ins Leben gerufen und ein Material entwickelt, das sogar in Spritzgussverfahren der nächsten Generation genutzt werden kann“, erzählt Joe Walker, Global Direktor für die Entwicklung neuer Materialien.

Mögliche Anwendungen für Dichtungen aus EPDM-Kautschuk sieht das Unternehmen viele: Diese Komponenten würden sich eigenen für Kühlmittel, Dampf, synthetische Hydraulikflüssigkeiten, Bremsflüssigkeiten sowie Hydraulikflüssigkeiten in Flugzeugen. Dichtungen aus dem Werkstoff sind beständig gegen Temperaturen bis 150 °C und weisen nach Firmenangaben eine überdurchschnittliche Dichtkraft unter Druckbelastung auf.

Lotus-Effekt ohne Beschichtung

Kein neuer Werkstoff, aber eine neue Eigenschaft hat der Anbieter seinen Dichtungen aus Flüssigsilikon verpasst: Das Unternehmen erzielt ohne Beschichtung oder Rezeptänderung am Werkstoff einen Lotuseffekt. Dieses Phänomen, das in der Fachsprache Superhydrophobie genannt wird, erreicht der Hersteller über das Werkzeug: Es hinterlässt auf der Dichtungsoberfläche eine Berg- und Tal-Struktur im Mikrometerbereich, die der Oberfläche der Lotusblume nachempfunden ist. Nicht nur Wasser, auch zähflüssige Substanzen wie Honig perlen auf der sich samtig anfühlenden Dichtung einfach ab.

Die rein geometrische Modifikation der Oberfläche dürfte beispielsweise für Hersteller von Dosierventilen für Lebensmittel interessant sein. Flüssigsilikone eignen sich generell für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie für den Kontakt mit Trinkwasser, da sie gut sterilisierbar sind.

Entwicklungsingenieur Michael Klemt hebt noch einen weiteren Aspekt hervor: „Für viele Anwender ist die mit dem Perleffekt verbundene Reduktion des Reibungskoeffizienten um den Faktor zwei entscheidend.“ Die reibungsreduzierende Mikrostruktur der Dichtungsoberfläche erleichtert die Montage, auch im trockenen Zustand. So soll der Lotuseffekt auch dem Stick-Slip-Effekt seinen Schrecken nehmen.

In Bezug auf Flüssigsilikon hat das Unternehmen außerdem einen neuen Werkstoff entwickelt, der bis zu knapp 40 Prozent leichter ist als andere Flüssigsilikone. „Seine Massendichte lässt sich je nach Einsatzzweck in einem weiten Bereich variabel einstellen“, erklärt Klemt. Das Unternehmen hatte das Material für einen Kunden entwickelt, der für eine konkrete Anwendung eine schwimmfähige Dichtung benötigte.

Gleichzeitig sollte die Komponente dauerhaft Ablagerungen sowie aggressiven Chemikalien widerstehen. Dies war mit Dichtungen aus anderen Materialien bisher nicht ausreichend lange gelungen. Der Hersteller sieht vor allem im Leichtbau viele Einsatzmöglichkeiten für das Material, beispielsweise in der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt.

Im Praxistest bewiesen

Zurcon Z13

Nicht mehr ganz neu, aber dafür frisch getestet für den Einsatz in HFC-Fluiden ist die Dichtung aus Zurcon Z13. Bild: Trelleborg

Auch das Unternehmen Trelleborg ist im Bereich Werkstoffe aktiv gewesen und hat die Kolbendichtung Glyd Ring D aus dem Werkstoff Zurcon Z13 einem Härtetest unterzogen. Der Anbieter hatte das Produkt im Herbst 2013 herausgebracht. Mit dem Test wollte er die Leistungsfähigkeit der Dichtung in HFC-Fluiden prüfen. Es handelt sich dabei um ein 60 Shore D hartes, thermoplastisches Polyurethan, das insbesondere für höhere Drücke und hohe Temperaturen geeignet ist. Die schwer entflammbaren HFC-Druckfluide bestehen aus Wasser und Glykol.

Dadurch haben sie eine deutlich höhere Zündtemperatur und sind für Anwendungen mit erhöhter Brandgefahr geeignet oder sogar vorgeschrieben. Sie werden bei Temperaturen von -20 °C bis 60 °C eingesetzt, beispielsweise im Bergbau, in der Gießereitechnik und im Bereich Offshore-Öl- und Gasindustrie. Der veränderliche Wasseranteil von etwa 35 bis 50 Prozent beeinflusst die tribologischen Eigenschaften. Bei Anwendungen mit hoher Dynamik wie beispielsweise Kompensationszylindern beanspruchen außerdem die langen Hübe das Dichtsystem. Das stellt hohe Anforderungen an die Verschleißfestigkeit und Maßhaltigkeit der Dichtungen.

Um zu testen, wie verschiedene Werkstoffe sich unter diesen Bedingungen schlagen, hat das Unternehmen auf einem Verschleißprüfstand und einem Prüfstand zur Reibkraftmessung acht Dichtsysteme gleichen Designs getestet. Es verwendete ein HFC-Fluid, das aus Anwendungen als kritisch bekannt ist. Neben dem Z13 untersuchte der Hersteller PTFE-Werkstoffe mit verschiedenen Füllstoffen sowie Dichtungen aus Polyethylen und Polyurethan. Mit dem Ergebnis ist das Unternehmen sehr zufrieden.

Demnach zeigte die Z13-Dichtung auch nach einer Millionen Lastwechseln keine Leckage oder andere Auffälligkeiten. Auch im Vergleich mit den anderen Werkstoffen, bei denen teilweise nach 200.000 Lastwechseln Verschleißerscheinungen auftraten, kann sich diese Zahl sehen lassen.

Autorin: Dagmar Oberndorfer, Redaktion

 

 

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