Ein blauer Cobot-Arm auf futuristischem Hintergrund der Datenkommunikation grafisch abbildet.

Nach der Versteigerung der 5G-Frequenzen durch die Bundesnetzagentur, müssen die großen Mobilfunkanbieter noch einige Nachbesserungen zu ihren Angebote vorlegen. - (Bild: metamorworks/AdobeStock)

Die fünfte Generation des Mobilfunks, 5G, verspricht als künftiger Standard intelligente, nutzerfreundliche, leistungsfähige und flexible Kommunikationsnetze. Datenraten mit bis zu 10 Gigabit pro Sekunde, Latenzzeiten von nur einer Millisekunde, ein geringer Energiebedarf und Echtzeitkommunikation zwischen rund einer Million Verbindungen pro Quadratkilometer sind dann keine Zukunftsmusik mehr. Das ist eine drastische Steigerung zum 4G-Netz mit einem Zehntel der Datenmenge und einem Hundertstel an Verbindungen.

Ein Sensor überträgt am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie Schwingungsspektren der Blisks.
Ein Sensor überträgt die Schwingungsspektren der Blisks via 5G mit Verzögerungszeiten von bis zu einer Millisekunde. - (Bild: Fraunhofer IPT)

Durch weltweite Kommunikation in Echtzeit ermöglicht die 5G-Technik adaptive, automatisierte und autonome Produktionsstraßen, Mensch-Maschine- oder Maschine-Maschine-Interaktivität, fahrerlose Transportsysteme, Augmented-Reality-Anwendungen und mobile Werkzeuge. So wird die industrielle Produktion zu einem der wichtigsten Wachstumstreiber und Hauptanwendungsgebiete für 5G in Deutschland. Aus diesem Grund wurden Mitte 2019 unter Aufsicht der Bundesnetzagentur nur knapp 80 Prozent der zur Verfügung stehenden 5G-Lizenzen an die Mobilfunkbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica sowie 1&1 Drillisch versteigert. Gut 20 Prozent der Lizenzen und damit rund 100 Megahertz im Frequenzbereich von 3,7 bis 3,8 Gigahertz wurden reserviert, um sie an interessierte Unternehmen zu verkaufen.

Kombination aus 5G und Edge Computing

Mit diesen exklusiven 5G-Lizenzen samt garantierter Leistung können Unternehmen lokale, an die eigenen Bedürfnisse angepasste, industrielle und landwirtschaftliche Mobilfunknetze aufbauen und eigenes Know-how einbringen. Die sogenannten Campus-Netze bieten einem gesamten Unternehmensstandort oder Industriegebiet erhebliche Potenziale und Sicherheit gegen Hackerangriffe, ohne Gefahr zu laufen, durch öffentliche Mobilfunknetze ausgebremst zu werden. Zahlreiche Konzerne wie etwa BMW, BASF, Bosch, Daimler und Siemens haben bereits Interesse an 5G-Lizenzen angekündigt. Adel Al-Saleh, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG und CEO T-Systems weiß, dass unternehmenskritische Anwendungen zunehmend Reaktionen in Echtzeit erfordern: „Die Kombination aus 5G und Edge Computing sorgt für Reaktionszeiten im Netz von unter 10 Millisekunden. So steuern wir zeitkritische Produktions- und Logistikprozesse noch genauer.“ Die vier deutschen Industrieverbände VCI (Chemie), VDA (Automobilindustrie), VDMA (Maschinen- und Anlagenbau) und ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie) sehen firmeneigene 5G-Netze als Deutschlands Chance, zum Leitmarkt und Leitanbieter für industrielle Mobilfunkanwendungen zu werden.

Jochen Reinschmidt vom Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.
(Bild: ZVEI)

„5G wird das zentrale Nervensystem in der Fabrik werden. Mit 5G können die zentralen Wertversprechen von Industrie 4.0 realisiert und die industrielle Produktion auf die nächste Stufe gehoben werden. Lokale 5G-Netze erlauben Unternehmen die Verfügbarkeit und Integrität ihrer Daten wahren zu können.“

Jochen Reinschmidt, Referent Political Affairs beim ZVEI, Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.

Bereits im Jahr 2018 wurde im ZVEI die Arbeitsgemeinschaft „5G Alliance for Connected Industries and Automation“ (5G-ACIA) gegründet, um den Standard erfolgreich in der industriellen Produktion zu etablieren. „Vernetzung ist nicht erst mit 5G möglich. Aber der neue Standard wird vieles vereinfachen. Mit ihm lässt sich die Netzkapazität besser auf die Anwendung abstimmen“, so Christian Bauer vom Gründungsmitglied Trumpf.

Dr. Jan-Stefan Michels ist Leiter der Standard- und Technologieentwicklung bei Weidmüller
(Bild: Weidmüller)

„Für Weidmüller ist die kommende Mobilfunkgeneration 5G von großer Bedeutung. 5G ist ein Technologiebaukasten, der auch für drahtgebundene Netzwerke innerhalb eines Industrieunternehmens ein enormes Potenzial bietet. Wir sehen in 5G einen zentralen Baustein der künftigen Infrastruktur für Produktionsanwendungen.“

Dr. Jan-Stefan Michels, Leiter der Standard- und Technologieentwicklung, Weidmüller

Industrielle Anwendungsszenarien für 5G

Trotz des großen Optimismus hängt der erfolgreiche Industrieeinsatz von 5G davon ab, wie schnell bestehende Kommunikationstechnologien und Computer-, Steuerungs- und Regelsysteme an die Anforderungen hinsichtlich Bandbreite, Latenz, Zuverlässigkeit oder Adressierbarkeit von mehreren zehntausend Endgeräten angepasst werden. Das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM) bietet mit einer Informationsplattform Hilfestellung für Unternehmen bei der Einführung der 5G-Technik sowie beim Aufbau von Campus-Netzen. In dem von Fraunhofer IPT in Kooperation mit Ericsson betriebenen Testcenter lassen sich Anforderungen und Auswirkungen der 5G-Technologie in verschiedenen industriellen Anwendungsszenarien erproben. So wurde bereits eine Regelung implementiert, die die Prozessstabilität beim Fräsen komplexer Bauteile für den Turbomaschinenbau überwacht. Ein drahtloser, intelligenter Sensor überwacht den Fertigungsprozess und regelt den laufenden Fertigungsprozess adaptiv – beides nahezu in Echtzeit.

Auch am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DKFI) geht es darum, die technischen Herausforderungen in Forschungsarbeiten zu meistern. So wird beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Partnerkreis der SmartFactory-KL der praktische Einsatz von 5G-Technologien am DFKI in einer realitätsnahen Produktionsumgebung getestet und weiterentwickelt. Damit wollen sie eine universelle, einheitliche und innovative 5G Informations- und Kommunikationsplattform für die industrielle Produktion etablieren. Tacnet 4.0 will sicherstellen, dass hierbei ein Kommunikationssystem entwickelt wird, das 5G- und industrielle Netze durchgängig integriert. In diesem vom BMBF unterstützten Forschungsprojekt sollen netzübergreifende Adaptionsmechanismen entwickelt werden. Ziel ist, offene Schnittstellen zwischen industriellen und öffentlichen Mobilfunksystemen zu schließen und so eine zuverlässige und echtzeitfähige 5G Vernetzung für die Industrie 4.0 zu gewährleisten.

Maschine-zu-Maschine-Kommunikation

In der Praxis hat 5G bereits bei einigen Unternehmen Einzug gehalten. BASF will die Vorteile von 5G nutzen, um die autonome Fahrzeugflotte am Standort Ludwigshafen von derzeit sechs auf rund 20 Fahrzeuge auszubauen. Verfahrentechniker sollen bei Anlagenchecks durch das Einscannen von QR-Codes oder RFIDs die Analyseergebnisse in (fast) Echtzeit erhalten, wodurch eine Vorhersage des optimalen Zeitpunkts für Instandhaltungsmaßnahmen möglich wird. Bosch Rexroth hat zusammen mit Ericson auf dem letztjährigen European Digital Summit in Tallinn gezeigt, dass die neue Technologie zu wesentlichen Fortschritten in der industriellen Produktion beiträgt. Dr. Gunther May, Director of Engineering, Firmware and Connectivity bei Bosch Rexroth: „Wir sind überzeugt, dass 5G die Produktionsverfahren revolutionieren wird. So wird die Maschine-zu-Maschine-Interaktivität zu einem wichtigen Aspekt zunehmend verteilter Intelligenz in der Werkshalle.

Funksensoren von Prozessmaschinen etwa werden in der Lage sein, nicht nur die Betriebstemperatur, sondern auch Vibrationen und Geräusche zu überwachen und einen Alarm auszulösen, wenn ihre festgelegten Grenzwerte über- oder unterschritten werden.“ e.GO Mobile hat im Aachener Montagewerk des elektrischen Stadtfahrzeugs e.GO Life die physische und digitale Welt komplett vernetzt und kann dadurch nahezu in Echtzeit auf Abweichungen im Produktionsprozess reagieren. Nicht überall jedoch sind Glasfaserverbindungen vorhanden. Das Eindhovener Startup Aircision hat dafür neuartige Lasertechnologie entwickelt, um die Datenübertragung zwischen zwei Mobilfunkmasten kabellos zu ermöglichen. Dabei wird das 10 Gigabit/s schnelle Signal per Laserstrahl optisch über die Luft übertragen. „Unser System ist weitaus widerstandsfähiger gegen atmosphärische Einflüsse als bestehende FSO-Technologien“, so Luis Oliveira, CEO von Aircision.

Die Grafik der Telekom zeigt einen Funkmast der über den Verbindungsstandard 5G Daten zu Maschinen und Fahrzeugen und mobile devices überträgt.
Grafik: Telekom

Keine erhöhte Strahlenbelastung

Jedoch gibt es trotz der scheinbar unzähligen Möglichkeiten für die Industrie auch Schattenseiten. So decken Hacker und Wissenschaftler immer mehr Sicherheitslücken auf. Bis dato physikalisch getrennte Funktionen werden jetzt virtuell über eine cloudbasierte Software abgebildet. Auch gesundheitliche Risiken sind nicht auszuschließen. Wissenschaftliche Studien haben bislang nicht nachweisen können, dass die durch 5G verursachte Strahlung keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Die belgische Regierung hat beispielsweise das Pilotprojekt in Brüssel gestoppt, da mit 5G derzeit die Strahlungsregeln der Stadt, die weltweit strengsten, nicht eingehalten werden können.

Umweltministerin Céline Fremault argumentiert: „Ich kann eine solche Technik nicht zulassen, wenn die Strahlungsstandards, die die Bürger schützen sollen, nicht beachtet werden.“ Neben potenziellen gesundheitlichen Risiken ist die Netzwerkausrüstung von 5G auch aus Gründen der nationalen Sicherheit bedenklich. Die Entscheidung, ob der chinesische Tech-Konzern Huawei aufgrund eines signifikanten Netzwerksicherheitsrisikos und der Möglichkeit der Spionage beim Aufbau des 5G-Datenstandards in Deutschland ausgeschlossen wird, soll Ende März klar sein. Netzbetreiber Telefónica, ein Gewinner bei der 5G-Lizenzvergabe, hat die Zusammenarbeit mit Huawei bereits angekündigt. Die Telekom hat geplante Aufträge an die Chinesen vorerst auf Eis gelegt. Wie dünn das ist, wird sich zeigen. fl

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