Bagger im Wald,

Bagger im Wald: Wie bio sind Hydrauliköle, die den Blauen Engel tragen? (Bild: Helmut Winkler)

Herr Janz, Sie sind Bereichsleiter Produkt- und Qualitätsmanagement bei Hermann Bantleon. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Schwachpunkte der bisher gültigen RAL-UZ-178?

Aus unserer Sicht gibt es zahlreiche Schwachpunkte beziehungsweise Versäumnisse, welche den zuständigen Stellen mittlerweile auch bekannt sein dürften. Nach wie vor wird mit dem Begriff „schnell biologisch abbaubar“ ausgelobt. Diese Auslobung erfordert die Einhaltung des sogenannten zehn-Tages-Fensters im Prüflauf. In einer Fußzeile wird explizit angemerkt, dass dieses zehn-Tages-Fenster nicht berücksichtigt wird. Man läuft hier sicher Gefahr einer Irreführung. Ohne Betrachtung des zehn-Tages-Fensters, beziehungsweise die in der OECD Prüfguideline geforderte Einzelfallbewertung darf ein Endprodukt nicht als schnell biologisch abbaubar ausgelobt werden.

Ein großes Versäumnis sehen wir in der Tatsache, dass keinerlei Abprüfung Richtung terrestrische Toxizität gefordert ist, obwohl gewisse Basisöle nachweislich eine pflanzenwachstumshemmende Wirkung aufzeigen. Die entsprechende Studie wurde ja bereits in der fluid veröffentlicht. Fauna und Flora werden demnach komplett ausgespart. Auf Grund der Tatsache, dass diese Öle breite Anwendung im Bau-Forst und Agrarbereich finden, besteht hier akuter Handlungsbedarf.

Die Vergabegrundlage erlaubt die Verwendung von OECD-Prüfverfahren zur Messung der biologischen Abbaubarkeit. Die Prüfmethoden sind mit keinerlei Präzisionsangaben bei der Prüfung von Gemischen abgesichert und deshalb nur bedingt geeignet. Verschiedene Labors und selbst Normungsgremien weisen mittlerweile auf dieses Problem hin. So heißt es im Vorwort der DIN EN ISO 6743-4:2015: „Allerdings ist die Anwendbarkeit der ISO 15380:2011 zurzeit bezüglich der Messung der biologischen Abbaubarkeit aufgrund teilweise fehlender Präzisionsangaben der entsprechenden Prüfverfahren eingeschränkt.“ Das mögliche Umweltschadenrisiko wird dadurch deutlich erhöht und nicht kalkulierbar. Dass in der Folge die Prüfung des Endprodukts gar nicht verlangt wird, sondern lediglich eine reine Einzelstoffbetrachtung erfolgt, sorgt für zusätzliche Intransparenz. Synergismen und Antagonismen bleiben in der Folge unberücksichtigt. 

Weiterhin sehen wir zahlreiche Aspekte, welche entgegen der eigentlich einzuhaltenden DIN EN ISO 14024 nicht erfüllt sind; beispielsweise: Durchführung einer LCA-Studie, Vorlage einer Machbarkeitsstudie, Beachtung veränderter Umweltkriterien, technische Eignung beziehungsweise Verträglichkeit der Fluide et cetera.

Rainer Janz von Bantleoan,
Rainer Janz sieht in der Neufassung der RAL-UZ-178 eine Chance, die Aussagekraft zur tatsächlichen Umweltgefährdung zu verbessern. (Bild: Hermann Bantleon)

Das Umweltbundesamt erarbeitete die Vergaberichtlinie mit Unterstützung von Experten aus der Industrie. Muss man nicht davon ausgehen, dass die Vergabegrundlage auch den aktuellen Wissensstand wieder spiegelt?

Eine sogenannte Expertenanhörung soll dafür sorgen, dass Vertreter aus Industrie, Wissenschaft und Politik einen Konsens finden. Uns hat die Bewertung neuer und Offenheit für neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Argumente in einigen Aspekten gefehlt. Mittlerweile haben sich auch in der Verantwortlichkeit beim Umweltbundesamt Veränderungen ergeben und ich sehe der Überarbeitung positiv entgegen. Die Vergabegrundlage sollte einen Innovationscharakter nachweisen, um nicht als reine Abverkaufshilfe betrachtet zu werden. 

Ist es noch zeitgemäß, die Umweltverträglichkeit eines Hydrauliköls alleine an der biologischen Abbaufähigkeit festzumachen?

Bei weitem nicht. Die biologische Abbaubarkeit kann nur ein Aspekt unter zahlreichen anderen sein. Dies erklärt sich schon allein aus dem drei-Säulen-Prinzip der Nachhaltigkeit. Diese drei Säulen bestehend aus Umwelt, Wirtschaftlichkeit und Ethik beziehungsweise Sozialem stehen in enger Synergie zueinander.

Zu der Betrachtungsweise der Pflanzenwachstumsverträglichkeit muss die Abbaugeschwindigkeit berücksichtigt werden. Bei zu schnellem Abbau wird der Umgebung massiv Sauerstoff entzogen. Kleinlebewesen und Organsimen können dadurch erstickt werden. Ein Tropfen Öl benötigt für den Abbau den Sauerstoff aus 80 Liter Wasser. Dies kann zu negativen, schadhaften Folgen für das betreffende Ökosystem führen.

Leckagen mit relevanten Ölverlusten gehören laut der Vergabestelle RAL zum bestimmungsgemäßen Betrieb. Dieser Tatsache gibt dem Standpunkt des „bedrohlichen“ Sauerstoffentzugs beim biologischen Abbau zusätzliches Gewicht. Der Aspekt der Bioakkumulation, samt Gestaltung geeigneter Prüfmethoden und Präzisionsangaben sollte ebenfalls Beachtung finden.

Herr Janz, noch eine letzte Frage. Ist die Zeit nicht reif für eine gesamtheitliche Umwelt-Orientierungshilfe für Maschinenhersteller und –betreiber, um so die Überbewertung des biologischen Abbaus zu reduzieren?

Dies ist bereits erfolgt. Die Dekra Assurance Services hat in den sogenannten „Produktspezifischen Regeln für Bewertung & Deklaration“ einen nachhaltig orientierten Kriterienkatalog definiert. Die Dekra ist hier dem Ruf einer nachhaltig orientierten Produktprüfung nachgekommen. Hier werden zum Einen systembezogene Anforderungen an den Schmierstoffhersteller bezüglich Produktverantwortung und –dokumentation gestellt. Auf der anderen Seite wird nachfolgende Produktperformance eingefordert: Nachweise zur Alterungsstabilität, Werkstoff- und Bauteilverträglichkeit bei Pumpe und Schläuchen, Kraftstoffeinsparpotential, biologische Abbaubarkeit, Ökotoxizität und Pflanzenwachstum und Ökobilanz.

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