Den Abgesang der Hydraulik haben schon viele durch die informellen Äther unseres Industriestandortes propagiert. Was zunächst ein rein ideologisch motiviertes Meinungsbild über Sinn und Zweck hydraulischer Kraftumwandlung in Werkzeugmaschinen war, ist heute zu einem wirtschaftspolitischen Leitbild geworden. Dabei wird schnell vergessen, dass es nicht nur allein um die CO2-Debatte in der deutschen Industrie, sondern um den Fortbestand des innovativen deutschen Mittelstands geht.
Was nützt dem Werkzeugmaschinenhersteller und Betreiber eine emissionsärmere Produktion, wenn die Energie für die elektrisch angetriebenen Kraftprotze nicht ausreicht oder so teuer geworden ist, dass die Produktion gedrosselt werden muss? Ideologie und unternehmerische Vernunft bildeten noch nie ein harmonisches Gesamtbild ab. Um den Anschluss an weniger ideologisch geführte Energiedebatten bei internationalen Mitbewerbern nicht zu verlieren, sollte die Intelligenz moderner Hydrauliksysteme nicht unterschätzt werden. ‚The trend is your friend‘ heißt es auf dem Börsenparkett ‒ dabei ist eine Umkehr zurück zur Hydraulik in Werkzeugmaschinen gar nicht nötig, denn die Hydraulik ist wie ein taumelnder Boxer, der immer ‚gefährlich‘ aktuell bleibt ‒ und das aus guten Gründen.
Ein Blick in die Welt der spanenden und thermischen Werkzeugmaschinen zeigt, dass ein modernes und vor allem sicheres Hydrauliksystem nicht nur einen dickeren Bizeps hat, sondern auch ressourcenschonend sauber bleiben kann.
Keine Trendwende beim Auftragseingang
Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie gehört zu den fünf größten Fachzweigen im Maschinenbau. Im dritten Quartal 2023 sank der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nominal um neun Prozent. Dabei notierten die Bestellungen aus dem Inland acht Prozent unter Vorjahr, die Auslandsorders sanken um neun Prozent. In den ersten drei Quartalen 2023 fiel der Auftragseingang insgesamt um sieben Prozent. Die Inlandsbestellungen lagen zwölf Prozent, die Auslandsbestellungen fünf Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Real bedeutet das ein Bestellminus von insgesamt zwölf Prozent.
Anforderungen an die Maschinen
Eine stillstehende Werkzeugmaschine verschlingt immense Summen und erfordert meist einen logistischen Wartungsaufwand. Nur wenn die Maschinen laufen, bleibt das Endprodukt für den Kunden bezahlbar. Stillstände verursachen nicht nur nachhaltig hohe Kosten und viel Ärger, sondern bringen auch die Fertigungseinheiten durcheinander. Wer also bei der Auslegung der Produktionsprozesse punkten will, braucht eine hohe und zuverlässige Verfügbarkeit der Anlage.
Es wird nun seit vielen Jahren fleißig automatisiert, wodurch neben der Energie- und Kosteneffizienz die Produktivität gesteigert werden soll. Egal, ob mit oder ohne Industriestrompreis, Energie bleibt für die Mittelständler ein heißes Eisen. Energieautark sind ihre Maschinen nämlich (noch) nicht. Abkantpressen, CNC-Maschinen, Hydraulikpressen oder Spritzgießmaschinen brauchen Kraft und diese kommt in der Regel immer noch von Hydraulikaggregaten. Der Siegeszug der Servomotoren stößt immer wieder am gallischen Dorf der Volumenströme auf Widerstand.
Miteinander statt Gegeneinander
„In Werkzeugmaschinen ist Hydraulik durch deren einzigartige Energiedichte und sehr schnellen Verfügbarkeit unter anderem für die Grundfunktionalitäten zum Spannen oder zur Kraftübertragung der elektrischen Komponenten deutlich überlegen und somit unabdingbar“, sagen die Experten bei Walther Präzision. In der Hydraulikbranche denkt und entwickelt man schon lange nicht mehr nach dem Ausschlussprinzip. Ein modernes Hydrauliksystem kommt ohne elektronische Komponenten nicht aus. Es geht in der Entwicklung der Hydraulik-Experten um ein Miteinander und nicht um ein Gegeneinander der Steuerung.
Dem pflichtet Walther-Präzision bei: „Trotzdem ist auch bei Werkzeugmaschinen ein starker Trend hin zu elektrischen/elektronischen Komponenten zu verzeichnen, wenn die Grundanforderungen dies zulassen.“
Sicherheit der Hydraulik
Kritiker hydraulischer Antriebstechnik zeigen gerne die Achillesferse der Kraftmaschinen auf: Leckagen. Sie sind fies, zerstörerisch und unnötig wie ein Kropf. Es gibt aber auch andere Stolperfallen in der Montage und dem Betrieb hydraulischer Anlagen. Nicht nur die Schläuche müssen den Volumenstrom zum Aktuator leiten. Kupplungen sind hierbei das Zünglein an der Waage. Ihre fachgerechte Anbringung und Wartung ist obligatorisch.
Andreas Laubsch von Rauh-Hydraulik unterstützt viele Betreiber von Werkzeugmaschinen seit Jahren bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen für Hydraulik-Schlauchleitungen. Seine Beratungsleistung adressiert oft genau diese Thematik: „Eine Problematik, der sich die Hersteller von Werkzeugmaschinen beim Einsatz von Hydraulik und im speziellen von Hydraulik-Schlauchleitungen stellen müssen, ist der Umgang mit der DGUV-Regel 113-020.“
„In der Bedienungsanleitung des Herstellers sollten Informationen über empfohlene Prüf- und Auswechselintervalle, die sich an den Empfehlungen der DGUV-Regel 113-020 orientieren, enthalten sein ‒ so auch zu Restrisiken, die beim Betrieb von Hydraulik-Schlauchleitungen vorhanden sind.“
Andreas Laubsch, Rauh Hydraulik
Diese fordert unter anderem die Abschirmung der Schlauchleitungen vom Personal des arbeitgebenden Betreibers. Außerdem ist darin auch eine wiederholende Prüfung und der Austausch der Schlauchleitungen beschrieben. „Der Maschinenhersteller sollte also genau darauf achten, wo und wie die Schlauchleitungen verlegt sind (eine fachgerechte Montage wird hier mal vorausgesetzt), gerade im Bedienbereich findet man oft Leitungen, die ohne Abschirmung verbaut sind und bei einem eventuellen Ausfall das Fluid unkontrolliert in den Verkehrsweg versprühen können. Dies muss der Maschinenhersteller bei seiner Risikobeurteilung berücksichtigen“, wie der erfahrene Hydraulik-Experte konstatiert.
Geballter Input zum Thema Werkzeugmaschinen
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Die Verwendung eines sogenannten Berstschutzschlauches sei hier eine einfache und inzwischen gängige Option, um die Sicherheit des Personals zu erhöhen. Viele Werkzeugmaschinen seien inzwischen so eingehaust, dass die Gefahr einer Leckage bei laufendem Betrieb nicht gegeben ist. Allerdings ist die Anlage im Einrichtbetrieb geöffnet und der Einrichter hat direkten Kontakt zu druckführenden Leitungen. Oft kann im Innenraum auch nur schlecht ein Berstschutzschlauch verbaut werden, da dieser durch umherfliegende Späne, die sich im Geflecht verfangen, beschädigt werden würde. „In einem solchen Fall gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, die je nach Verwendung individuell besprochen werden sollten: zum Beispiel die Verwendung höherwertiger Schläuche, um eine verbesserte Druckabsicherung zu erhalten und damit das Risiko des vorzeitigen Ausfalls einer Schlauchleitung zu reduzieren“, so Laubsch weiter.
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In der Bedienungsanleitung des Herstellers sollten Informationen über empfohlene Prüf- und Auswechselintervalle, die sich an den Empfehlungen der DGUV-Regel 113-020 orientieren, enthalten sein. Restrisiken, die beim Betrieb von Hydraulik-Schlauchleitungen vorhanden sind, dürfen hierin nicht fehlen.
Eine weitere Gefährdung bestehe in der Verwechslungsgefahr bei der Verwendung von Hydraulikkupplungen. „Hier kann mit farblichen Kennzeichnungen oder der Verwendung von unterschiedlichen Kupplungssystem vorgebeugt werden“, so Laubsch. „Außerdem ist die Verwendung von entsprechenden Halterungen für abgekoppelte Schlauchleitungen empfehlenswert, damit diese nicht mechanisch, zum Beispiel durch Flurförderfahrzeuge, beschädigt werden können.“
Miniaturisierung und Funktionsverdichtung
Will die Hydraulik gegenüber elektromechanischen Antrieben in puncto Betriebssicherheit somit im Gleichschritt marschieren, muss sie jedoch auch andere Bereiche berücksichtigen, um bei den Vorzügen der Elektrotechnik nicht an betriebsrelevanten Maschinenraum zu verlieren. Ein großes Plus der elektromechanischen Bauteile liegt in ihrer geringeren Bauraumgröße und ihrer funktionellen Verdichtung des Energiekreislaufes. Verluste auszugleichen ist die Mammutaufgabe der Hydrauliker. „Die druckführenden hydraulischen Komponenten, wie beispielsweise Schnellwechselkupplungen, sind in ihren Durchflusseigenschaften heute aber derart optimiert, dass sie geringste Strömungsverluste, beziehungsweise Druckverluste und damit auch nur geringste Energieverluste generieren.
Darüber hinaus sind die Schnellkupplungssysteme auf lange Lebensdauer und eine sehr große Lastwechselzahl ausgelegt“, wie die Konstrukteure bei Walther-Präzision ergänzen. „Um dabei die möglichen Leckagen selbst bei häufigem Kuppeln auf ein physikalisches Minimum zu begrenzen“, empfiehlt Walther-Präzision „die Clean-Break-Technologie“. Wie die Hydraulik-Profis ergänzen, „wird bei jedem Entkuppeln nur eine unvermeidbar kleine Menge an Hydraulikflüssigkeit als Ölfilm auf den Kupplungshälften freigesetzt.“
Nicht nur Walther-Präzision setzt bei modernen hydraulischen Bauteilen auf die beiden großen Trends ‚Miniaturisierung‘ und ‚Funktionsverdichtung‘. Bei der ‚Miniaturisierung‘ schaffen es Hydraulikproduzenten immer effektiver, große Bauteile klein zu machen. Dies spart Platz, Energie und erhöht gleichzeitig die Effizienz der Werkzeugmaschine. Der Feldvorteil der Elektronik schrumpft hier also auch. Als Pioniere der Miniaturhydraulik gelten zum Beispiel die Experten von Lee und ihrem Deutschland-Chef Jürgen Prochno, der den Ursprung dieser Fertigungsmethode aus der Luft- und Raumfahrt ableitet. Bei der Funktionsverdichtung sind die Komponenten für die hochgenaue Werkstückspannung kleinster Mikrobauteile oder auch zur Mikrowerkzeugspannung und -feineinstellung einsetzbar ‒ hierbei werden Piezotechnik und Softwaretechnologie autonomer Systeme kombiniert, wodurch funktionsverdichtende adaptive Strukturen entstehen.
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In diesem Zusammenhang werden „sensorisch-aktuatorische Eigenschaften beziehungsweise Komponenten, sowie ein aktiver Systemeingriff bei gleichzeitiger Übernahme mechanisch lasttragender Eigenschaften in die Gesamtstruktur integriert“, so der Geschäftsbereich Adaptronik des Fraunhofer Instituts. Einen Trend zu verfolgen, heißt auch, immer einen Schritt weiterzugehen. Dabei ist ja bekanntlich der Weg das Ziel ‒ diese banale Weisheit des Konfuzius trifft beim Trendbericht der Werkzeugmaschinen den Nagel auf den Kopf. Unter allen unternehmerischen Prämissen geht es beim Betrieb der Werkzeugmaschinen nicht um die Frage, wie sich Hydraulik ersetzen lässt, sondern darum, sie auf dem Weg ständig weiterzuentwickeln.
Oder anders formuliert: Es dreht sich bei spanenden und thermischen Maschinen nicht darum, welches System den ideologischen Nahkampf gewinnt, sondern wie die beiden Systeme im alltäglichen Produktionsprozess im Zusammenspiel performen.