Produkte langlebig auslegen, reparaturfreundlich gestalten, zu neuen Produkten umarbeiten.

Produkte langlebig auslegen, reparaturfreundlich gestalten, zu neuen Produkten umarbeiten - geschlossene Materialkreisläufe minimieren den Rohstoffverbrauch. (Bild: Mikel Allica - stock.adobe.com)

Als Landesagentur unterstützt die Biopro BadenWürttemberg die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft mit dem Fokus auf der Gesundheitsindustrie und einem branchenübergreifenden Wandel hin zu einer Bioökonomie.

Basierend auf einer umfassenden Recherche hat Biopro Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern ausgewählter baden-württembergischer Medizintechnik-Unternehmen geführt, um den Status quo und die unternehmerische Sicht auf die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Entwicklung und die Bedarfe der Gesundheitsindustrie am Beispiel der Medizintechnik-Branche zu erfahren.

Hierbei wurde vor allem die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit in den Fokus gestellt: Materialreduktion und alternative Werkstoffe, Kreislauffähigkeit von Produkten, Reduktion und Umweltfreundlichkeit von Verpackungen sowie die für solche Entwicklungen notwendigen neuen Geschäftsmodelle.

Materialien und Werkstoffe

Ökodesign ist ein systemischer Ansatz der Produktgestaltung, mit dem Ziel möglichst geringer Umweltbelastungen in allen Lebenszyklen eines Produktes. Bestandteil eines ökologischen Designs sind nachhaltige Materialien und Werkstoffe. Der Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen sind für etwa die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

In der Medizintechnik sind das beispielsweise Metalle wie Titan, Chrom oder Eisen beziehungsweise Stahl, keramische Werkstoffe oder Kunststoffe. Allein für medizintechnische Geräte wurden im Jahr 2016 rund 6,4 Millionen Tonnen Rohstoffe verarbeitet. Durch den Einsatz von Rezyklaten werden wertvolle Ressourcen eingespart und die Ressourceneffizienz gesteigert. So lassen sich etwa Metalle beliebig oft recyceln.

Für Medizinprodukte ist Stahl ein wichtiger Werkstoff: Pro Jahr werden in Deutschland rund 22 Millionen Einwegartikel aus Stahl wie beispielsweise Pinzetten und Scheren, verwendet. Neben Metall ist Kunststoff ein häufig genutzter Werkstoff in der Medizintechnik. Im Jahr 2018 verabschiedete die EU eine Kunststoffstrategie als Teil des Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft.

Die Strategie soll unter anderem die Entwicklung recyclingfähiger Kunststoffe für effiziente Recyclingverfahren voranbringen und die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen erhöhen. Neben dem Einsatz von Rezyklaten bieten biobasierte Kunststoffe eine Alternative zu herkömmlichen, fossilbasierten Kunststoffen.

Biobasierte Kunststoffe

Biobasierte Kunststoffe sind solche Kunststoffe, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden. Rückschlüsse auf die biologische Abbaubarkeit gibt der Begriff jedoch nicht. Für die Herstellung von biobasierten Kunststoffen eignen sich eine Vielzahl nachwachsender Rohstoffe. Derzeit spielen hierfür vor allem Cellulose, etwa aus Holz, Stärke – beispielsweise aus Kartoffeln oder Mais – aber auch Zucker, zum Beispiel aus Zuckerrübe oder Zuckerrohr, und Fette, etwa aus Raps, eine Rolle bei der Produktion. Geforscht wird derzeit an der Herstellung biobasierter Kunststoffe aus Abfallprodukten. Technisch ist ein Recycling von biobasierten Kunststoffen durchaus möglich, findet aufgrund geringer Mengenströme jedoch derzeit noch nicht statt. Haben biobasierte Kunststoffe die gleiche Struktur wie fossilbasierte, können sie entsprechend recycelt werden. Weisen sie dagegen eine abweichende Struktur auf, ist das Recycling – jedenfalls im Augenblick noch – meist schwieriger. Biologisch abbaubare Kunststoffe müssen per Definition nicht vollständig zerfallen. Von einer Entsorgung über die Bioabfallsammlung sollte deshalb abgesehen werden.

Die eigentliche Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft zielt auf die möglichst vollständige Verwertung und Rückgewinnung der in einem Produkt enthaltenen Rohstoffe am Ende eines Produktlebenszyklus ab. Ressourcen werden so über eine möglichst lange Nutzungsphase in einem Kreislaufsystem gehalten. Die Umweltbelastung eines Produktes wird damit verringert und die Abhängigkeit der Unternehmen von Rohstoffimporten gesenkt. Damit die Reparatur, Aufbereitung und Wiederverwendung technischer Produkte, wie medizintechnischer Geräte, möglich sind, müssen folgende Ansätze erfüllt sein:

  • Modularer Aufbau
  • Demontagegerechte Baustruktur und Verbindungstechnik
  • Reduktion der Materialvielfalt und Nutzung einfach verwertbarer Werkstoffe
  • Kennzeichnung von Teilen und Werkstoffen sowie wertvoller oder schädlicher Werkstoffe
  • Nutzung verwertbarer Werkstoffpaarungen, beispielsweise Vermeidung von Verbundmaterialien

Während die Standardisierung dazu beitragen kann, dass Geräte unterschiedlicher Hersteller miteinander kombinierbar und interoperabel wären, würde ein modularer Aufbau den Austausch von Einzelteilen ermöglichen - entweder, um die Funktion aufrecht zu erhalten oder aber Innovationen und neue Produkteigenschaften mit geringem Ressourceneinsatz und reduziertem Abfall zu erzeugen.

Digitalisierung und Datensammlung bieten die Chance, Verschleiß frühzeitig zu erfassen.
Digitalisierung und Datensammlung bieten die Chance, Verschleiß frühzeitig zu erfassen und Geräte somit bereits vor Eintritt des Funktionsverlusts reparieren zu können. (Bild: Rubén P. Bescós - stock.adobe.com)

Im Hinblick auf die Reparaturfähigkeit medizintechnischer Geräte sahen die Unternehmen vor allem in der Digitalisierung und Datensammlung eine Chance, Verschleiß frühzeitig zu erfassen und darauf zu reagieren und Geräte somit bereits vor Eintritt des Funktionsverlusts reparieren zu können. Eine Herausforderung seien hierbei die geschlossenen Datenräume der Krankenhäuser, die einen Datentransport zu den Herstellern derzeit nicht vorsehen würden.

Bei der Aufbereitung und weiteren Verwendung gebrauchter Geräte stelle vor allem die Frage der Haftung eine Hürde dar. Auch in Bezug auf die Aufbereitung von Einmalprodukten wurde die Haftungsfrage kritisch diskutiert. Im Jahr 2014 wurden mehr als 8.000 Tonnen Einmalinstrumente aus Chromstahl in deutschen Kliniken verwendet, die nach ihrer Nutzung in der Regel mit dem Klinikabfall entsorgt und verbrannt werden.

Welche Abfallmengen an deutschen Kliniken gesammelt werden, zeigt das Universitätsklinikum Heidelberg: Hier fallen täglich elf Tonnen Abfall an. Bei der Entsorgung von Einmalprodukten fehle es laut den Betreibern in den Krankenhäusern derzeit noch an geeigneten Entsorgungsstrukturen. Zudem sei zwischen kontaminierten und nicht kontaminierten (Einweg-)Produkten zu unterscheiden. Kontaminierte Produkte müssten zunächst dekontaminiert werden, um einem Recyclingsystem zugeführt werden zu können, was wiederum eine hierfür vorgesehene Infrastruktur sowie Ressourcen benötigen würde.

Laut WHO sind 15 Prozent der im Gesundheitswesen anfallenden Abfälle infektiös, giftig oder radioaktiv. Mit den übrigen 85 Prozent ungefährlichem Abfall wäre der Großteil des Abfalls für ein Recycling auch ohne eine vorhergehende Dekontamination geeignet.

Laut WHO sind 15 Prozent der im Gesundheitswesen anfallenden Abfälle infektiös, giftig oder radioaktiv.
Laut WHO sind 15 Prozent der im Gesundheitswesen anfallenden Abfälle infektiös, giftig oder radioaktiv und eignen sich nicht für Wiederverwendung. (Bild: arcyto - stock.adobe.com)

Verpackungen

Verpackungen von Medizinprodukten müssen, je nach Verpackungsebene, viele Anforderungen erfüllen: viele Produkte müssen steril verpackt sein, Verpackungen müssen ausreichend Platz für die Kennzeichnung bieten und zusammen mit den Medizinprodukten müssen sie Zulassungsprozesse durchlaufen. Die EU-Richtlinie 94/62/EG in Verbindung mit der EU-Richtlinie 2018/852 formuliert konkrete Ziele zur Reduktion von Verpackungsabfall durch Wiederverwertung – bis 2025 sollen 65 beziehungsweise 70 Gewichtsprozent aller Verpackungsabfälle bis 2030 wiederverwertet werden.

Die im Jahr 2021 in der EU eingeführte ‚Plastikabgabe‘, die auf der Menge nicht recycelter Kunststoffverpackungsabfälle basiert, soll Verpackungsabfälle verringern und Anreize für eine Kreislaufwirtschaft bieten. Mögliche Lösungsansätze für nachhaltigere Verpackungen werden in einer Prozessoptimierung der Verpackungsproduktion gesehen, beispielsweise um Materialreste zu vermeiden. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Reduktion der Materialmenge, etwa durch eine geringere Verpackungsstärke, die den Zweck noch erfüllt.

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Zirkuläre Geschäftsmodelle

Notwendig wären Geschäftsmodelle und Dienstleistungsangebote, die die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und einen effizienten Ressourceneinsatz in den Fokus rücken. Neben Rücknahmesystemen zur Wiederverwendung, Aufbereitung und Reparatur der Produkte oder einzelner Komponenten, wurde das Potenzial von Service- und Mietmodellen wie Leasing oder On-Demand-Modellen erörtert. Diskutiert wurden zudem Geschäftsmodelle, die eine präventive Reparatur und vorausschauende Wartung von medizintechnischen Geräten in den Fokus nehmen, um die Langlebigkeit zu erhöhen und die Notwendigkeit von Ersatzgeräten als Absicherung für Funktionsverlust zu reduzieren.

Werden Krankenhausbetreiber und Praxen bereit sein, höhere Anschaffungspreise zu bezahlen, um eine nachhaltige Lösung einzukaufen?
Werden Krankenhausbetreiber und Praxen bereit sein, höhere Anschaffungspreise zu bezahlen, um eine nachhaltige Lösung einzukaufen? (Bild: mtmmarek - stock.adobe.com)

Dienstleistungen im Recycling

Ebenso werden Dienstleistungen im Bereich der Wiederaufbereitung und Sterilisation von Medizinprodukten diskutiert. Hierfür müsse sichergestellt sein, dass die Wiederaufbereitung, die den Einsatz von Ressourcen wie etwa Wasser verbraucht und möglicherweise einen Transport der Produkte erfordert, tatsächlich ökologisch nachhaltiger ist als eine Entsorgung. So könne beispielsweise die Nutzung regenerativer Energien dazu beitragen, die Umweltauswirkungen von Aufbereitungsprozessen zu reduzieren.

Für Hersteller stellt sich dabei jedoch die Frage, ob die Kunden, also die Krankenhausbetreiber und Praxen, bereit sind, höhere Anschaffungspreise zu bezahlen, um eine nachhaltige Lösung einzukaufen.

Quelle: Biopro Baden-Württemberg GmbH

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