Anlauf

Dresdner und Stuttgarter Wissenschaftler werteten Studien, Umfragen, Statistiken und andere Literatur zum Thema aus. - (Bild: hiro – stock.adobe.com)

Wo ist es technisch und energetisch möglich, aber auch wirtschaftlich sinnvoll, fluidtechnische Antriebe durch elektromechanische Antriebe zu ersetzen? Diese Frage muss für jede Anwendung separat beantwortet werden. Eine fundierte Datengrundlage liefert eine neue Studie, die von Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden und der Universität Stuttgart erstellt wurde

Etwa 14 Monate Arbeit stecken in dem 140-seitigen Bericht. Das Umweltbundesamt wird ihn voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2021 veröffentlichen. Der fluid-Redaktion liegt die Vorabversion vor. Es handelt sich um eine Meta-Studie, also eine Auswertung vorhandener Statistiken, Forschungsarbeiten und Befragungen. Es ist die erste Forschungsarbeit, die der Frage nach dem Gesamtenergiebedarf der Fluidtechnik in Deutschland nachgeht und die Emissionen fluidtechnischer Antriebssysteme einordnet. Die Studie bewertet auch die möglichen Maßnahmen zur Energieeinsparung – mit teils überraschenden Ergebnissen.

Die Wissenschaftler legen als Maßstab den Ausstoß von CO2 (Kohlendioxid) zugrunde, der sich aus dem Bedarf an Primärenergie berechnen lässt. Sie analysieren, in welchen Branchen in Deutschland fluidtech-
nische Antriebe eingesetzt werden und wie viel Energie sie dabei verbrauchen. Zu diesem Thema stehen nur wenige Daten zur Verfügung. Die Forscher hatten allerdings Unterstützung: Bosch Rexroth, Festo, Liebherr, Panolin und der VDMA stellten ihre Expertise zur Verfügung. Demnach verursachen

  • die mobilen Arbeitsmaschinen rund 19,1 Millionen Tonnen CO2,
  • die Druckluft etwa acht Millionen Tonnen (davon entfallen etwa 1,6 Millionen Tonnen auf Pneumatik), 
  • die Stationärhydraulik etwa vier Millionen Tonnen.

Zum Vergleich: Die Stadt Berlin meldete für das Jahr 2019 einen Ausstoß von 17,2 Millionen Tonnen CO2, was in etwa den mobilen Arbeitsmaschinen in Deutschland entspricht. Maßnahmen, den Energiebedarf einer Maschine oder Anlage zu verringern, wurden in drei Kategorien untersucht:

  • Steuerungs- und regelungstechnische Maßnahmen
  • Erneuerung der bestehenden Technologie (Upgrade)
  • Einsatz einer anderen Antriebstechnik (Substitution)

Die Studie fasst die vorhandene Literatur zu Maßnahmen aus jeder der drei Gruppen zusammen. Einbezogen wurden Veröffentlichungen der letzten 20 Jahre, die mindestens schon als Demonstrator im Betrieb erprobt sind. Dabei zeigt die Forschungsarbeit, welches Einsparpotenzial sich auf diese Weise in verschiedenen Anwendungen ergibt und beschreibt, wie sich diese Maßnahmen realisieren lassen. Auf dieser Basis bewerten die Wissenschaftler mit einem branchenübergreifenden Punktesystem, wie groß der Effekt der Maßnahmen für die Umwelt ist: Eine Maßnahme ist dann von besonderer Bedeutung, wenn sie Maschinen sparsamer macht, die sich auszeichnen durch:

  • große installierte Leistung,
  • lange Betriebszeiten,
  • große vorhandene Stückzahlen in der Industrie.

Warum verschwendet die Industrie Energie?

Kraftstoff,
Bei den mobilen Maschinen macht sich ein hoher Energiebedarf im Kraftstoffverbrauch bemerkbar. - (Bild: Andalucia-stock.adobe.com)

Besonders relevant sind in der Kategorie der mobilen Maschinen die Lader und Bagger. Wenn man genau hinsieht, lässt die Studie hier politischen Handlungsbedarf erkennen: Denn Radlader und Kettenbagger verbringen rund 30 Prozent ihrer Zeit im Leerlauf. Würde man diese Leerlaufzeiten über eine Start-Stopp-Automatik eliminieren, wäre für das Klima viel gewonnen. Aber das Interesse halte sich in Grenzen, erklärt Tobias Radermacher von der TU Dresden, einer der Autoren der Studie. Denn es würden die Anreize fehlen: Viele der Bagger und Lader sind Mietfahrzeuge, die auf einen günstigen Anschaffungspreis (und damit Mietstundenpreis) getrimmt sind. Auch die Bediener hätten keinen Vorteil davon, ihre Gewohnheiten zu ändern. Dabei könnten kleine Dinge wie beispielsweise Trennung der Klimatisierung der Kabine vom Dieselmotorbetrieb ausschlaggebend für die Abschaltung des Motors im Stillstand sein. Dieses Dilemma kann durch politische Maßnahmen gelöst werden.

Wegen ihrer großen Wirkung hervorzuheben ist der Einsatz von Verdrängersteuerungen als Ersatz ventilgesteuerter Architekturen: Im Ziehkissen bei Tiefziehpressen können so Energieeinsparungen von bis zu 40 Prozent erzielt werden. Weitere Maßnahmen mit großer Wirkung sind zustandsorientierte Wartungskonzepte (Schläuche, Filter und so weiter).

Die Autoren der Studie beachten auch, ob es tech-nische Gründe gibt, die gegen die Umsetzung einer Maßnahme sprechen. Beispielsweise bei Förderanlagen hätten Antriebe mit mechanischem Getriebe die beste Energieeffizienz. Aber Antriebe müssen dort auch lange Lebensdauer, hohe Robustheit und teilweise auch geringes Gewicht aufweisen. Für Bandantriebe sind elektromechanische Antriebe sehr gut geeignet. Sobald das Gewicht reduziert werden muss oder Überlast ein Thema ist, setzen die Unternehmen Hydraulik ein. Energie ist hier kein entscheidender Faktor, deshalb bewerten die Autoren der Studie das Energiesparpotenzial für diesen Fall als untergeordnet. Auch in anderen Anwendungsbereichen ist die Energieeffizienz ein untergeordneter Faktor, beispielsweise zugunsten der Beherrschbarkeit der Technologie.

Auf einen Blick

Eine neue Metastudie zeigt, wo bei stationären und mobilen Maschinen Energie eingespart werden kann. Die Studie ordnet auch ein, wie groß die Wirkung einer Maßnahme über die einzelne Maschine hinaus ist. Die Autoren beleuchten steuerungs- und regelungstechnische Änderungen, die Erneuerung bestehender Technik und den Einsatz einer anderen Antriebstechnik als mögliche Maßnahmen. Der Bericht ist voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2021 über die UBA-Webseite verfügbar.

So wird Pneumatik effizienter

Den größten Effekt hätte laut der Studie der Support bei der energieeffizienten Systemauswahl in der Pneumatik. Hier sind die Komponentenhersteller und Beratungsfirmen gefragt!

Um zu entscheiden, ob Pneumatik oder Elektromechanik sinnvoller ist, empfehlen die Studienautoren, sich unternehmensspezifisch die „Total Cost of Ownership“ oder die „Overall Lifecycle Costs“ zu berechnen. Sie führen eine ganze Reihe von Untersuchungen auf, die für bestimmte Fälle beide Versionen beleuchten. Drei Fehler identifizieren die Autoren bei der energieeffizienten Anwendung pneumatischer Antriebe:

  • Unternehmen vernachlässigen die Frage nach Energieeffizienz und analysieren nur selten die Mehrkosten, die deshalb entstehen.
  • Viele Antriebssysteme sind darauf optimiert, in der Anschaffung wenig zu kosten, dabei sind die Energie-kosten oft viel wichtiger.
  • Maßgeblich für die CO2-Bilanz ist die Lebensdauer, nicht die Amortisationszeit.

Bei der Druckluftbereitstellung sehen die Wissenschaftler ein Einsparpotenzial von 20 bis 35 Prozent, was für Deutschland einer jährlichen Ersparnis von etwa 1,3 bis 2,3 Megatonnen Kohlendioxid entspricht. Der größte Batzen ist dabei die regelmäßige Beseitigung von Druckluftleckagen. Einfach und schnell umzusetzen können Maßnahmen wie Netzdruckabsenkung sowie die Vermeidung unnötiger Druckverluste sein.

Zur Studie

  • Autoren: Tobias Radermacher und Marcel Merx (Institut für Mechatronischen Maschinenbau, Technische Universität Dresden) sowie Manuel Unger (Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart)

  • Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Umweltbundesamt)

  • Veröffentlichung: voraussichtlich Ende Q1/2021 auf: http://www.uba.de/Publikationen

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