Der Fendt e100 Vario kann mit elektrifizierten sowie bereits bestehenden Anbaugeräten genutzt werden.

Der batterieelektrische Traktor Fendt e100 Vario durchläuft derzeit verschiedene Feldversuche mit konventionell und hydraulisch angetriebenen Geräten. Der Fendt e100 Vario kann mit elektrifizierten sowie bereits bestehenden Anbaugeräten genutzt werden. (Bild: AGCO)

Mit rund 15 km/h fährt eine John-Deere-Feldspritze über ein weites Sojabohnen-Feld. Zwischen den kleinen, hellgrünen Kulturpflänzchen wächst auch Unkraut. Das soll vernichtet werden. Die Feldspritze spritzt das Herbizid in feinem Strahl mal aus der einen, mal aus der anderen Düse. Jede Düse an dem über 25 Meter langem Ausleger wird einzeln aktiviert. Ein Trupp von Landarbeitern schreitet hinter der Maschine her. Unter ihnen Landwirt Jeremy. Er ist fasziniert von der Treffsicherheit der Maschine: „See & Spray erkennt auch sehr kleines Unkraut. Das System hat erkannt, dass es weder Sojapflanze noch Erdklumpen ist.“

John Deere wirbt für See & Spray, eine Technologie zur Erkennung einzelner Pflanzen. Die Einzelpflanzenbehandlung ist Thema Nummer eins in der Branche, auch hierzulande. „Das Wissen zu den Verfahren der Einzelpflanzenbehandlung ist neu und wächst rasant“, sagt Dr.-Ing. Marcus Geimer, Institutsleitung des Institutsteils Mobile Arbeitsmaschinen am KIT. Durch das Wissen, wo genau Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Wasser fehle, könne man die Pflanzen immer besser individuell behandeln. Weniger Dünger oder Herbizide bedeuten eine geringere Belastung des Grundwassers.

Pflanzenschutzmittel einsparen

Vorreiter Deere bietet See & Spray in Deutschland erst einmal limitiert für die Anhängefeldspritzen der Serie R900i mit 36 und 39 Meter Gestänge an. Pro Meter Arbeitsbreite nimmt eine Kamera im Gestänge in Echtzeit Bilder der Pflanzen auf, verarbeitet sie und aktiviert die Düsen für eine punktuelle Behandlung. Durch das Verspritzen von Vorauflaufherbiziden kann laut Hersteller bis zu zwei Drittel Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Einsparen, Umweltschonen – die große gesellschaftliche Herausforderung lautet, Landwirtschaft muss schnell wesentlich nachhaltiger und zugleich effizienter als bisher betrieben werden.

Auf der Agritechnica 2023 war ‚Smart Farming‘ Themenschwerpunkt.
Auf der Agritechnica 2023 war ‚Smart Farming‘ Themenschwerpunkt. Rückgrat des Smart und Precision Farming bilden Sensoren. Spezielle Algorithmen machen die sensorisch erfassten Messwerte nutzbar, indem sie diese mit pflanzenbaulichen Handlungsentscheidungen verknüpfen. (Bild: Agritechnica)

Mit Hochdruck arbeiten die Hersteller an Lösungen für eine Präzisionslandwirtschaft. „Um während der Feldüberfahrung in Echtzeit jede Pflanze zu scannen, um sie sogleich individuell behandeln zu können, sind modernste Technologien und Verfahren notwendig“, meint Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer des VDMA Landtechnik. Schluss mit dem Gießkannenprinzip, die teilflächenspezifische Bearbeitung muss mithilfe immer intelligenterer Bildverarbeitungssystemen, leistungsstarker Software und viel Sensorik vorangebracht werden. In der Düngung berichtet Erhard, wird beispielsweise Radartechnik eingesetzt, „sie erfasst die rotierende Bewegung und steuert sie so, dass das Düngemittel nicht abdriftet, sondern punktgenau landet.“ Eine Überdüngung und Auslaugung des Bodens kann so vermieden werden.

Ertrag steigern, ohne Schäden zu verursachen

Befeuert wird die Einzelpflanzenbehandlung zusätzlich durch den Flächenfraß. Die Verfügbarkeit von Fläche schrumpft durch Versiegelung und Verstädterung. Kriege in vielen Weltgegenden sorgen dafür, dass Felder abgebrannt oder nicht bewirtschaftet werden. „Für Weizen, Mais und Reis brauchen wir große Flächen, oder müssen mehr Ertrag aus der vorhandenen Fläche holen“, sagt Ehrhard. Die Folge ist eine Intensivierung der Bodennutzung – ohne den Boden zu erschöpfen.

Passende Technologien dafür sind punktgenaue Arzneien für die jeweilige Pflanze. Pflanzenpflege und Schutz kann mit chemischen Mitteln oder aber auch mit mechanischen erreicht werden. „Zunehmend gewinnt der Einsatz von Hacktechnik an Bedeutung, in der mechanischen Unkrautbekämpfung ist einiges in Bewegung“, berichtet Ehrhard. Die Firma Ullmanna hat mit der Arow Box erstmals eine Hightech Komponente entwickelt, die Pflanzen in Echtzeit identifiziert und anvisiert und so eine mechanische Unkrautbekämpfung mittels künst­licher Intelligenz ermöglicht.

Die preisgekrönte Arow Box von Ullmanna, Tschechien, findet und jätet Unkraut mithilfe visueller Odometrie, KI und Tiefensensoren.
Maschinelles Jäten statt Handarbeit oder chemische Herbizide: Die preisgekrönte Arow Box von Ullmanna, Tschechien, findet und jätet Unkraut mithilfe visueller Odometrie, KI und Tiefensensoren. (Bild: Ullmanna)

Doch nicht nur die Präzisionslandwirtschaft entwickelt sich rasant, der Branche insgesamt geht es hervorragend. So berichtet der VDMA von zweistelligen Wachstumsraten seit Mitte 2020. Im ersten Halbjahr 2023 gelang es den Landmaschinen- und Traktorenherstellern, ihren Umsatz im hohen zweistelligen Prozentbereich auf knapp sechs Milliarden Euro zu steigern. Eine technik­affine Branche modernisiert quer über alle Segmente. „Digitalisierung durchdringt alle Bereiche des landwirtschaftlichen Betriebes und wird inzwischen in der Breite eingesetzt“, so Ehrhard. Die Bandbreite reicht von der Digitalisierung des Farmmanagement bis zu digitalen Ackerschlag-Karten.

Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer.
Zitat

„In der Forstwirtschaft ist die Automatisierung der wichtigste Trend. Es gibt Fortschritte in der Umgebungserkennung, KI-Systeme können sehr effizient geschult werden.“

Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer, Institutsleitung des Institutsteils Mobile Arbeitsmaschinen am KIT

(Bild: KIT)

Forst- und Landtechnik ist nicht dasselbe

Zur Landtechnik gehören auch forsttechnische Geräte, stationäre und mobile Maschinen wie Harvester, Forwarder, Forsttraktoren, Greifer und vieles mehr. Bearbeitungsmaschinen hier haben andere Ausstattungsmerkmale als die fürs Feld. Die Fortbewegung auf unebenem Gelände, sowie das Ernten und Verladen großer Bäume erfordert Maschinen, die mit Geländeunebenheiten und ungleichmäßiger Belastungen gut zurechtkommen. Maschinenschutz, verbrauchs- und schadstoffarme Motoren sind in der Forsttechnik der Standard.

Automatisierung und hybride Antriebssysteme sind weit verbreitet. „Der wichtigste Trend in der Forstwirtschaft ist die Automatisierung. Auch hier gibt es Fortschritte in der Umgebungserkennung. Intelligente Systeme erfassen, wo Hindernisse sind, sie können Bäume oder Fahrwege unterscheiden“, berichtet Prof. Marcus Geimer, KIT. Der Fachkräftemangel gibt der Automatisierung weiteren Schub. „Gerade in der Forstindustrie herrscht ein großer Mangel an Fachkräften. Die Aufgabe, Baumstämme effizient zu greifen, zu sägen oder geordnet auf einen Lkw zu laden, ist schwierig. Facharbeiter müssen in der Regel erst einmal neun Monate geschult werden, bevor sie produktiv arbeiten. KI Systeme können sehr effizient mit den forstrelevanten Aufgaben geschult werden“, so Prof. Geimer.

Nachhaltige Bewirtschaftung erfordert auch in der Maschinenfortbewegung neue Herangehensweisen. Wo früher Moore trockengelegt wurden, gelten sie heutzutage als CO2-Speicher. Sie sollen erhalten oder renaturiert werden. Doch wie soll sich eine schwere Arbeitsmaschine über nassen Boden bewegen?

Aktuelles Forschungsprojekt ‚Portalschreitwerk als Fortbewegungsprinzip auf befahrungssensiblen Böden und zerklüfteten Untergründen‘ .
In dem aktuellen Forschungsprojekt ‚Portalschreitwerk als Fortbewegungsprinzip auf befahrungssensiblen Böden und zerklüfteten Untergründen‘ werden die mechanischen, hydraulischen und steuerungstechnischen Anforderungen des Bewegungsprinzips ‚Schreiten mit einem Portalschreitwerk‘ erforscht. (Bild: TU Dresden)

Das KIT hat zusammen mit weiteren Partnern ein Portal-Schreitwerk entwickelt. „Es schreitet auf drei Füssen. Dadurch bleibt die Belastung des Bodens niedrig. Im Fokus haben wir weiche und nasse Böden, zum Beispiel Moore. Für Grab- aber auch Erntearbeiten kann unser Portal-Schreitwerk genutzt werden“, so Geimer. Nach den sogenannten Schreitbaggern, die bereits erfolgreich zur Fortbewegung durch unwegsames Gelände eingesetzt werden, könnte das Portalschreitwerk auf nassen Böden eine größere Bewegungsfreiheit bieten. Zum Stand des Projekts berichtet Geimer: „Die Fertigung der Teile für das Portalschreitwerk ist beauftragt. Nächstes Jahr werden wir die Maschine bauen. Es kann sowohl mit einer Kabine für den Fahrer ausgestattet werden, oder fahrerlos eingesetzt werden.“

Dr. Tobias Ehrhard.
Zitat

„Das breite Spektrum landwirtschaftlicher Anwendungen macht eine einsatzspezifische Auswahl geeigneter Antriebssysteme zwingend erforderlich. Flüssig und elektrifiziert, wir brauchen beides.“

Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer VDMA Landtechnik

(Bild: VDMA)

Option hydrierte Pflanzenöle

Das Ringen um Antworten auf die große Kraftstofffrage ist in der Land- und Forstwirtschaft gleichermaßen in vollem Gange: Während die aktuelle Regierung die Biokraftstoffquote bis 2030 auf null absenken möchte, befürwortet der VDMA einen technologieoffenen Energiemix. „Biokraftstoffe sind ein zentrales Element im Energiemix der Zukunft“, meint Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer VDMA Landtechnik. Sogenannte Hydrotreated Vegetable Oils (HVO) betrachtet Eberhard als vielversprechend.

Hauptsache emissionsarm, heißt es bei Fendt. „Zu unserem aktuellen Technologievorsprung gehören auch emissionsärmere Antriebe, auf sehr lange Sicht also der Abschied vom Diesel“, sagt Christoph Gröblinghoff, Vorsitzender der Geschäftsführung. In dem Modellprojekt H2Agrar wird die Nutzbarkeit und das Leistungspotenzial von Wasserstoff in der Landwirtschaft erforscht. Das Projekt wurde 2022 bereits mit dem DLG Agrifuture Concept Award 2022 ausgezeichnet. Fendt hat dort im Februar den Prototypen eines Wasserstofftraktors mit Brennstoffzelle vorgestellt.

Deutz hat einen Motor entwickelt, der Wasserstoff direkt verbrennt. Ab 2024 soll die Serienproduktion anlaufen. Einig sind sich alle, dass Schlepper und die großen landwirtschaftlichen Maschinen weiterhin auf flüssige Kraftstoffe angewiesen sein werden. Bis zu einer Leistungsgrenze von rund 100 Kilowatt wird elektrisiert.

2024 startet Fendt die Serienproduk­tion eines E-Traktors. Eingesetzt werden die elektrischen Kleintraktoren derzeit bereits auf einem Bio-Obsthof als Hofschlepper. Den Strom auf diesem Versuchshof liefert eine PV-Anlage, die anstelle der sonst üblichen Hagelschutznetze oder Folienüberdachung über den Obstbäumen installiert wurde.

Rücklauffilter mit AirEX von Argo-Hytos.
Eine Verkleinerung des Hydrauliktanks kann zu Problemen führen, da die im Öl enthaltene Luft nicht entweichen kann. Nicht so mit den Rücklauffiltern mit AirEX von Argo-Hytos. Die Luftabscheidung reduziert den Luftgehalt im Öl um rund 40 Prozent. (Bild: Argo-Hytos)

Neues von den Hydraulikern

Doch auch die Hydrauliker veranstalten einiges, um ihre Systeme effizienter und kompakter zu gestalten. Beispiele dafür waren auf der Agritechnica in Hannover zu sehen. So etwa der neue Entlüfter für Hydrauliktanks von Argo Hytos. Er sorgt dafür, dass kleine Luftblasen in größere Blasen umgewandelt werden. Diese können das Öl leichter verlassen. Das Wichtigste: Der Tank kann um bis zu 50 Prozent kleiner dimensioniert werden. Das senkt die Kosten, erlaubt längere Wechselintervalle, was wiederum Ressourcen spart.

Um Hydraulik- und andere Komponenten für land- und forsttechnische Maschinen ressourcenschonend und individualisiert fertigen zu können, wenden inzwischen alle großen Bau-, Forst- und Landmaschinenhersteller additive Verfahren in der Serienproduktion oder zumindest in der Kleinserienproduktion an. „Wir gehören zu den Ersten in der Agrarindustrie, die die Vorteile des 3D-Drucks sowohl für die Prototypenerstellung als auch für die Endfertigung von Bauteilen nutzen“, berichtet Dr. Jochen Müller, Manager Global Digital Engineering bei John Deere.

Auch die Firma Ibl Hydronic, Hersteller von hydraulischen und elektronischen Systemen für Baumaschinen, Agrar- und Forstmaschinen fertigt additiv. Auf einer modernen 3D-Druck Fertigungslinie entsteht eine Vielzahl von Produkten, die individuell an ihre Funktion und Kundenwunsch angepasst werden. Ein Teil der 3D-Teile wandert in die hauseigenen Hydraulik-Steuerblöcke. „Für höhere Stückzahlen nutzen wir ein Hybridverfahren, das 3D-Druck und Spritzguss kombiniert. Dadurch können wir sowohl Individualanfertigungen als auch Großserienproduktionen effizient und kosteneffektiv umsetzen“, berichtet Tom Heindl, Head of additive Manufacturing / Design, Ibl Hydronic.

Die Armlehnen von Ibl Hydronic werden ergonomisch und funktionell auf die Bedienung der jeweiligen Maschine abgestimmt.
Die Armlehnen von Ibl Hydronic werden ergonomisch und funktionell auf die Bedienung der jeweiligen Maschine abgestimmt. Additive Fertigungs- und Post-processing-Technologien erlauben, kleine und mittlere Serien ressourcenschonend zu fertigen. (Bild: Ibl Hydronic)

Ein Beispiel für ein individuell gefertigtes Produkt für mobile Maschinen ist eine individualisierte Armlehne mit Bedienelementen für die Arbeitshydraulik. „Standardisierte Armlehnen werden konventionell in Serie produziert. Dies führt zu Lagerkosten und erschwert spätere Anpassungen. Zudem ist das aus energetischer und umweltschonender Sicht nachteilig, da sie zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch und potenziellem Abfall führen“, erklärt Heindl.

Additiv gefertigte Komponenten hingegen bedeuten geringere Anfangsinvestitionen, auch bei kleinen Stückzahlen. Darüber hinaus können additiv gefertigte Komponenten exakt auf die individuellen Anforderungen und Präferenzen des Nutzers abgestimmt werden, und die sind laut Heindl gerade in der Landtechnik sehr unterschiedlich.

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