Dachrelings für Kombis, Zierleisten und Stoßstangen, Strukturbauteile für Schienenfahrzeuge oder Flugzeuge: Streckbiegen ist ein universell einsetzbares Verfahren für die Formgebung sowohl in der Großserienfertigung wie auch für kleine Stückzahlen. Das Unternehmen Günther Wensing bietet seit nunmehr 50 Jahren Sondermaschinen und CNC-Streckbieger an und entwickelt den Stand der Technik ständig weiter. In der neuesten Maschinengeneration setzt der Mittelständler auf intelligente und vernetzte Hydraulik von Bosch Rexroth.
Der Anbieter mit Firmensitz im westlichen Münsterland stellt bereits seit 1970 Maschinen her. Ursprünglich auf Kunststoff- und Holzbearbeitungsmaschinen fokussiert, konzentriert er sich heute auf CNC-Streckbieger. „Wir haben bislang mehr als 300 CNC-Streckbiegeautomaten ausgeliefert“, rechnet Geschäftsführer Jens Wensing vor. „Auf unseren Anlagen werden jährlich 15 Millionen Bauteile hergestellt.“
„Wir stehen immer unter einem hohen Zeitdruck, da kommt uns so ein Modell von der Stange sehr gelegen.“
Hans-Gerd Heming, Geschäftsführender Gesellschafter Günther Wensing
Das Unternehmen entwickelt die Maschinen ständig weiter. Das Maschinenspektrum reicht von vier Quadratmeter kleinen Anlagen für Zierteile bis hin zu 50 Tonnen schweren und zwölf Meter langen Anlagen mit 60 Tonnen Reckkraft. In allen Maschinen setzt die Firma hydraulische und elektrische Achsen im gemischten Betrieb ein. Bei den kleineren Maschinen hat sie seit 2020 auf das Hydraulikaggregat Cytropac von Rexroth umgestellt. „Das Cytropac ist kompakt und komplett, das vereinfacht bei uns die Montage“, hebt Hans-Gerd Heming, ebenfalls Geschäftsführer bei Günther Wensing, hervor. „Wir stehen immer unter einem hohen Zeitdruck, da kommt uns so ein Modell von der Stange sehr gelegen.“
Hydraulik für kleine Bauräume
Diese Aggregate-Reihe von Bosch Rexroth sieht anders aus als gewohnt: In einer glatten Zylinderform sind alle Hydraulikkomponenten mit einem Frequenzumrichter, Motor, Pumpe und Sensorik zu einem schaltschranklosen Aggregat kombiniert. Es benötigt lediglich die Hälfte des Bauraums bisheriger Lösungen. „Wir vereinfachen an dieser Stelle die Konstruktion und beschleunigen die Inbetriebnahme“, bekräftigt Jens Wensing. Alle elektrischen Anschlüsse sind steckbar ohne Einzelverdrahtungsaufwand. Das Aggregat kommuniziert über Profinet mit der übergeordneten Maschinensteuerung. Darüber hinaus unterstützt die Multi-Ethernet-Schnittstelle alle weiteren gängigen Ethernet-Protokolle wie Sercos, Ethercat, EtherNet/IP und Modbus/TCP sowie Profibus.
Wie macht man Umformmaschinen nachhaltiger und leiser?
Nachhaltigkeit ist für Wensing ein wichtiges Thema. Cytropac basiert auf drehzahlvariablen Antrieben Sytronix von Rexroth. Der integrierte Frequenzumrichter regelt eigenständig und bedarfsgerecht die Drehzahl des Motors. Dadurch sinkt der Energiebedarf bei gleicher Leistung je nach Zykluscharakteristik zwischen 30 und 80 Prozent im Vergleich zu Konstantaggregaten. Mit einer Speicherschaltung erzeugt das Aggregat kurzzeitig große Volumenströme. Dadurch reichen kleinere Pumpen. Zusätzlich hat das Unternehmen die eingesetzte Fluidmenge durch den Einsatz des Aggregats verringert: Heute kommen die Maschinen mit der Hälfte aus. Gleichzeitig wird das Hydraulikmedium durch das Aggregat weniger belastet und es erreicht mit dem integrierten Filter-Kühler-Kreislauf eine höhere Standzeit. Für Hans-Gerd Heming ist dieser Punkt ebenfalls immens wichtig: „Wir haben ein sehr niedriges Arbeitsgeräusch und brauchen keine zusätzliche Kapselung.“
Biegekontur genauer einstellen
Der Maschinenbauer setzt die einzelnen Bewegungsabläufe im Biegevorgang über eine CNC-Steuerung um. Dabei hat das Unternehmen einen einzigartigen Einrichtbetrieb entwickelt: Anwender fahren die gesamte Biegekontur mit einem „Teach-In“ ein. Über die numerische Funktion kann jeder einzelne Biegepunkt numerisch abgeglichen werden. Das ermöglicht ein sehr hohes Genauigkeitsprofil und gibt dem Hersteller eine Alleinstellung im Markt.
Elektrische und hydraulische Achsen regeln im gemischten Betrieb
In den Streckbiegemaschinen arbeiten im gemischten Betrieb bis zu 16 elektrische und hydraulische Achsen interpolierend. Die elektrischen Achsen führt der Hersteller über Lineareinheiten mit integriertem Absolut-Wegmesssystem IMS-A von Bosch Rexroth. Das verschleißfreie IMS-A ist so genau wie ein Glasmaßstab aber unempfindlich gegenüber Stößen und Vibrationen.
„Wir haben bislang mehr als 300 CNC-Streckbiegeautomaten ausgeliefert“
Jens Wensing, Geschäftsführender Gesellschafter Günther Wensing
Die hydraulischen Achsen werden je nach Aufgabe über Weg, Kraft oder Position geregelt. „Bei hohen Reckkräften machen schon kleine Abweichungen bis zu 1.000 Kilonewton mehr oder weniger am Werkstück aus“, schildert Hans-Gerd Heming die Herausforderung. Die Hydraulikventile steuert der Maschinenbauer entweder analog über ein digitales Hydraulikmodul an oder setzt IAC-Ein-Achs-Regler von Bosch Rexroth mit integrierter Motion Control ein. Die baugleichen Ventile unterscheiden sich nur durch die On Board-Elektronik. Die Ein-Achsregler schließen dezentral den Regelkreis und fügen sich ebenfalls über eine Multi-Ethernet-Schnittstelle in verschiedene Automatisierungsumgebungen ein.
Auf einen Blick
Günther Wensing setzt bei seinen CNC-Streckbiegemaschinen seit 2020 das Cytropac-Aggregat ein. Wichtige Argumente waren die Vereinfachung und Beschleunigung der Montage, Konstruktion und Inbetriebnahme. Dazu kamen der niedrige Energiebedarf, geringe Öl-Wartungskosten und ein leiser Betrieb. Die hydraulischen Achsen werden entweder analog oder über Ein-Achs-Regler mit integrierter Motion Control gesteuert.Die Aggregate und die hydraulischen Ventile sind fernwartungsfähig.
Interview mit Dr. Mark Krieg, Leitung Entwicklung, Bosch Rexroth
Große Sprünge in der Elektrohydraulik und bei vernetzten Systemen
Ich würde gerne wissen, was sich bei hydraulischen Linearaktuatoren tut. Zunächst einmal zu den einfachen Hydraulikzylindern: Arbeiten Sie da an neuen Lösungen oder sind die ausentwickelt?
Mark Krieg: Klar sind bei der Standardhydraulik die Sprünge kürzer. Aber von „ausentwickelt“ würde ich nicht sprechen. Es kommen künftig andere Anforderungen hinzu, zum Beispiel Sensorik für Leckage-Erkennung, aber auch andere Werkstoffe und Beschichtungen. Von daher wird beim Standard-Zylinder auch noch einiges passieren, aber nicht in solcher Geschwindigkeit wie im Bereich der Elektrohydraulik oder bei dem, was wir unter dem Begriff Connected Hydraulics zusammenfassen.
Wie sieht es beim Thema SHA aus, also servohydraulischen Achsen mit integriertem Aggregat. Entwickeln Sie momentan neue Lösungen in diesem Bereich?
Mark Krieg: Ja, selbstverständlich. Es ist schade, dass die Hannover Messe nicht stattgefunden hat. Dort wollten wir eine Lösung präsentieren. Rexroth arbeitet an einer neuen Generation servohydraulischer Achsen, die nicht nur ein Zusammenschalten von bestehenden hydraulischen Komponenten ist, sondern ein neues, integriertes System, das auch unsere Philosophie der Connected Hydraulics unterstützt.
Das System, an dem wir arbeiten, wird einfach im Engineering sein. Kunden werden über verschiedene Konfigurationen die Möglichkeit haben, für ihre konkreten Anforderungen die ideale Kombination von Pumpe und Elektromotor auszuwählen.
Es wird einfach in Betrieb zu nehmen sein. Und Anwender können über gängige Ethernet-Schnittstellen während der Produktion darauf zugreifen. Außerdem wird es klasse aussehen.
Die SHA haben einige Vorteile, zum Beispiel ist weniger Fachwissen nötig, um sie einzusetzen. Sehen Sie hier in dieser dezentralen Hydraulik-Struktur die Zukunft der Hydraulik?
Mark Krieg: Die Leistungsverzweigung ist grundsätzlich ein Vorteil der Hydraulik, auch gegenüber der Elektrik. Wenn sich eine zentrale Hydraulik aus verschiedenen Gründen nicht lohnt, Konstrukteure aber auf die Vorteile der Hydraulik, zum Beispiel die hohe Kraftdichte, nicht verzichten wollen, sind autarke Achsen eine Möglichkeit. Sie verfügen über einen eigenen geschlossenen Fluidkreislauf, benötigen also kein zentrales Hydraulikaggregat. Nach außen haben sie nur noch Stecker: für die Regelung und für die elektrische Leistungsversorgung. Sie werden sich künftig weiterverbreiten, aber die Zentralversorgung nicht ersetzen. Hersteller werden sich je nach Rahmenbedingungen für die eine oder die andere Möglichkeit entscheiden.
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