Wir sind ja momentan alle gezwungen, Bereiche unseres Lebens zu digitalisieren, die zu digitalisieren wir gar nicht vorhatten, zum Beispiel Messen, Fachkonferenzen und Meetings. Weil diese Umstellung unfreiwillig erfolgt, stechen die Nachteile der Digitalvarianten besonders ins Auge, während man die Vorteile eher mit milder Überraschung zur Kenntnis nimmt. Dabei sind Online-Konferenzen und digitale Messen eigentlich ganz nützlich, wenn sie denn – das ist der Knackpunkt – gut gemacht sind. Das Frustrierende bei der Entwicklung solcher Plattformen ist: Spätestens übernächstes Jahr brauchen wir all diese Konzepte und Techniken wohl nicht mehr, denn dann werden wir zu unserer früheren Normalität zurückgekehrt sein. Oder nicht?
Ich bezweifle in der Tat, dass es diesen Weg zurück überhaupt noch gibt, zumindest in einigen Bereichen. Das Wissen um die digitalen Möglichkeiten ist da, die Analog-Unschuld zerstört. Ein Beispiel: Ist es einem internationalen Publikum von weit her, dessen Terminkalender eng getaktet ist, in Zukunft noch zuzumuten, den langen Weg zu einer Konferenz physisch auf sich zu nehmen, wenn es doch digitale Alternativen gibt, die nachweislich auch ganz gut funktionieren? Wenn man die Reisezeit einberechnet, sind die digitalen Kommunikationswege bei internationalen Veranstaltungen unschlagbar effizient. Rechner an, fertig! Da hält kein Flugzeug mit. Dazu kommt: Viele Nachteile digitaler Veranstaltungen sind unausgereiften Plattformen geschuldet und der Umgewöhnung. Das heißt, mit etwas Erfahrung werden sie sich in Luft auflösen.
Die Technik-Geschichte zeigt: Damit sich eine Entwicklung durchsetzen kann, ist nichts wichtiger als die Bequemlichkeit. Warum sonst würden wir auf winzigen Handy-Bildschirmen Online-Einkäufe tätigen? Weil es auf dem Sofa bequemer ist als am Schreibtisch. Warum fahren wir 1,5 Kilometer mit dem Auto zur Arbeit, obwohl wir Probleme mit Bewegungsmangel haben? Weil Autofahren bequemer ist als Fahrradfahren. Warum also sollten wir in Zukunft wieder Marathonstrecken auf Messegeländen laufen oder stundenlang zu Konferenzen reisen, wenn wir das auch alles von unseren Schreibtischstühlen aus erledigen können? Und dann ist eine digitale Veranstaltung auch noch billiger, weil die Reisekosten entfallen.
Brauchen wir die Sicherheits- und Quarantäne-Argumente überhaupt, wenn schon Bequemlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit für die Beibehaltung digitaler Veranstaltungen sprechen? Natürlich gibt es auch Fälle, die sich digital nur schlecht abbilden lassen. Aber gerade wenn der Weg weit und die Zeit knapp ist, hat eine gut gemacht Online-Veranstaltungen durchaus ihren Reiz. Und das sollten wir nicht ignorieren, nur weil die Erkenntnis unfreiwillig kam.
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