Tanja Breunung-Bockenheimer

Tanja Breunung-Bockenheimer hatte schon als Kind den Hang zur Technik. Mit Puppen spielen war nie so ihr Ding, gefragter war da schon eher das Zerlegen von Kettcars. Seit knapp 15 Jahren schon beschäftigt sie sich bei ContiTech mit der Entwicklung von Schlauchleitungen. (Bild: ContiTech)

fluid: In der ContiTech Fluid Technology sind vor noch nicht allzu langer Zeit strukturelle Veränderungen vorgenommen worden. Wie ist nun der Status quo?

Vorab vielleicht noch einige grundlegenden Erklärungen: ContiTech Fluid Technology ist Entwicklungspartner und Erstausrüster von der Schlauchkomponente bis zum komplexen Leitungssystem mit umfassender Material- und Verfahrenskompetenz innerhalb der Automobilindustrie sowie vieler weiterer bedeutender Industrien. Zum Werkstoffspektrum gehören Kautschuk, Kunststoff, Textil, Stahl und Aluminium für Schläuche, Schlauchbogen, Schlauch- und Rohrleitungen sowie deren Verbindungskomponenten. Die Veränderungen die Sie ansprechen, haben mit dem neuen Segment CIV zu tun, das ContiTechs Fluid-Kompetenzen bündelt. Das Kürzel steht für Commercial & Industrial Vehicles.

Es bündelt quasi die Gesamtkompetenz des Geschäftsbereichs für alle Medienströme in den Bereichen Nutzfahrzeuge und Industrieanwendungen. Um es noch etwas transparenter zu machen: Neben den Nutzfahrzeugen finden sich im Segment nun auch Produkte für Land- und Baumaschinen, den Materialtransport, Motoren und Kompressoren. Die übrigen Geschäftsfelder des früheren Segments Industrieleitungen sind jetzt im Segment Industrieschläuche angesiedelt. Ich bin im Segment CIV nun verantwortlich für die Entwicklung konventioneller Schlauchleitungen. Wir beschäftigen uns ja auch noch mit der sogenannten SCR-Technologie (Selective Catalytic Reduction). Diesen Bereich verantwortet ein Kollege von mir.

fluid: Beschreiben Sie bitte kurz das Leitungs-Portfolio.

Unter die Begrifflichkeit Hydraulikschläuche im Segment CIV fallen beispielsweise Bremsschläuche, DIN-Schläuche, Kühlwasserschläuche, Ölschläuche, Kältemittelschläuche, SCR-Schläuche, Kraftstoffschläuche, Servoschläuche und auch Schläuche für Sonderanwendungen. Mit der Bündelung aller Produkte ist CIV damit ein Marktsegment, für die es im Automotivebereich jeweils einzelne Produktsegmente gibt.

fluid: Welche Bedeutung haben nun speziell Schläuche für Mobil- und Stationärhydraulikanwendungen?

Die haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Wir setzen für diese Applikationen aber primär Standardschläuche ein, also alles was DIN entspricht.

fluid: Gibt es im Produktprogramm noch weiße Flecken? Wenn ja, welche?

Bei den Standardschläuchen haben wir bestimmt noch weiße Flecken, die sind aber gewollt. Denn wir wollen uns nicht wirklich nur auf den Standard herunter brechen. Wir setzen Standardschläuche ein, wenn unsere Kunden das möchten. Aber für uns sind spezielle Kunden-Spezifikationen die Herausforderung.

fluid: Gibt es Industriezweige, die besonders hohe Anforderungen an Hydraulikschläuche stellen?

Ich möchte die Frage zunächst einmal pauschal beantworten. Sehr anspruchsvoll sind beispielsweise große Dimensionen. Für den Miningbereich haben wir schon die Nennweiten 70, 90, zum Teil auch schon 100 realisiert. Und die mit einer Armatur zu verknüpfen, ist nicht ganz so einfach. Wir haben es hier in der Regel mit keinen hohen Drücken zu tun, aber dennoch ist die Sache sehr komplex. Wenn man so will, spielt sich die Komplexität auf zwei Ebenen ab: Vielfach sind die kleinen Nennweiten mit hohen Drücken verbunden, beispielsweise die Kipphydraulik im Bereich Truck. Und bei großen Schläuchen ist es meist sehr schwierig, die passende Armatur zu finden, wie in der letzten relevanten Entwicklung für einen zuschaltbaren Vorderradantrieb im LKW-Bereich. Hohe Anforderungen stellen beispielsweise auch Gabelstapler.

Die Schläuche werden vorne am Hubmast über Rollen geführt und müssen dadurch sehr flexibel sein. Um`s auf einen Nenner zu bringen: hohe Drücke, kleine Nennweiten und kleine Biegeradien sind schon gewaltige Herausforderungen. Was gerade in jüngster Zeit immer häufiger vorkommt sind die Forderungen nach höheren Temperaturen. Wenn ich an die Motorenumgebung von Trucks denke, da kommen dann schon mal 190 Grad Celsius vor. Ob Hydraulikschläuche in Baumaschinen, Landmaschinen, Flurförderzeugen oder Kompressoren – alle haben sie ihre besonderen Pflichtenhefte.

fluid: Wenn Schlauchausfälle vorkommen – was können denn die Ursachen sein?

Wo Menschen arbeiten, werden auch Fehler gemacht. Bezogen auf die Schlauchproduktion bedeutet das: Es wird zuerst die Innenseele extrudiert, im zweiten Arbeitsgang wird das Geflecht aufgebracht und schließlich die Decke. In diesem Produktionsprozess sind maschinelle Fehler möglich. Es können aber auch Fehler bei der weiteren Montage des Schlauches zur Leitung auftreten. Und was als weitere Fehlerquelle hinzukommen kann ist die Tatsache, dass wir die Lastenhefte der Kunden nicht immer exakt kennen. Ich denke hier konkret an Parameter wie Nennweite, Temperatur, Druck, Biegeradius und Medium. Aus diesem Grund sind unsere internen Qualitätsstandards (50 ppm) höher gesteckt als unsere Kunden fordern. Um diesen internen hohen Anforderungen gerecht zu werden, führen wir bei allen Prozessschritten Online-Prüfungen ein.

fluid: Worauf muss der Konstrukteur und Entwickler einer Maschine/Anlage bei der Auswahl eines Hydraulikschlauchs besonders achten?

Es sollte ein Lastenheft eindeutig definiert sein. Ich hatte es schon erwähnt: wichtig sind Druck, Nennweite, Medium und Temperatur. Berücksichtigen muss der Konstrukteur aber auch die Umgebungseinflüsse in der Anwendung. Das können externe Wärmequellen sein, die Schmorstellen und Ausfälle zur Folge haben können. Enorm wichtig ist auch der Blick auf die Einbausituation: Dass ausreichend Platz vorhanden ist, der Schlauch nicht gequetscht werden kann oder unterhalb seines Biegeradius beansprucht wird. Eventuelle Störgeometrien in der Nähe der Schlauchleitungen, die zu ungewollten Scheuerstellen am Produkt führen, können schnell zum Ausfall führen.

fluid: Apropos Medien: bereiten spezielle Medien den Schläuchen Probleme?

Das kommt auf das Medium an. Fragen hinsichtlich der Medienverträglichkeit reichen wir in der Regel an unsere Chemiker weiter. In den letzten Jahren sind in der Tat neue Mischungen für spezielle Medien entwickelt worden. Mineralöle sind eigentlich nicht das große Problem, aber die diversen im Einsatz befindlichen Kraftstoffe (zum Beispiel E10) und Bioöle bereiten uns schon ab und an Kopfzerbrechen.

fluid: Welche Todsünden begehen Konstrukteure und Entwickler bei der Schlauchauswahl immer wieder aufs Neue?

Ich möchte nicht gerade von Todsünden sprechen, aber was ab und zu vergessen wird sind die Kundennormen und -forderungen und dass die Schlauchleitung als nicht flexibles Element betrachtet wird. Wir liefern auch in die Automobilindustrie und sind zertifiziert nach ISO 16949 und hier ist das durchaus ein großes Thema. So gesehen reicht es nicht immer aus, das Lastenheft zu kennen. Ich möchte die Aussage mit einem Fallbeispiel erläutern. Es könnte durchaus sein, dass eine Kundenforderung ist: Die Schlauchleitung muss 1 Mio. Lastwechsel in der Entwicklungsprüfung zum Erhalt der Freigabe des Kunden überstehen. Unsere vorliegenden Ergebnisse aus Entwicklungsversuchen können leider nicht verbindlich für Voraussagen über die Lebensdauer der verschiedenen Anwendungen herangezogen werden, da eine Korrelation kaum gegeben ist. Aufzeichnungen über den Einsatzbedarf der Schlauchleitungen könnten bei der Ermittlung einer durchschnittlichen Einsatzdauer der verschiedenen Leitungen und Anwendungsfälle helfen.

fluid: Zurück zur Hydraulik. Es gibt einen Trend hin zu höheren Drücken. Die Forderungen nach 500 bar-Schläuchen sind da. Können Sie liefern?

Wir haben vor einiger Zeit ein Entwicklungsprojekt angeschoben und auch Prüfungen mit Schläuchen für 500 bar positiv abgeschlossen. Am Ende der Entwicklung hat sich allerdings herauskristallisiert, dass die restlichen Aggregate der Fahrzeuge noch gar nicht auf dieses Druckniveau ausgerichtet waren.

fluid: Gab es in jüngster Zeit ein Projekt, das hinsichtlich des Hydraulikschlauchs technisch besonders anspruchsvoll war?

Ich habe es ja schon erwähnt: große Nennweiten sind unsere Herausforderung. Wir arbeiten im Moment an einem Projekt, da geht es um die Freigabe der Nennweite 90. Da ist dann schon eine Menge Know-how gefragt. Anspruchsvoll war aber auch die grundlegende Neuentwicklung eines Kühlwasserschlauches. Die Aufgabe bestand darin, in einem bestehenden Bauraum die vorhandene Leitung zu ersetzen. Die Herausforderung bestand darin, einen neuen Schlauch zu entwickeln, der bei kleinstem Biegeradius und hohen Temperaturen für das Medium Kühlwasser seinen Einsatz findet und den bestehenden steifen TFS-Schlauch ersetzen kann.

fluid: An welchen Projekten arbeiten Ihre Entwickler derzeit?

Wir bearbeiten derzeit im Segment CIV insgesamt 30 Projekte. Das bedeutet, dass entweder ein konkreter Kunde dahinter steht, oder auch erst mal interne Entwicklung angesagt ist, die dann später in den Markt eingeführt wird. Die Themen der Entwicklungsprojekte sind bunt gemischt: da sind Schlauchentwicklungen oder aber auch Einbindungslösungen darunter. Als Schwerpunkte kristallisieren sich derzeit heraus: Gasschläuche (LPG/CNG) und Waste Heat Recovering.

fluid: Welche Forderungen diktieren heute Anwender ins Pflichtenheft eines Hydraulikschlauch-Herstellers?

Die Frage lässt sich schnell beantworten und da sind sich offensichtlich die unterschiedlichen Anwenderbranchen auch alle einig: Qualität und Reinheit. Die Qualitätsanforderungen im Bereich CIV steigen stetig und folgen den Q-Standards der Automobilindustrie. Qualität im Sinne einer beständigen Qualität und da sprechen wir dann immer von ppm, das bekanntlich für parts per million steht. Reinheit wird bei allen Anwendungen, bei denen Mikroventile zum Einsatz kommen, immer wichtiger. Bei Kraftststoffleitungen bei einem unserer Kunden sehen wir uns durchaus als Benchmerk, was den Reinigungsprozess angeht.

Autor: Franz Graf, Chefredakteur

 

 

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