Interview mit Erwin Ruppelt,

"Effiziente und energiesparende Drucklufterzeugung ist das Rückgrat der Produktion in einem modernen Industriebetrieb." Erwin Ruppelt, Kaeser Kompressoren. (Bild: fluid)

Sie gelten heute als international anerkannter Experte für Druckluft. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Angefangen habe ich mit einer Lehre bei der Firma Deprag in Amberg, einem Hersteller von Pneumatik-Systemen, Druckluftmotoren und Schraubern. Dort habe ich in der Konstruktion gearbeitet und so die Grundlagen für ein gewisses Fachwissen auch am Ende der Leitung erzielt. Nach meiner Bundeswehrzeit und dem Studium kam ich zu Kaeser. Zunächst hatte ich dort die Aufgabe erhalten, Vermittler zwischen Verkauf und Technik zu sein, später habe ich dann komplette Anlagen geplant.

Da bekommt man schon ein relativ großes Fachwissen in den Bereichen. Irgendwann kam der Vulkan-Verlag auf mich zu und hat gefragt, ob ich das Druckluft-Handbuch überarbeiten könne, das früher Professor Charchut bearbeitet hat. Das habe ich für zwei Auflagen gemacht. Bei Kaeser selbst kam von einem Kollegen die Idee des Druckluft-Seminars auf, das haben wir auch technisch ausgearbeitet.

Einige Jahre habe ich dann quer durch Deutschland dieses Seminar gehalten, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz und später auch in weiteren Ländern. Tja, und heute leite ich eine Truppe, die die Grundlagen, wie Druckluftstationen auszusehen haben, erarbeitet, unseren Außendienst unterstützt und natürlich auch Kunden berät, wenn knifflige Sachen vorliegen.

Da kommen Sie ganz schön in der Weltgeschichte herum. Was war die kurioseste Druckluft-Anwendung, die Sie erlebt haben?

Sagen wir einmal so, der tiefste Ort, an dem ich persönlich eine Druckluftanwendung gesehen habe, war ungefähr 1000 Meter unter der Erdoberfläche in einem Salzbergwerk bei Magdeburg. Und der höchste Ort war eine Mine für Gold- und Kupferabbau in den Anden, in Peru, auf etwa 5000 Meter Meereshöhe. Aber kurios, muss ich ganz ehrlich sagen, da fällt mir relativ wenig ein. Es gibt sehr viele besondere Anwendungen, vom Betreiben eines Melkroboters über die Belüftung von Kläranlagen oder das Formen von Flaschen. Auch in der Automobilindustrie sind ganz tolle Anwendungen dabei.

Sie sind 33 Jahre bei Kaeser Kompressoren. In so einem Berufsleben hat man Höhen und Tiefen. Was davon ist in Erinnerung geblieben?

Nun, für mich eine der besonderen, der speziellen Sachen war die deutsche Wiedervereinigung. Damals wurden in großen Maßen gesamte Anlagen erneuert. Das hatten wir eigentlich bis dahin nur bei kompletten Neugründungen von Firmen. Meistens wurden nur Altanlagen ersetzt. Aber in den neuen Bundesländern wurde ganz einfach die komplette Technik erneuert, da wurden komplette Betriebe neu aufgestellt. Wir haben Großanlagen gebaut, das war eine besondere Herausforderung. Das war, muss ich ganz klar sagen, durchaus eines meiner Highlights.

Und die Tiefen?

Tiefen? Ich weiß nicht, ich würde eher sagen Selbstkritik. Es gab immer wieder Fälle, wo ich den Betreiber beim Bau von Anlagen auf Probleme hingewiesen und Maßnahmen empfohlen habe, die dann nicht so ergriffen wurden. Wenn es dann doch schief gegangen ist, hat mich das immer sehr traurig gemacht. Ich machte mir dann Vorwürfe, ob ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe, damit er die Wichtigkeit dieses Punktes wirklich versteht. Es macht mir keinen Spaß, Recht zu bekommen, wenn eine Anlage nicht so funktioniert. Das sind meine beruflichen Tiefpunkte.

Sie blicken ja nicht nur auf drei Jahrzehnte Projekte zurück, sondern auch auf die zugehörige technische Entwicklung. Was war bisher die größte technische Veränderung, die Sie mitgemacht haben?

Nun, die Technik allgemein entwickelt sich sehr schnell. Wenn man in der Technik tätig ist, darf man eines nicht machen: auf dem aktuellen Stand stehen bleiben. Ich weiß noch, während meiner Studienzeiten habe ich auf dem Großrechner der Uni Erlangen mit Fortran-5 programmiert, und dann zu Beginn bei Kaeser mit einem der ersten Apple-Computer mit zwei Laufwerken Wirtschaftlichkeitsberechnungen programmiert. Heute hat ein Handy mehr Speicher als damals der Großrechner der Uni, das ist eine gigantische Entwicklung.

Aber genauso ist es auch bei den Kompressoren: Zu meiner Zeit kamen gerade erst die Schraubenkompressoren richtig auf. Da hatten wir beim Kunden immer noch die Diskussion Kolben- oder Schraubenkompressor? Diese Diskussion hat sich in dem Bereich komplett erledigt, heute redet man nur noch über Schraubenkompressoren.

Später ging es darum, wie Kompressoren bezüglich der Kühlung richtig auszustatten sind, oder um den Geräuschpegel. Früher war der Schallpegel enorm, die Geräte waren ölig und schmutzig. Das Image haben Kompressoren leider zum Teil heute immer noch, obwohl sie leise laufen, obwohl sie nicht mehr verölt sind. Also, die Entwicklung ist auch hier gigantisch, nur in einem ganz anderen Bereich und, ich sage einmal, der Allgemeinheit nicht so bekannt.

Ein Blick nach vorne: Was erwartet uns in der Drucklufttechnik der Zukunft?

Ja, gut, weissagen ist immer schlecht. Tatsache ist aber, dass die Anbindung von Druckluftstationen an IT-Systeme unter anderem vorbeugende Wartung ermöglicht, was wiederum eine bessere Wirtschaftlichkeit mit sich bringt. Und nicht nur das, auch in der Betriebssicherheit erwarte ich einen großen Sprung, wenn eine Anlage intern komplett vernetzt ist, Daten sammelt und an einen Leitrechner weitergibt – also all das, was wir derzeit im Rahmen dieser Industrie-4.0-Diskussion ständig hören, gilt auch für Kompressoren und die Druckluft insgesamt.

Die andere Sache, deren Bedeutung meiner Meinung nach steigen wird, ist Druckluft-Contracting. Wir bei Kaeser haben 1989 angefangen mit dem Druckluftverkauf, mit Druckluft aus der Steckdose. Das war damals ein gewaltiger Schritt. Und die Vorteile für den Betreiber sind enorm: Denn wenn wir als Betreiber agieren, können wir durch unsere Spezialisten die Anlage kostengünstiger fahren als die meisten, die sich eine Anlage hinstellen und das Fachwissen zukaufen müssen.

Oder die Anlage nicht optimal nutzen, weil sie die passenden Experten nicht haben. Mit der Industrie-4.0-Anbindung, das heißt über unser Sigma Network, über Internet an unsere Zentralserver, können wir die Systeme vorausschauend beurteilen und somit die Kosten senken, was letztendlich auch wieder dem Betreiber zugutekommt.

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