Es ist ein alter Hut und dennoch eine Herausforderung: Während die Bauräume der Hydraulikanlage immer kleiner werden, wächst die Leistung. Während die Konstrukteure vor der Herausforderung stehen, die Hydraulikanlage bestmöglich zu planen, sind die Anwender gezwungen, sie möglichst energie- und kosteneffizient zu betreiben. Neben Pumpe, Zylinder, Kolben und Öltank müssen auch die Arterien und Venen des ‚Hydraulik-Körpers‘ zuverlässig arbeiten. Hierzu zählen Armaturen, Fittinge, Verschraubungen und die Schlauchtechnik. Bei Letzterer kommt es heute noch nicht so sehr auf Feinheiten der Digitalisierung an, denn viele Anwender scheitern schon an Dingen wie der richtigen Dimensionierung oder vorschriftsmäßigen Betriebssicherheit.
„Heute kommt die Bestellung bei vielen OEM-Kunden schon digitalisiert bei uns an [...].“
Andreas Laubsch, Key Account Manager bei Rauh Hydraulik
Die Verbindungsstücke sind – um bei dieser Art Metaphern zu bleiben – nicht nur die Adern der Hydraulikanlage, sondern zugleich auch ihre Achillesferse. So ist der Weg zwischen Tank, Hydraulikmotor und Aktuator unterschiedlich lang und anfällig für Leckagen. Die Gefahr für Konstruktions-, Bedien- und Wartungsfehler ist nach wie vor groß. Oft mangele es an Fachwissen, wie Ulrich Hielscher, Geschäftsführer der Internationalen Hydraulik Akademie feststellt. Hinzu komme die Digitalisierung, die neues Fachwissen im Bereich der datengetriebenen Prozesskette erfordert.
Fallstricke der Verbindungstechnik
Digitalisierte Komponenten machen die Fluidtechnik zwar kosteneffizienter, umweltfreundlicher und vorhersehbarer (Predictive Maintenance), können aber nicht verhindern, dass Schläuche falsch dimensioniert, Verschraubungen fehlerhaft justiert oder Armaturen unsachgemäß gekennzeichnet werden. „Wir haben auch lernen müssen, dass das Rohr nicht immer die beste Wahl ist. Verwende ich Schläuche, ist der Systemdruck zu beachten“, sagt Stefan Brehm, technischer Konstrukteur hydraulische Steuerungen, bei Zeck. Wichtig sind auch die Kennzeichnungspflichten auf Schläuchen und Armaturen.
Ein gewisses Risikopotenzial beobachtet auch Matthias Müller von der IHA Dresden: “Der Anwender sollte sich nicht immer auf den auf dem Schlauch aufgedruckten maximalen Betriebsdruck verlassen.“ Hier könne es sein, dass die Hydraulik-Schlaucharmatur und der Hydraulikschlauch unterschiedliche maximal zulässige Betriebsdrücke aufweisen. Die Kennzeichnungspflichten für Hydraulik-Schlauchleitungen sowie Hydraulikschläuchen finden sich in den harmonisierten Normen, wie der DIN EN ISO 4413, der DIN 20066 sowie den berufsgenossenschaftlichen Vorgaben.
Fluidtechnik 4.0
Im Kontext der Industrie 4.0 gibt es kaum noch Unausgesprochenes. Auf den Punkt bringt es das Factsheet „Fluidtechnik 4.0“ des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Die Experten formulieren hier für die Branche nicht nur den Anspruch, sondern auch die konkreten Herausforderungen und Lösungsansätze. Digitalisierte Wertschöpfungsketten erfordern Produkte und Komponenten, die in verschiedensten Anwendungen verlässlich miteinander kommunizieren können. Diese universelle digitale Kommunikation ist für die erfolgreiche Umsetzung der Industrie-4.0-Ziele wesentlich. Der Verband nennt hierzu die Standardisierung: Damit fluidtechnische Produktdaten digital korrekt und eindeutig übertragen und empfangen werden können, müssen sie homogenisiert vorliegen. Es gilt dabei, die technischen Eigenschaften normiert zu definieren. Nur so gelingt die Interoperabilität, also das lückenlose Zusammenspiel der einzelnen fluidtechnischen Komponenten der Anlage oder Maschine. Wichtig ist hierbei, dass die Normung „bottom up“ erfolgt ‒ vom einzelnen Bauteil bis zum vollständigen Produkt. Der Link zum Factsheet lautet: https://bit.ly/3vYVXY7
Das sagt die Fluid-Branche
Für die Hersteller und ihre technischen Vertriebsmitarbeiter stehen mehrere Entwicklungsaufgaben auf der Agenda. „Es gilt, die Kosten der hydraulischen Anlage zu reduzieren, die Verlegung kompakter zu halten, die Produktqualität zu stabilisieren und die Gefahr zu minimieren, Schlaucharmaturen an den Anschlussstellen zu verwechseln“, sagt Nicole Marx von der Internationalen Hydraulik Akademie. Dies seien nur einige Stichworte, die den Mehrwert dieser Entwicklungen in der hydraulischen Leitungstechnik beschreiben, wie Marx weiter erklärt. Einen Anteil an diesen Herausforderungen besitzt die Digitalisierung der hydraulischen Anlage und Maschine.
Bevor jedoch das Datenmonitoring in der Hydraulik beginnt, muss erst die Basis für ein betriebssicheres Arbeitsumfeld vorherrschen ‒ hier spielen die Produktentwicklungen in der Verbindungstechnik eine entscheidende Rolle. Axel Tammen, Bereichsleiter Technik & Qualitätswesen bei Hansa-Flex konstatiert: „Die Schlauchtypen sind wesentlich flexibler geworden. Zudem sind die Verbindungselemente beständiger gegen Rot- und Weißrost.“ Das Unternehmen stellt beispielsweise mit aufwendigen Qualitätskontrollen sicher, dass alle Schlauchleitungen unter extremen Rahmenbedingungen den hohen Drücken genügen. Um dies zu so realitätsgetreu wie möglich zu testen, stehen unter anderem vier hauseigene Druckimpulsprüfstände in der zentralen Qualitätssicherung zur Verfügung. Diese Prüfstände besitzen eine Anschlussleistung von circa 30 bis 80 kW. Tammen berichtet: „In der Rolle des Betreibers hat es Hansa-Flex durch Retrofitting geschafft, die Betriebskosten einer Prüfmaschine um über 50 % zu reduzieren.“
„Die Schlauchtypen sind wesentlich flexibler geworden. Zudem sind die Verbindungselemente beständiger gegen Rot- und Weißrost.“
Axel Tammen, Bereichsleiter Technik & Qualitätswesen, Hansa-Flex
„Ein weiterer Vorteil ist der Einsatz von natürlichen oder wiederverwertbaren Werkstoffen, die kompatibel sind mit der Umweltpolitik unserer Kunden.“
Yann Hautiere, Head of Business Development Fittings Camozzi Automation
„Unter anderem sehen wir einen klaren Trend in der Gewichtseinsparung bei Rohren.“
Harald Pott, Bereichsleiter Technik Voss Fluid
Die Automatisierungs-Profis von Camozzi fokussieren hingegen die Steuerungstechnik. „Seit einigen Jahren haben wir viele Anfragen im Bereich für Flüssigkeitssteuerungen. Während wir uns früher auf traditionelle Fluide wie Druckluft und Vakuum konzentriert haben, geht es vermehrt um ‚reine‘ Fluide und Flüssigkeiten“, betont Yann Hautiere, Head of Business Development Fittings Camozzi Automation. Verantwortlich dafür seien Maßstäbe, die durch die Life-Science-Märkte gesetzt werden. Hier ginge es um „die Entwicklung sauberer Produkte und besser kontrollierte Montageprozesse“. Das Unternehmen greift den Umweltgedanken auf: „Im Februar 2021 haben wir eine neue Reihe von Steckverschraubungen, die Serie 7000 Fluidics, auf den Markt gebracht. Sie macht es möglich, flüssige Medien zu transportieren.“ Das Dichtsystem und das Prinzip der Rohr-Haltezange entsprechen dem Konzept der Messing-Steckverschraubungen Serie 6000, so Hautiere weiter. „Unsere neuen Fittinge bieten außerdem Platzeinsparungen und reduzieren die Montagezeit erheblich. Ein weiterer Vorteil ist der Einsatz von natürlichen oder wiederverwertbaren Werkstoffen, die kompatibel sind mit der Umweltpolitik unserer Kunden, die damit Modelle aus risikobehafteten Materialien ersetzen können, bei denen Blei, Nickel und andere zum Einsatz kommen.“
Harald Pott, Bereichsleiter Technik Voss Fluid, verfolgt mit seinem Team einen anderen Ansatz: „Wir sehen eher Schwerpunkte im Bereich der Montage- und Prozesssicherheit sowie der Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Zudem ergeben sich aus den technologischen Trends, beispielsweise Wasserstoff- oder LPG/CNG-Anwendungen, auch weitere, neue Anforderungen an das Handling von flüssigen oder gasförmigen Medien in der Verbindungstechnik.“
Rein auf die Funktion von Verbindungskomponenten bezogen sei die Möglichkeit der Digitalisierung bisher eher begrenzt gefordert. „Viel mehr Veränderung erfahren wir im Bereich der Materialeigenschaften. Unter anderem sehen wir einen klaren Trend in der Gewichtseinsparung bei Rohren. Hier sind vermehrt höhere Festigkeiten bei kleineren Wandstärken und trotzdem gleicher Leistung gefordert“, so Pott weiter. Auch Hydraulikschläuche werden immer kompakter, haben kleinere Biegeradien und sind gleichzeitig höheren Belastungen ausgesetzt. „Auf all diese Dinge reagieren wir auch mit unseren Verbindungslösungen. Nicht zuletzt spielt die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie und die damit verbundene leckagesichere Leitung von Wasserstoff eine zunehmende Rolle im Bereich neuer Anforderungen“, wie Pott erklärt.
Digitale Schlauchkonfektionierung
Für Andreas Laubsch, Key Account Manager bei Rauh Hydraulik, referiert das Schlagwort Digitalisierung nicht nur auf das Mittel zum Zweck, sondern auf ein ganzheitliches System. So wurden die Kundenaufträge der Schlauchleitungen früher manuell in Schriftform erfasst und an die Fertigung weitergeleitet. Dort versah man die Schlauchleitungen nach der Konfektionierung mit einem einfachen Aufkleber oder mit weißer Farbe für den vorgesehenen Einbauort oder ähnlichem. „Heute kommt die Bestellung bei vielen OEM-Kunden schon digitalisiert bei uns an, die Auftragserfassung erfolgt durch Einspielen dieser Daten, im Datensatz sind zusätzlich diverse Informationen wie zum Beispiel der Montageort oder eine Baugruppe hinterlegt.“
In der Fertigung werden nun parallel die Fertigungsunterlagen und spezielle dauerhaft haltbare Etiketten erzeugt, auf denen die für den Kunden bei der Montage notwendigen Daten sowohl in Schriftform als auch als QR-Code aufgedruckt sind. Diese aus öl- und chemikalienbeständigem Material gefertigten Etiketten werden auf den Schlauch- oder Rohrleitungen befestigt und somit kann der Montagemitarbeiter die Daten aus- beziehungsweise ablesen. „Somit erhöht sich die Sicherheit, aber auch die Schnelligkeit bei der Montage“, so Laubsch weiter. Der Maschinenbauer hätte auch die Chance, zum Beispiel mit einer Datenbrille, die vom Monteur getragen wird, zu kontrollieren, ob die richtige Schlauchleitung an der richtigen Stelle verbaut ist. Außerdem ist mit den aufgedruckten Daten auch eine Rückverfolgung möglich.
Einen scheinbaren Widerspruch von standardisierter Kommunikation der fluidtechnischen Verbindungssysteme und den immer individuelleren Produktionsprozessen sieht der Hydraulik-Experte nicht. „Die standardisierte Datenkommunikation hilft uns, die variablen Daten, die sich innerhalb der uns zugesandten Datensätze befinden, schneller zu verarbeiten und somit den Kunden auch mit Stückzahl 1 innerhalb einer Serienproduktion zu bedienen.“ Digitalisierung in der Fluidtechnik schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: eine bessere, einheitliche Vernetzung der Komponenten bei flexibleren Fertigungsprozessen.
Auf einen Blick
Die Hersteller von Verbindungstechnik in der Hydraulik stehen vor der Herausforderung, die Kosten für Hydrauliksysteme zu verringern, gleichzeitig soll die Leitungstechnik aber auch benutzerfreundlicher werden. Auch höhere Montage- und Prozesssicherheit gehören zu den Zielen. Aktuell stehen flexiblere Schlauchtypen mit höherer Rostbeständigkeit für den Einsatz bei hohen Drücken zur Verfügung. Über Retrofitting können Betriebskosten stark gesenkt werden. Auch in der Steuerungstechnik tut sich einiges. In der Pneumatik ist Umweltfreundlichkeit ein wichtiger Aspekt.
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