Mechatronik

14. Okt. 2025 | 08:00 Uhr | von Ragna Sonderleittner

Lecks in Wasserstoffleitungen oder Tanks aufspüren

Sensorik für den sicheren Einsatz von Wasserstoff

Fraun­ho­fer‑Forschende haben hochsensible Sensor- und Messsysteme entwickelt, mit denen sich selbst kleinste Lecks in Wasserstoffleitungen oder Tanks aufspüren lassen – ein wichtiger Schritt zur sicheren Wasserstoffwirtschaft.

Das Laserspektrometer des Fraunhofer IPM absorbiert die Wellenlänge von Ammoniak und zeigt das Ergebnis auf einem Display an.

Wasserstoff kann in Form von Ammoniak (NH3) gespeichert und transportiert werden. Das Laserspektrometer des Fraunhofer IPM absorbiert die Wellenlänge von Ammoniak, reagiert deshalb sofort und zeigt das Ergebnis auf einem Display an. (Bild: Fraunhofer IPM)

Fraunhofer-Forschende haben Sensorsysteme und Messgeräte entwickelt, die Lecks in Wasserstoffleitungen oder Tanks aufspüren. Damit lassen sich auch Wasserstofftransporte oder Anlagen in der chemischen Industrie laufend überwachen. Die Forschenden nutzen mehrere Sensortechnologien, um möglichst viele Szenarien der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft mit Sicherheitstechnik versorgen zu können.

Für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur ist die Sicherheit der Leitungen, Speicher und Anschlussstellen von entscheidender Bedeutung. Denn das unsichtbare und geruchlose Gas ist leicht brennbar und explosiv. Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg hat Sensor- und Messsysteme entwickelt, die auch kleinste Mengen Wasserstoff zuverlässig erkennen. Leckagen aller Art lassen sich damit schnell aufspüren. Die Forschungsarbeiten waren Teil des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gemeinsam mit dem Projektträger Jülich (PTJ).

Hier entwickeln Partner aus Wissenschaft und Industrie Lösungen für den Transport sowie die Speicherung des Gases. Frau Dr. Carolin Pannek und das Team am Fraunhofer IPM leiteten das Teilprojekt Sichere Infrastruktur. Da Wasserstoff in ganz unterschiedlichen Szenarien und Anwendungen genutzt werden kann, haben die Fraunhofer-Forschenden gleich drei unterschied­liche Sensorsysteme entwickelt.

Funktionsprinzip Ultraschallsensor.
Funktionsprinzip Ultraschallsensor: Das LED-Licht erzeugt im Gas eine Ultraschallwelle. Gelangt Wasserstoff ins Gehäuse, kommt es zu einer Resonanzverschiebung. Ein MEMS-Mikrofon registriert diese Resonanzverschiebung. (Bild: Fraunhofer IPM)

Ultraschallsensor mit photoakustischem Effekt

Licht kann Gas zum Schwingen anregen und dadurch eine Schallwelle erzeugen. Diesen photoakustischen Effekt nutzen die Forschenden für ihren Ultraschallsensor. Dabei strahlt eine Lichtquelle in das Gerät ein und erzeugt im Gas eine resonante Schallwelle mit einer Frequenz im Ultraschallbereich. Wenn durch eine Membran Wasserstoff ins Gehäuse gelangt, kommt es zu einer Resonanzverschiebung, also einer Veränderung des Tons. Der veränderte Ton wird von MEMS-Mikrofonen (MEMS, mikroelektromechanische Systeme) registriert.

Auf diese Weise lässt sich beispielsweise aus Tanks oder Leitungen austretender Wasserstoff detektieren. „Der Sensor könnte genutzt werden, um Behälter, Leitungen oder Verbindungsstücke zu prüfen. Denkbar wäre auch, mehrere Geräte ähnlich wie Rauchmelder in einem Raum zu verteilen und zu einem Sensornetzwerk zu verknüpfen“, erklärt Pannek.

Doch der Ultraschallsensor kann noch mehr. Er arbeitet so exakt, dass er sogar registriert, wenn sich im Wasserstoff Moleküle anderer Stoffe befinden, er also minimal verunreinigt ist. Brennstoffzellen, die beispielsweise in Lkw Strom erzeugen, benötigen hochreinen Wasserstoff. Kleinste Verunreinigungen könnten die empfindlichen Membranen beschädigen. Hier prüft der Sensor, ob der Wasserstoff wirklich rein ist.

Mit dem Ultraschallsensor können Wasserstoff-Behälter, -Leitungen oder -Verbindungsstücke überwacht werden.
Mit dem Ultraschallsensor können Wasserstoff-Behälter, -Leitungen oder -Verbindungsstücke überwacht werden. Ähnlich wie Rauchmelder könnten sie verteilt im Raum zu einem Sensornetzwerk verknüpft werden. (Bild: Fraunhofer IPM)

Laserspektrometer

Eine Alternative zur aufwendigen Lagerung von Wasserstoff als Gas in Hochdruckbehältern oder bei – 253 °C als Flüssigkeit in Kryotanks ist der Einsatz von Ammoniak (NH3) als Trägermatrix. Speicherung und Transport sind dann deutlich einfacher.

Da Ammoniak aber extrem giftig ist, müssen Leckagen schnell und zuverlässig entdeckt werden. Zur Ferndetektion von Ammoniak hat das Fraunhofer IPM ein Laserspektrometer entwickelt. Es absorbiert die Wellenlänge von Ammoniak, reagiert deshalb sofort und zeigt das Ergebnis auf einem Display an. „Fachkräfte können das kompakte Gerät in der Hand halten und so Rohrleitungen oder Tanks aus sicherer Entfernung von bis zu 50 Metern prüfen. Auf Roboter oder Drohnen montiert, prüft es Industrieanlagen oder fliegt über Pipelines“, sagt Fraunhofer-Projektleiterin Pannek.

Raman-Spektroskopie

Das dritte Messsystem ist eine Weiterentwicklung der Raman-Spektroskopie. Die Raman-Verschiebung – benannt nach einem indischen Physiker – entsteht durch die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Das von der Materie reflektierte Licht hat eine andere Wellenlänge als das eingestrahlte Licht. Jede Materie erhält dadurch einen spektroskopischen Fingerabdruck. Das Fraunhofer IPM hat jahrelange Erfahrung in der Auslegung und im Aufbau von Raman-Systemen. Für das Projekt TransHyDE haben die Forschenden einen Filter-basierten Raman-Sensor entwickelt, der selektiv Wasserstoff in komplexen Medien erkennt.

Das Gerät arbeitet mit kostengünstigen Komponenten wie einer preiswerten CMOS-Kamera (Complementary Metal Oxide Semiconductor), ist mobil und kann so als flexible Prüfstation zur Quantifizierung von Wasserstoff dienen. Zum Einsatz kommt das System dabei beispielsweise in der Energiewirtschaft direkt bei der Erzeugung von Wasserstoff.

Flexibel einsetzbar

Alle Sensorsysteme sind so flexibel konzipiert, dass sie für sehr unterschiedliche Szenarien angepasst werden können. Bei Bedarf beraten die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten Industriekunden, Energieversorger oder Betreiber von Wasserstoffprojekten bei Fragen rund um die sichere Verwendung.

Fraunhofer-Expertin Pannek ist davon überzeugt: „Der Startschuss für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft kann fallen.“

Quelle: Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM

FAQ – Häufige Fragen zur Lecksuche in Wasserstoffsystemen


Was macht Wasserstoff-Leckagen so gefährlich?

Wasserstoff ist farb-, geruchlos und extrem flüchtig. Schon kleinste Lecks können zu explosionsfähigen Atmosphären führen, vor allem in geschlossenen Räumen.

Wie erkennt man ein Leck in einer Wasserstoffleitung?
Mit hochsensibler Sensorik, wie sie das Fraunhofer IPM entwickelt hat – z. B. Ultraschallsensoren mit photoakustischem Effekt, Laserspektrometer oder Raman-Sensoren.

Welche Vorteile haben die neuen Fraunhofer-Sensoren?
Sie sind mobil, flexibel einsetzbar, detektieren auch kleinste Leckagen und können Verunreinigungen im Wasserstoff feststellen – wichtig für sensible Anwendungen wie Brennstoffzellen.

Wie funktioniert die Leckerkennung mit dem Ultraschallsensor?
Er nutzt den photoakustischen Effekt: Licht erzeugt eine Ultraschallwelle im Gas. Eine Frequenzänderung bei Wasserstoffzutritt wird von Mikrofonen erkannt.

Kann man die Sensoren auch vernetzen?
Ja, die Sensoren lassen sich wie Rauchmelder zu Netzwerken verbinden – ideal für große Industrieanlagen oder Lagerbereiche.

Wofür ist das Laserspektrometer gedacht?
Es dient der Ferndetektion von Ammoniak, das als Trägerstoff für Wasserstoff verwendet werden kann. Das Gerät erkennt Lecks aus bis zu 50 Metern Entfernung.

Wie erkennt der Raman-Sensor Wasserstoff in komplexen Medien?
Er nutzt die Raman-Verschiebung, also den spektralen „Fingerabdruck“ des Gases, um Wasserstoff auch in Mischgasen sicher zu identifizieren.

Sind die Sensoren schon im industriellen Einsatz?
Die Systeme wurden im Rahmen des BMBF-Leitprojekts TransHyDE entwickelt und befinden sich in der Anwendungserprobung – etwa in der chemischen Industrie und Energiewirtschaft.

Welche Rolle spielt die Sensorik für die Wasserstoff-Infrastruktur?
Eine zentrale Rolle: Nur mit zuverlässiger Detektionstechnologie kann der Ausbau einer sicheren Wasserstoffwirtschaft gelingen.

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