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Das Dienstleistungspaket Odin (Online Diagnostics Network) von Bosch Rexroth nutzt das Zusammenspiel von Sensorik, Cloud-basierten Anwendungen und Machine-Learning-Methoden, um kritische Fehler oder Veränderungen zum normalen Betriebszustand zu erkennen und vor einem Ausfall zu warnen. (Bild: Bosch Rexroth)

Automobilzulieferer, wie der Spezialist für Pkw-Bremsscheiben Buderus, stehen unter enormen Druck. Außerplanmäßige Produktionsausfälle verursachen hohe Kosten. Dies gilt umso mehr, wenn die Produktionsabläufe eng verzahnt sind und die Komponenten just-in-time bei den internationalen Herstellern ankommen müssen. Deshalb ist eine hohe technische Anlagenverfügbarkeit ein Muss. Das erste Glied der Produktionskette der Unternehmens bilden fünf hochautomatisierte Formanlagen. Fällt deren hydraulischer Antrieb aus, entstehen stündlich Kosten von mehreren tausend Euro. Deutlich teurer wird es, wenn der Puffer an Rohlingen für die weitere mechanische Bearbeitung der Bremsscheiben leer läuft. Um genau das zu verhindern, gehört es zu den internen Vorgaben, dass die Formanlagen eine möglichst hohe Verfügbarkeit erreichen sollen.

Genau dieses Ziel konnte man beim Spezialisten für Bremsscheiben bislang nur mit turnusmäßigen Wartungsarbeiten realisieren. „Regelmäßig wurde die rund 70 Kilogramm schwere und in 3,50 Metern Höhe angebrachte Pumpe präventiv ausgetauscht“, so erklärt es Thomas Heck, der Leiter der technischen Instandhaltung beim Bremsscheibenhersteller Buderus. „Bei einem ungeplanten Ausfall hätte die Notreparatur einschließlich Gerüstbau und spezieller Hebewerkzeuge zu einem Produktionsausfall von bis zu acht Stunden geführt.“

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Der Rexroth Service meldete eine kritische Verschlechterung des Machine Health Index, bedingt durch den Anstieg der Pumpenvibration. Die Veränderungen deuteten auf einen Lagerschaden hin. (Bild: Bosch Rexroth)

Planbare Wartung dank Vorwarnzeit

Um das Ausfallrisiko der Pumpe besser einschätzen und damit künftig reduzieren zu können, realisierte das Unternehmen mithilfe von Bosch Rexroth zunächst verschiedene Maßnahmen für eine lokale Zustandsüberwachung. So wurden etwa in der Filteranlage Sensoren für eine kontinuierliche Überwachung des Fluidstroms installiert. Der präventive Pumpentausch alle sechs Monate und die hohen Ersatzteilkosten blieben aber weiterhin bestehen, obwohl die Standzeit der Pumpe je nach Auslastung deutlich länger betragen könnte. „Dieses Problem konnte nur ein prädiktives Warnsystem lösen, mit dem sich ein geplanter Wechsel bei Handlungsbedarf in das produktionsfreie Wartungsfenster am Wochenende legen ließ“, berichtet Heck. „Die dafür notwendige Vorwarnzeit bis zum nächsten geplanten Stillstand war jedoch mit den bisherigen Methoden nicht realisierbar.“

Den entscheidenden Schritt zu einer zustandsbasierten Wartungsstrategie, mit der sich die maximale Standzeit von Motor und Pumpe bei minimalem Ausfallrisiko nutzen lässt, gelang erst mithilfe des Online Diagnostics Network (ODiN) von Bosch Rexroth. Das Dienstleistungspaket nutzt das Zusammenspiel von Sensorik, Cloud-basierten Anwendungen und Machine-Learning-Methoden, um kritische Fehler oder signifikante Veränderungen zum normalen Betriebszustand bereits im Vorfeld zu erkennen und rechtzeitig vor einem wahrscheinlichen Ausfall zu warnen. Beim Gussspezialisten erfasst die installierte Sensorik nun zusätzlich auch die Schwingung der Pumpe sowie die Ölqualität. Letztere dient zugleich als Indikator für den Zustand der Ventile und zur genauen Terminierung des Filterwechsels.

Selbstlernende Algorithmen und Expertenwissen

ausfallkritische Entwicklungen.
Auf Grundlage komplexer Big-Data-Analysen wie dem systemspezifischen Machine Health Index informiert Odin über ausfallkritische Entwicklungen. (Bild: Bosch Rexroth)

Zum Konzept gehört nicht nur die Beratung, sondern auch die Konzeption und Installation der Messtechnik einschließlich Schaltschrank und Verkabelung. Die Messdaten werden in Echtzeit erfasst und unter Einhaltung der gesetzlichen Sicherheitsvorschriften über Mobilfunk in ein hochsicheres Rechenzentrum der Bosch Cloud übertragen. Dort werden sie mithilfe selbstlernender Algorithmen und Big-Data-Analyse ausgewertet. Anhand des datenbasierten Modells, das zunächst während einer Lernphase konkretisiert wird, erstellt das Programm für jedes überwachte System einen eigenen Gesundheitsindex, den Machine Health Index. Diesen ziehen die Experten des Dienstleisters nebst Detailanalysen zu Rate, um die voraussichtliche Lebensdauer zu beurteilen, den Kunden im Fall von Unregelmäßigkeiten zu warnen und Wartungsempfehlungen auszusprechen.

Erster Härtetest für den neuen Service

Die erste Bewährungsprobe für das neue System, das zunächst in einer der fünf vollautomatisierten vertikalen Formanlagen eingesetzt wurde, ließ nicht lange auf sich warten: Der Service meldete eine kritische Verschlechterung des Machine Health Index durch den Anstieg der Pumpenvibration. Das deutete auf einen Lagerschaden hin. Nach einer örtlichen Überprüfung veranlasste Thomas Heck die Vorbereitung der Wartungsarbeiten für den Pumpentausch am Wochenende. „Durch die Vorwarnzeit können wir nun die tatsächliche Standzeit voll ausreizen. Dabei ist das System so sensibel, dass selbst kleine Veränderungen wie das Nachfüllen von Hydraulikflüssigkeit sofort vom System erkannt werden.“

Andererseits muss das Serviceprogramm so tolerant sein, dass es nur bei wichtigen Veränderungen Alarm schlägt. „Die Sensoren müssen so in der Anlage platziert sein, dass das System genau zwischen dem Normal- und dem kritischen Zustand unterscheiden kann“, verdeutlicht Kundenbetreuer Werner Reinhardt von Bosch Rexroth. „Angesichts des breiten Spektrums an Pumpentypen und des individuellen Aufbaus der Anlagen müssen Sensorik und Datenerhebung exakt angepasst sein, um etwa die Pumpenschwingung aus der übrigen Produktionsumgebung herauszufiltern. Mit der Einlern- und Arbeitsphase ist der Prozess nicht abgeschlossen. Odin lernt kontinuierlich weiter dazu.“

Die Ergebnisse beim Spezialisten für Pkw-Bremsscheiben zeigen, welches Potential in der prädiktiven Wartung steckt, wenn die Zustandsüberwachung durch ein leistungsfähiges System sichergestellt werden. Im Vergleich zur Notreparatur mit Gerüstbau und Hebezeugen bei ungeplanten Ausfall verkürzt sich der geplante Pumpenwechsel um mindestens 50 Prozent von rund acht auf vier Stunden. „Dank Odin können wir endlich ortsunabhängig den aktuellen Zustand der Anlage beurteilen“, freut sich Thomas Heck. „Bosch Rexroth hat uns bei diesem Vorhaben konstruktiv und zuverlässig unterstützt. Das Pilotprojekt war aus meiner Sicht eine echte Punktlandung, auch von der Zeitschiene her.“

Angesichts der guten Ergebnisse möchte Buderus den Weg von der grenzwertbasierten zur zustandsbasierten Überwachung konsequent fortsetzen und Odin nun für weitere Formanlagen einsetzen. Zusätzliches Potential sieht Thomas Heck bei der Steigerung den Bearbeitungszentren. „Langfristig streben wir eine weitere Steigerung der technischen Verfügbarkeit an. Die zustandsbasierte Instandhaltung ist für uns ein wesentliches Element unserer Industrie-4.0-Strategie.“ ssc

 

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