Daten sind die Grundlage der Industrie 4.0. Für deren Verfügbarkeit ist die Konnektivität eine Grundvoraussetzung. Viele Anlagenbetreiber in Deutschland stehen dabei vor der Herausforderung, dass sie ihre Anlagen seit Jahren oder gar Jahrzehnten betreiben. Diese Bestandsanlagen, auch Brownfield-Anlagen genannt, nutzen für die Kommunikation in der Regel den Standard vier bis 20 Milliampere.
Auch aus diesem Grund hat Namur, ein internationaler Verband der Anwender von Automatisierungstechnik und Digitalisierung der Prozessindustrie, die sogenannte „NOA-Namur Open Architecture“ entwickelt und aktuell die entsprechende Namur-Empfehlung NE 175 verabschiedet. Die Grundidee der „Namur Open Architecture“ ist einfach: Die Übertragung zusätzlicher digitaler Daten aus der Feldebene erfolgt parallel zur Messwertübertragung über einen zweiten Kommunikationskanal. Zusätzlicher Datenverkehr und Eingriffe in bestehende Systemarchitekturen werden damit minimiert.
Brückentechnologie von älteren Strukturen zu Industrie 4.0
Die Namur Open Architecture (NOA) ist eine Brückentechnologie von älteren, streng hierarchischen Strukturen zur vollvernetzten, digitalen Industrie 4.0. Die parallele Datenübertragung als Erweiterung macht sie ideal für Bestandsanlagen. Heute werden 97 Prozent der Daten aus Feldgeräten nicht genutzt. Das ist ein riesiges Datenpotenzial in bestehenden Anlagen, das durch die Digitalisierung erschlossen werden könnte.
Diese bietet dem Anwender Chancen auf ein permanentes Asset-Monitoring. Geräte können eindeutig identifiziert, Einstellparameter und die korrekte Auslegung am „digitalen Zwilling“ gespiegelt werden. Im laufenden Betrieb lässt sich der Gesundheitszustand „smarter Sensoren“ dank moderner Diagnosefunktionen permanent überwachen.
„Die Digitalisierung der Prozessindustrie ist eine Mammutaufgabe, die sich nicht von heute auf morgen realisieren lässt.“
Bruno Kögler, Leiter Produktmanagement, Endress+Hauser Digital Solutions
Der „zweite Kanal“ des NOA-Konzeptes bietet dabei dem Wartungspersonal den direkten Zugriff auf das Condition-Monitoring und reduziert gleichzeitig das Datenvolumen in den Kernprozessen. Die Digitalisierung ermöglicht zudem Asset-Management und Prozessoptimierung durch zusätzliche Auswertung von Monitoring-Daten. Die NOA ist ein wichtiger Schritt, um Potenziale der Digitalisierung bei bestehenden Anlagen zu nutzen. Um das Konzept in der Praxis zu realisieren, sowohl in Neu-Anlagen (Green-Field) als auch in Bestandsanlagen (Brown-Field), bietet Endress+Hauser mit dem neuen Fieldport SWA50 nun eine Lösung.
Nachrüstbares Modul
90 Prozent der installierten Feldgeräte dieses Herstellers verfügen bereits über eine digitale Schnittstelle. Das sind Feldbusse wie Profibus oder Foundation Fieldbus und am häufigsten Hart. In der Praxis aber wird das Hart-Signal meist nicht genutzt. Mit dem neuen drahtlosen Adapter lassen sich nun sämtliche Hart-Signale von Feldgeräten parallel zum Messwert übertragen, auch die von Fremdherstellern. Der Adapter ist Ex-ia eigensicher, schleifenstromgespeist und kann für Hart-Geräte aller Hersteller nachgerüstet werden.
Die Hart-Signale können dann wahlweise via Wireless-Hart oder Bluetooth in die Cloud übertragen werden. Bei Bluetooth erfolgt die Übertragung über das Fieldedge SGC200 direkt in die Netilion Cloud von Endress+Hauser. Das eröffnet den Anwendern Zugang zu Services wie Netilion Analytics, Health oder Value. Diese ermöglichen unter anderem das Condition-Monitoring und eine Messwert-Fernanzeige. Zudem lässt sich mit der Smartblue-App die Fernparametrierung von Feldgeräten durchführen. In einem weiteren Schritt kann auch über eine Programmierschnittstelle die Datenübertragung in unternehmensspezifische Clouds oder ERP-Lösungen erfolgen. Bei Wirelesshart erfolgt die Anbindung über das Fieldgate SWG70 und das Fieldedge SGC500.
Auf einen Blick
Um in Bestandsanlagen mit vertretbarem Aufwand Industrie-4.0-Konzepte umzusetzen, fehlten bislang Übertragungsmöglichkeiten für Daten aus Feldgeräten. Nun können Kommunikationsmodule mit dem Fieldport SWA50 nachgerüstet werden, um die in den Messgeräten vorliegenden Daten in Cloud-Anwendungen zu nutzen. Die Kommunikation erfolgt über einen zweiten Kommunikationskanal, so wie von der Namur gefordert. Die Technologie ist Ex-ia eigensicher aufgebaut.
Interview
mit Bruno Kögler, Leiter Produktmanagement bei Endress+Hauser Digital Solutions
Nachrüstbarkeit ist der Schlüssel zum IoT
Herr Kögler, Endress+Hauser verfolgt mit dem IIoT-Ökosystem Netilion eine Strategie der kleinen Schritte – warum?
Die Digitalisierung der Prozessindustrie ist eine Mammutaufgabe, die sich nicht von heute auf morgen realisieren lässt. Daher setzen wir auf eine iterative Entwicklung. Das bedeutet, dass wir Netilion in kurzen, sich wiederholenden Zyklen voranbringen und dabei laufend das Feedback der Nutzer einholen. Dieses Vorgehen führt zu kurzen Produkteinführungszeiten und ermöglicht es, schnell auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die Zukunft der Prozessindustrie?
Eine besondere Stärke von Netilion ist es, dass auch existierende Anlagen einfach nachgerüstet werden können, denn die Digitalisierung erfordert keinerlei Eingriffe in bestehende prozesstechnische Infrastrukturen. Um die Vielzahl üblicher Feldbus-Standards abzudecken, bauen wir die Datenschnittstellen unserer Feldgeräte kontinuierlich weiter aus. Zudem sind nach dem Vorbild des Micropilot FWR30 weitere Sensoren geplant, die ab Werk Daten ohne separate Schnittstellenbausteine direkt in die Cloud schicken können.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung in der Prozesstechnik? Wie schnell wird die Digitalisierung voranschreiten?
In der Prozessindustrie ist man seit jeher eher konservativ und auf Sicherheit bedacht, aber der steigende Kostendruck zwingt zu mehr Effizienz. Deshalb werden die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung immer stärker Einzug halten. Dem hohen Sicherheitsbedürfnis tragen wir natürlich Rechnung, beispielsweise mit einer geplanten ISO-27001-Zertifizierung.
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