Anlauf Fünfseiten-Bearbeitung,

Mit wenigen Handgriffen ist das Werkstück für die Fünfseiten-Bearbeitung gespannt. - (Bild: AMF)

Lange bevor ein neues Automodell auf die Straßen kommt, könnte man es bei MT Technologies schon anfassen – wenn nicht alles so streng geheim wäre. Der Modellbauer fertigt ganze Fahrzeuge als Referenz- und Prüfmodelle aus Aluminium für zahlreiche OEMs. Was die Experten mit hoher Zerspanungsleistung meist in Losgröße eins aus dem Vollen herausschälen, wird zuvor gespannt. Das Unternehmen verwendet dafür intelligente Nullpunktspanntechnik von AMF.

Mario Goth,
(Bild: MT Technologies)

„Der Impuls kam aus der Formel 1.“

Mario Goth, Leiter mechanische Fertigung, MT Technologies

Bei einem Besuch 2013 beim Sauber-Team in der Schweiz sah der Leiter mechanische Fertigung damals mit staunendem Blick, wie das Ingenieursteam die Einzelteile mit modernen Methoden spannen. Was der Modellbaumeister anschließend in der eigenen Fertigung anstößt, ist inzwischen zu einem durchgängigen Nullpunktspannsystem auf allen notwendigen Maschinen gewachsen. Er wandte sich für diese Umstellung an die Firma Andreas Maier aus Fellbach (AMF), deren Technik ihn in der Schweiz so beeindruckt hatte.

Spannprozesse vereinfacht und beschleunigt

Einbauspannmodul,
Die Aufspannplatten sind im ­Rasterabstand von 200 mm bestückt mit K10-Einbauspannmodulen. Elemente wie Spannschienen werden flexibel positioniert. - (Bild: AMF)

„Bei MT Technologies sind wir von Anfang an auf offene Ohren gestoßen“, erinnert sich Erik Laubengeiger von AMF, der das Unternehmen damals betreut hat. Die Bereitschaft, die Spannoperationen der Aluminiumrohblöcke zu vereinfachen und die Rüst- und Einmesszeiten zu verkürzen, war groß. „Schließlich sind die meisten Teile, die wir herstellen, Einzelteile oder Kleinserien von maximal vier Stück“, erklärt Mario Goth.

Wenn es fertig ist, sieht das Modell im Maßstab 1:1 aus wie ein richtiges Auto, nur eben aus Aluminium. Selbst Türen und Heckklappe lassen sich öffnen. So können sich die Designer und Konstrukteure ein erstes dreidimensionales Bild eines neu geplanten Fahrzeugmodells machen. Ebenso werden bei den OEMs Anbau- und Verkleidungsteile angebracht, um die Passungen für die spätere Serienfertigung zu verifizieren. Später steht das endgültige Alu-Modell als Prüf- und Lehrenmodell am Band.

Entsprechend präzise müssen die rohen Aluminiumblöcke für die Einzelteile wie Bodengruppe, Seitenteile, Dach, Hecklappe und Räder auf den Portalfräsmaschinen gefertigt und vorher gespannt werden. Zwei Aufspanntische mit 1300 x 2000 mm und zwei mit 1300 x 1000 mm sowie ein weiterer werden in den Jobs-LinX-Maschinen eingesetzt. Sie sind im Abstand von 200 mm bestückt mit je 50 beziehungsweise 20 Stück K10-Nullpunkt-Einbauspannmodulen von AMF. Wenn ein Spannpunkt außerhalb des Rasters oder sogar außerhalb der Platte liegt, ist das keine große Herausforderung: „Mit Spannschienen, Mehrfachspannleisten oder weiteren zahlreichen Spannelementen erreichen wir jeden Punkt, den wir für ein sicheres Spannen benötigen.“

So läuft der Spannvorgang ab

Aufspannplatte,
Es lassen sich auch Punkte ­außerhalb der Aufspannplatte erreichen, wie beim Dachelement geschehen (hinten). - (Bild: AMF)

Auf den Aufspanntischen mit integrierten Nullpunktspannmodulen und Kreuz-T-Nuten setzen die Werker modulare Zwischenelemente solange aufeinander, bis der Block oder das Rohteil die entsprechende Höhe erreicht, damit eine Fünfseiten-Bearbeitung möglich ist. Ebenso einfach lässt sich mit diesem Standardbaukasten die Aufspannung vorplanen. Der Hersteller bietet hier ein Sortiment aus Stütz-, Aufbau- und Ausgleichselementen sowie Adaptern. Die obere Schnittstelle zum Werkstück bildet erneut ein mechanisches Nullpunktspannmodul K10, das die im Werkstück verschraubten M8- oder M10-Spannbolzen positioniert und spannt. „Das System ist so einfach und logisch wie Lego. Alles passt zueinander und lässt sich dank der Nullpunktspanntechnik schnell und passgenau platzieren“, betont Christian Vogel von AMF, der die Ingolstädter aktuell betreut.

Geöffnet werden die Spannmodule im Aufspanntisch hydraulisch bei 60 bar Betriebsdruck. Jedes einzelne zieht den passenden Spannbolzen mit 10 kN ein und hält ihn danach formschlüssig mit 25 kN fest. Die Module erledigen diese Aufgabe mit einer Präzision < 0,005 mm. Und weil sie durch Federkraft mechanisch verriegelt werden und so drucklos gespannt sind, werden die Druckleitungen nach dem Spannvorgang entfernt.

Kollisionsfreie Bearbeitung

Für die Direktspannung werden die dazu notwendigen Bohrungen für die Spannbolzen direkt in das Rohteil oder den Alublock eingebracht. Das planen die Konstrukteure schon mit ein. Damit die Bearbeitung später ohne Störkonturen und kollisionsfrei abläuft, stellt der Anbieter für alle eigenen Produkte CAD-Daten in vielen gängigen Formaten zur Verfügung. „Das ist im Vorfeld eine unverzichtbare Hilfe“, versichert Vogel.

Die Zerspanungsleistung ist immens. Dabei kommen durchaus bis zu 40 h Bearbeitungszeiten zusammen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass aus einem Alublock von 1,7 t Ausgangsgewicht eine Heckklappe herausgefräst wird, die am Ende nur noch 90 kg wiegt. Alles in allem werden für ein Fahrzeug verschieden große Alumi­niumblöcke von insgesamt rund 20 t benötigt. Etwa fünf Monate dauert es, bis ein Fahrzeug in Originalgröße fertig ist. Weil mehrere großzügige Hallen die strikte Trennung einzelner Projekte voneinander sicherstellen, können die Modellbauexperten bis zu zehn Modelle im Jahr herstellen.

Am Ende steht ein neues Fahrzeugmodell in Originalgröße vor dem Betrachter, lange bevor es auf die Straßen kommt. Für die Automobilhersteller ist dies ein wichtiger Schritt in der Entwicklungsphase. So erkennen sie frühzeitig, ob das Auto ihren Erwartungen gerecht werden wird.

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