Stahlrohre

Vom Nutzfahrzeug- über den Baumaschinenbereich bis zum traditionellen Maschinen- und Anlagenbau finden dünnwandige Rohrleitungen ihren Einsatz. (Bild: fotomak – fotolia)

Beerwalde ist ein Ortsteil der Gemeinde Löbichau im Landkreis Altenburger Land in Thüringen. Nun ist so wahnsinnig verlockend in der Gegend eigentlich nichts, sieht man einmal von Dietzel Hydraulik ab. Die dort ansässige und rund 350 Mitarbeiter zählende Firma sieht sich als Systemlieferant für die komplette hydraulische Leitungstechnik. Das sind im Detail Druck- und Saugarmaturen, Schläuche und Schlauchleitungen, gebogene Rohre, Leitungssysteme und seit 2010 auch Wärmetauscher. Wie es zu dieser Programmerweiterung kam, erklärt Vertriebsleiter Jörg Splitter so: „Es ist uns bewusst geworden, dass wir mit der vorhandenen Fertigungs-Performance auch noch andere Produkte herstellen können wie beispielsweise Wärmetauscher. Die Umsetzung erforderte überschaubare Investitionen und zu unserer Firmenphilosophie passt das Produkt allemal.“

Systematische Portfolio-Erweiterung

Funktionsmodell für KTL-Beschichtung

Korrosionsfreies Funktionsmodell mit KTL-Beschichtung (kathodische Tauchlackierung). Bild: Dietzel Hydraulik

Nun schreiben wir das noch recht junge Jahr 2014 und das Dietzel-Programm hat erneut Familienzuwachs bekommen. Und es gibt viele Parallelen zur Wärmetauscherstrategie in der Entstehungsgeschichte der dünnwandigen Rohre, um die es hier nämlich geht. Splitter: „Wir haben überlegt, wie wir den Systemgedanken bei der Firma Dietzel Hydraulik noch weiter vorantreiben können. Mit mehreren Fragestellungen haben wir uns beschäftigt: Was liegt uns nahe im Sinne unserer Produktions-Performance, im Sinne von Marktpotenzial, im Sinne von Kompetenz?

Natürlich hat bei all den Überlegungen auch unsere Marktpräsenz in der Baumaschinenbranche eine Rolle gespielt. Letztendlich sind wir dann auch aufgrund der Tatsache, dass wir als Systemlieferant einen guten Namen haben angesprochen worden und haben schließlich für uns erkannt: dünnwandige Rohre, das könnte passen.“

Etwas detaillierter aufgeschlüsselt lässt sich die Frage, warum sich das in Familienhand befindliche Hydraulikunternehmen für den Einstieg in die Produktion dünnwandiger Rohre entschieden hat, stichpunktartig so beantworten:

  • Vorhandene Marktpräsenz unter anderem im Baumaschinenmarkt
  • Dietzel ist mit Sonderlösungen am Markt bekannt und erfolgreich
  • Langjähriges Know-how in der Schweiß- und Biegetechnik
  • Systematische Erweiterung des Produktportfolios im Sinne eines Systemlieferanten
  • Vorhandenes Marktpotenzial ist ein weiterer Baustein für die Wachstumsstrategie
  • Anforderungen der Kunden bestärkten zu diesem Schritt
Andreas Gerth

Andreas Gerth, Dietzel Hydraulik, Bild: fluid/gf
„Begonnen haben wir mit der Ladeluftansaugung und erst in den vergangenen Monaten ist die Abgasseite mehr in den Vordergrund gerückt.“

Nun stellen sich im Zusammenhang mit dieser jüngsten Geschäftsaktivität aber auch noch andere Fragen: Wo steht Dietzel Hydraulik heute? Welche Märkte werden derzeit bedient? Gibt es Alleinstellungsmerkmale? Wo will das Unternehmen mittel- bis langfristig hin? Hier kommt nun der Produktverantwortliche ins Spiel. Andreas Gerth wurde eigens für die zukunftsversprechende Technologie der dünnwandigen Rohre von Dietzel engagiert.

Er erinnert sich: „Die ersten Gedanken zu diesem Thema haben wir uns vor etwa drei Jahren gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Führungskreis auf die Fahne geschrieben, nicht nur einfach so weiter zu machen sondern durchzustarten. Erste Ideen sind geboren worden, wir haben das Ganze in Form gebracht und analytisch aufgearbeitet. Vor etwa zwei Jahren haben wir schließlich entschieden, das Thema professionell anzugehen.“

Was bedeutet nun dünnwandig und wo werden solche Rohre gebraucht? Unter dünnwandigen Rohren versteht Dietzel Stahlrohre und Edelstahlrohre ab 42 mm Außendurchmesser bis zu einer Wandstärke von 2 mm sowie Aluminiumrohre ab 60 mm Durchmesser bis 3 mm Wandstärke. Sie werden mit diversen Radien als Einzelteile oder in Kombination mit flexiblen Schlauchelementen als System gefertigt. Auf dünnwandige Rohrleitungen greift man zurück im Nutzfahrzeugbau, Baumaschinenbereich bis hin zum traditionellen Maschinen- und Anlagenbau.

Kleine Radien sind der USP

An der Stelle noch ein Hinweis auf die Qualitäten: Zu haben sind Stahlrohre blank oder KTL-beschichtet bis 200 °C, Stahlrohre mit diverser Galvanik oder Hitzeschutz bis 500 °C oder aber speziell beschichtete oder gehärtete Edelstahlrohre beziehungsweise Aluminiumrohre blank. Die Frage, warum die Fixierung auf 2 mm, beantwortet Andreas Gerth so: „Was die Wandstärke angeht könnte das theoretisch auch 0,8 mm sein, wobei das hinsichtlich der Verformbarkeit dann schon die technische Grenze ist. In der Regel bewegen wir uns im Stahl- und Edelstahlbereich in dem Spektrum von 1,5 bis 2 mm. Das ist so unsere Spielwiese.“

Welche Applikationen können nun damit abgedeckt werden? Vertriebsleiter Jörg Splitter beschreibt die Einsatzgebiete: „Unser Schwerpunkt ist im Wesentlichen die Motorverrohrung und die Rede ist hier von Industriemotoren wie sie beispielsweise in Baumaschinen oder selbstfahrenden Landmaschinen zum Einsatz kommen. Es geht hier primär um Gewichtseinsparung, es muss immer kleiner und kompakter gebaut werden und das war schließlich der Anspruch, uns diesbezüglich aufzustellen.“

Andreas Gerth beschreibt die Anwendungsgebiete noch etwas detaillierter und zählt auf: Ladeluftrohre im Kalt- und Heißbereich, Abgasrohrführungen, Rohre für Fluidkreisläufe, Verrohrung im Bereich der Land- und Forsttechnik, individuelle Lösungen im Sonderfahrzeugbau, Verrohrung im Bereich Generatorbau, individuelle Lösungen im Bereich Vakuumtechnik.

Jörg Splitter

Jörg Splitter, Dietzel Hydraulik, Bild: fluid/gf
„Im Motorraum wird es immer enger und von daher ist der Nutzwert groß, dass wir es bei dünnwandigen Rohren geschafft haben, sehr enge Radien zu realisieren.“

Motor mit Dünnwandverrohr

Motor mit Dünnwandverrohrung als 3D-Modell: Realisiert sind hier enge Biegeradien.

Was die Zusammenarbeit mit den Kunden angeht, so lässt sich diese ohne Übertreibung als Entwicklungspartnerschaft bezeichnen. „Unser direkter Zugang zu den Anwendungen und den Anforderungen erfolgt über die technische Konstruktion. Unsere Engineeringabteilung arbeitet sehr eng mit der Engineeringtruppe unserer Kunden zusammen. So entstehen dann gemeinsam die Lösungen“, betont Splitter.

Dass Anwender, die bei der Verrohrung Platzprobleme haben, ausgerechnet auf die Lösung von Dietzel Hydraulik setzen, hat einen triftigen Grund, den Gerth so beschreibt: „Die Bauräume werden immer enger und wir haben es mit unserer Technologie geschafft, bei den Rohrbögen sehr enge Radien zu realisieren.

Konkret: R kleiner gleich 1 x D. Ohne Frage, mit diesen kleinen Radien haben wir einen USP. Da steckt jede Menge fertigungstechnisches Know-how dahinter. Die Rohrbögen sind als Schweißkonstruktion ausgeführt. Die Teile nun so zu produzieren, dass sehr enge Radien entstehen und das Ganze dann auch noch gas- und flüssigkeitsdicht zu verschweißen, darauf sind wir schon stolz. Das ist fertigungstechnisch schon der Hammer. Inzwischen ist es schon so, dass die Kunden aktiv auf uns zukommen. Weil sie wissen, dass wir diese Technologie beherrschen und in der Lage sind, schnell von einem Radius auf einen anderen umzupolen.“

Apropos Schweißkonstruktion: Eine Fertigungsmann könnte natürlich auch auf die Idee kommen, die Rohrbögen zu gießen. „Um diesen Prozess wirtschaftlich zu gestalten, müssten entsprechend hohe Stückzahlen dahinter stehen“, sagt Andreas Gerth und ergänzt: „Wir produzieren heute kleine bis mittlere Serien. Also Stückzahlen von 10 bis 500 Stück. Mittelfristig haben wir schon die Großserienfertigung für Industriemotoren im Fokus.“

Rohre im Mobilkran

Einsatz dünnwandiger Rohre in einem Mobilkran. Bild: Dietzel Hydraulik

Dass sich bei Dietzel das Geschäft mit den dünnwandigen Rohren derzeit recht erfreulich entwickelt, hat auch mit der Umsetzung neuer Abgasnormen zu tun, die zu Veränderungen im Motorraum führen. Denn neue Motorengenerationen werden kompakter bei gleichbleibenden beziehungsweise kleiner werdenden Bauräumen.

Doch die eigentliche Triebfeder für das Dietzel-Engagement in Sachen dünnwandige Rohre war das nicht. Diplom-Ingenieur Gerth: „Begonnen hat das ganze Thema auf der anderen Seite des Motors und zwar auf der Ladeluftseite. Erst in den letzten eineinhalb Jahren hat sich das Thema mehr zur Abgasseite hin verlagert, bedingt durch die vorgegebenen Vorschriften.“

Resümee: Überall dort, wo es eng zugeht, ist das Betätigungsfeld von Dietzel Hydraulik. Und aufschlussreich war die Erkenntnis, dass dünnwandige Rohre eine Reise wert sind, allemal. Fest steht heute schon: Die Hydrauliker in Beerwalde werden in nächster Zeit noch richtig kräftig zu tun haben, denn es ist nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber bei den Abgasvorschriften zukünftig auf die Bremse treten wird.

Autor: Franz Graf, Chefredakteur

 

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