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Bisher wird die KI-Software zur Predictive Maintenance hauptsächlich an Windkraftanlagen eingesetzt. Auf der Hannover Messe aber präsentierte das Start-up Lösungen für Verarbeitungsmaschinen aus Bergbau und der metallverarbeitenden Industrie. (Bild: Adobe Stock/satori)

Wenn eine Windenergieanlage, beispielsweise wegen eines defekten Getriebes, Feuer fängt, ist es für Wartungen zu spät. Zwar werden Windkraftanlagen fernüberwacht, Ingenieure werten Prozessdaten aus und reagieren darauf – die Ursachen für die Ausfälle aber erkennen sie auf diese Weise aber häufig zu spät oder gar nicht. Anders die Software des Start-ups Indalyz Monitoring & Prognostics (IM&P) aus Halle (Saale). Basierend auf künstlicher Intelligenz verspricht die Software dem Anwender Predictive Maintenance – vorausschauende Wartung also. Das System ist anwendbar für Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge. Es wertet große Mengen an Prozessdaten und von Sensoren gemessene Maschinenzustandsdaten aus und bereitet sie auf. Damit werden genaue Angaben über den Verschleißverlauf einzelner Bauteile und die daraus zu erwartenden Schäden möglich. Der Vorhersagezeitraum bewegt sich dabei vom Sekunden- bis zum Jahresbereich.

Software trainiert sich selbst

Bisher basiert die Einschätzung des aktuellen Maschinenzustandes auf statistischen Daten zur Lebensdauer. Die individuelle Belastung einzelner Maschinen- oder Anlagenkomponenten wurde dagegen kaum berücksichtigt – wenn überhaupt, dann durch Auswertung regelmäßiger, kosten- sowie personalaufwändiger Inspektionen.

„Die Zukunft erfordert aber,“ so Professor Michael Schulz, „dass Maschinen potentielle Schäden selbständig erkennen und verhindern.“ Die dafür entwickelte Software ist selbstlernend und begleitet die Maschinen über den gesamten Lebenszyklus. Sie verfügt anfangs über einen Pool an Grundinformationen, unter anderem basierend auf ingenieurtechnischem Expertenwissen und Erfahrungen von anderen Maschinen gleichen Typs. Dann beginnt die Software im Betriebszustand Daten zu sammeln: Informationen, die hauptsächlich von der zu überwachenden Maschine kommen und die ihre spezifischen Betriebszustände reflektieren. Die Software lernt daraus, trainiert sich selbst und schließt aus diesen Daten auf die zukünftige Verschleißentwicklung. Die resultierenden Prognosen sind genau: Die Hauptschadensgruppen können mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent vorhergesagt werden, nur 3,5 Prozent sind Fehlalarme, und 0,5 Prozent der Schäden entstehen spontan und entziehen sich der Prognose.

Ausfälle und Umweltschäden vermeiden

Einsetzbar ist die Software nicht nur bei Windkraftanlagen, sondern auch bei Wasser- oder Wärmekraftanlagen, Zementmühlen, Zentrifugen, Schiffsmotoren und Bergbaumaschinen. Derzeit ist die Firma an einem Forschungsprojekt mit einem Chemiewerk beteiligt: Motoren öffnen und schließen dort Armaturen an medienführenden Leitungen, durch die unterschiedliche Stoffe fließen. Aus permanenten Tests kann geschlussfolgert werden, ob diese Motoren ausreichend funktionieren oder zu welchem Zeitpunkt sie ausfallen könnten. Bei einem unvorhergesehenen Versagen, so der Professor, könne das nicht nur einen Totalausfall der Anlage bewirken, sondern in der Chemieindustrie auch verheerende Folgen für Mensch und Umwelt haben.

Überwachen und steuern

Die Fernüberwachung von Anlagen ist eine der zwei Säulen des IM&P-Geschäftes. Die zweite besteht aus Entwicklung, Installation und Konfiguration anlagen- und kundenspezifischer Steuerungshard- und Software. Auch diese Software ist selbstlernend, benötigt aber keine spezifische Trainingsphase. Entscheidend sind die Signale, die sie von der Maschine empfängt und auf die sie im Bruchteil von Sekunden reagiert – fast schneller als die Elektronik der Maschine. Damit ist die Software in der Lage, steuernd einzugreifen.

Früher, so Professor Schulz, wurden weitgehend lineare mathematische Relationen genutzt, um eine Maschine zu steuern. Diese waren vom Menschen beherrschbar und ohne große Vorkenntnis leicht verständlich. Heute aber ist der Komplexitätsgrad der Maschinen höher, Steuerung sowie Überwachung bedürfen deshalb weitaus komplexerer Relationen. Das erfordert leistungsfähige Prozessoren und ausgefeilte Algorithmen.

„Menschen allein können die Zusammenhänge nicht mehr erkennen. Moderne Maschinen sind multifunktionale Systeme, die durch künstliche Intelligenz zu bisher kaum vorstellbaren Leistungen geführt werden können.“ Das Thema interessiert den Physiker schon lange. Nach dem Studium in Halle (Saale) an der Martin-Luther-Universität, lehrte er in Ulm, New York und Chemnitz. Von Beginn an hat sich Schulz mit Künstlicher Intelligenz und komplexen Systemen beschäftigt. Auf diesem Gebiet, der klassischen Mechanik komplexer Systeme, gibt es viele Fragen, aber nur wenige Fachleute an den Hochschulen; der Bedarf in der Industrie sei aber riesig – weltweit, betont der Wissenschaftler.

Vom Wind zum Metall

Deshalb gründete er 2015 IM&P im Technologie- und Gründerzentrum auf dem Weinberg-Campus in Halle (Saale). Als innovatives Start-up wurde der GmbH 2017 der Hugo-Junkers-Preis des Landes Sachsen-Anhalt für ihr künstlich intelligentes Maschinenüberwachungssystem CASIS (Cognitives Autonomoues Sensory Intelligent System) verliehen.

Das Unternehmen betreut Windkraftanlagen auf der ganzen Welt. Aus den vier Mitarbeitern sind inzwischen sieben geworden, drei weitere Einstellungen sind geplant. Bei der Präsentation auf der diesjährigen Hannover-Messe lag der Fokus allerdings nicht mehr ausschließlich auf Windenergieanlagen, sondern auf der Überwachung von Verarbeitungsmaschinen in den Branchen Bergbau und Metallverarbeitung. ck

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