Rainer Bopp

Rainer Bopp gehört zu der Gruppe von Ingenieuren, die den Hammer entwickelt haben.

Thomas Jörg Hüttenhein, Geschäftsführer von Schöttler, und Rainer Bopp, technischer Verantwortlicher und Entwickler des Linearhammers von Schuler, berichten von unvorhergesehenen Effekten im Hammeralltag.

Thomas Jörg Hüttenhein

Thomas Jörg Hüttenhein ist von den Möglichkeiten des Servohammers begeistert.

Ein gutes Jahr ist vergangen, seit der Schuler-Linearhammer mit Elektroantrieb bei Schöttlein in Betrieb gegangen ist. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?

Thomas Jörg Hüttenhein: Nun, wir hatten ursprünglich ja nur das hehre Ziel, Energie zu sparen. Das haben wir erreicht; sogar noch ein bisschen mehr, als wir ursprünglich geplant hatten.

Wie viel denn konkret?

Rainer Bopp: Bei der Projektdefinition hatten wir als Zielgröße eine Einsparung von 20 Prozent definiert. Wenn wir heute einen typischen Schmiedeprozess betrachten, liegen wir im direkten Vergleich mit einem hydraulischen Hammer bei einer Energieersparnis von etwa 23 Prozent. Darüber hinaus bietet der Linearhammer zusätzliches Potential mit weniger Schlagenergie zu schmieden, da aufgrund der gesteigerten Präzision ohne Energieüberschuss geschmiedet werden kann. Das hat dann zur Folge, dass wir im Vergleich zum Hydraulikhammer noch mehr Energie einsparen können.

Hüttenhein: Wir haben mit der Zeit festgestellt, dass wir mit dem elektrischen Hammer ganz anders arbeiten können, als wir das mit dem hydraulischen tun würden. Wir haben immer neue Möglichkeiten erkannt, wie wir Dinge viel schneller und viel effektiver angehen können. Was wir zu Beginn des Projektes auch völlig außer Acht gelassen haben, war die Genauigkeit, mit der das Aggregat arbeitet. Diese Genauigkeit ist der Schlüssel dazu, effektiver zu arbeiten und damit natürlich Energie zu sparen.

Wie macht sich das in der Praxis bemerkbar?

Hüttenhein: Wir mussten umdenken. Zum Beispiel haben wir mit dem Hydraulischen am Ende des Ablaufes aufgrund seiner fehlenden Genauigkeit grundsätzlich immer den „Angstschlag“, wie ich ihn bei unseren Schmieden immer nenne. Dieser Schlag bringt kaum weitere Verformung, sondern trifft zum größten Teil nur noch die Aufschlagflächen. Das stellt sicher, dass das Teil auch tatsächlich maßhaltig ausgeschmiedet ist. Beim elektrisch angetriebenen Aggregat definieren wir genau, wohin wir fahren.

Wenn die Schlagablauffolge durchgeführt worden ist und wir keine gravierenden Änderungen in den anderen Parametern haben, die das Schmieden beeinflussen, sprich Temperatur, Lage des Teils oder Material und Werkstoff, dann braucht man diesen letzten Schlag nicht. Wenn das Aggregat bis an die definierte Stelle gefahren ist, signalisiert die Maschine dem Schmied über ein Ampelsystem das Ende des Prozesses. In diesem Teilbereich sparen wir Energie also durch die Ablaufänderung. Außerdem ist es natürlich so, dass wir maßhaltigere Teile haben, das heißt, die Ausschussquote ist gesenkt worden.

Bopp: Zudem ist zu erwähnen, dass Prozessschritte in den Hammer integriert wurden, die vorher auf zusätzlichen Aggregaten gemacht werden mussten, beispielsweise das Anpressen.

Welche anderen Prozesse sind mit dem Hammer möglich?

Hüttenhein: Grundsätzlich ist das Aggregat ja an sich, vom Maschinenbau, nichts anderes als der hydraulische Hammer. Nur ist hier der elektrische Motor mit dementsprechend genauem Wegemesssystem der Schlüssel zum Erfolg. Wir können ein-Prozent-Schläge machen, was wir mit einem hydraulischen Aggregat in der Qualität nicht könnten. Wir machen Biegeprozesse, Entschlackungsprozesse; wir machen sogar Richt- und Kalibrierschläge.

Das verändert nicht nur den gesamten Ablauf, sondern bringt auch die Produktionszeit deutlich nach unten: Wir haben keine Liegezeiten mehr, wir müssen keine zusätzliche Maschine rüsten. Sie brauchen keine extra Arbeitsgänge, Sie müssen nicht noch einmal erwärmen oder zwischenwärmen oder auf Temperatur halten, was ja alles Energie kostet und Geld.

Wir mussten vorher wesentlich präzisere Werkzeuge herstellen und mit ganz anderen Anbauelementen, wie Führungen, Aufschlagflächen und definierten Höhen, arbeiten. Weil wir dem Hammer quasi die Möglichkeit gegeben haben, selbst Einfluss auf diese Qualität zu nehmen, brauchen wir das alles nicht mehr.

Würden Sie das Modell mit Elektromotor also wieder kaufen?

Hüttenhein: Auch wenn der Herr Bopp sein Geld damit verdient, hydraulische Anlagen zu bauen: Bei mir kommt keine mehr ins Haus. Ich bin von dem elektrischen Aggregat so angetan, dass ich sage: Es gibt keinen Grund dafür, den nächsten Schmiedehammer nicht elektrisch anzutreiben. Es ist grundsätzlich eine bewährte Technologie, die Schmiede müssen sich kaum umgewöhnen. Es ist ein Hammer, so wie er früher auch war. Aber er hat eine ganze Menge zusätzlicher Eigenschaften, die uns enorm nach vorne katapultiert haben.

Gibt es eine Grenze, ab der nur noch hydraulische Antriebe in Frage kommen, beispielsweise was die Größe angeht?

Bopp: Eine technische Begrenzung gibt es nicht. Wir können theoretisch auch sehr große Linearhämmer bauen, bis zwölf oder 16 Metertonnen. Sie müssen allerdings wissen, dass beispielsweise auch ein Linearmotorhersteller spezielle Vorrichtungen benötigt, um einen Linearmotor in diesen Dimensionen überhaupt fertigen zu können, und in diesem Bereich sind natürlich noch weitere Entwicklungsschritte erforderlich.

Da sich die Grundkonstruktion des Linearhammers an der des hydraulischen Hammers orientiert, ist eine Adaption des Antriebskopfes möglich. Das heißt, wir können eine bestehende Hammer-Anlage ohne Probleme umbauen. Hierfür sind keine besonderen baulichen Maßnahmen oder mehr Platz erforderlich. Viele Anwendungsbereiche aus der Schmiedeindustrie, die mit Hämmern zu tun haben, wie zum Beispiel Freiformschmieden oder das Gesenkschmieden in Gegenschlaghämmer, sind für diese Aggregate mit elektrischem Antrieb ebenfalls ideal geeignet.

Planen Sie denn, einige Ihrer Anlagen noch umzurüsten?

Hüttenhein: Ja, wir haben in Planung, ein bestehendes, hydraulisches Aggregat umzurüsten. Wir sind in Gedankenspielen dabei, uns mit weiteren Projekten rund um den Linearhammer zu beschäftigen. Aber meine Gesellschafter wollen natürlich erst den Erfolg des bisherigen Aggregats sehen.

Wie sieht es mit dem ROI aus?

Hüttenhein: Wir hatten uns ursprünglich mit einem ROI von etwa vier Jahren zufrieden gegeben. Ich gehe aber fest davon aus, dass wir das deutlich toppen werden, weil wir ja nicht nur die Energieersparnis haben, sondern auch die Wartung und Instandhaltung des Aggregats. Bei einem zwei-Metertonnen-Aggregat sprechen wir immerhin über rund 1000 bis 2000 Liter Öl pro Jahr, die wir reinigen, additieren und austauschen müssten. Außerdem haben wir über die Art der Fertigung, ohne Kolbenstangen und Ventile, einen wesentlich geringeren Verschleiß im Aggregat selbst haben.

Der Wartungsfaktor, den wir ursprünglich mit dem hydraulischen Wartungsfaktor verglichen haben, wird deutlich niedriger ausfallen. Dazu kommen die größere Effizienz, weniger Ausschuss und weniger Material. Wir haben weniger Gesenkverschleiß. Wenn man das alles zusammenrechnet, ist man – denke ich – mit einem ROI von zweieinhalb Jahren auf jeden Fall dabei. Und das ist für ein Schmiedeaggregat in dieser Größenordnung schon verdammt gut.

 

Hintergrund

Linearhammer

Test bestanden: In seinem ersten Betriebsjahr hat der Linearhammer die Erwartungen erfüllt.

Der erste Servo-Hammer

Bei der Gesenkschmiede Rud-Schöttler in Hagen hatte Schuler am 1. Oktober 2014 den ersten Linearhammer mit Servo-Technologie vorgestellt. Schmiedehämmer wurden bis dahin entweder hydraulisch, pneumatisch oder über Flachriemen angetrieben.

Die Neuentwicklung läuft hingegen mit einem Linearmotor, wie er zum Beispiel auch im Transrapid zum Einsatz kommt.

Die elektronische Steuerung passt den Energieanteil und die Anzahl der erforderlichen Schmiedeschläge nach jedem Schlag automatisch dem tatsächlich erreichten Schmiedeergebnis an, bis die vorgewählte Bauteilstärke erreicht ist.

 

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