B1

Brückenhubzylinder von Hunger Hydraulik mit aufgebautem Steuerblock.

Unterschiedliche Brückenbauarten, wechselnde Verkehrssituationen und architektonische Besonderheiten fordern jeder Klappbrücke eine neue, kundenspezifische Hydraulikentwicklung ab.

KlappbrückeModerne Klappbrücken arbeiten mit hydraulischen Antrieben: zum einen um die enormen Gewichte zu bewegen und zum anderen um die auftretenden Windlasten sicher aufzunehmen. Die Hydraulik einer Klappbrücke besteht aus Brückenhubzylindern, die oft direkt am Brückenblatt angekoppelt sind. Sicherheitssteuerblöcke, das Hydraulikaggregat sowie Nebenantriebe für die Verriegelung in den Endlagen oder für die Bewegung der Verkehrsabsperrungen machen die typische Klappbrücken-Hydraulik komplett. Je nach Brückentyp sind die Hydraulikzylinder am Vor- oder am Rückarm des Brückenblattes befestigt.

Ein Brückenblatt kann mit Gegengewichten ausbalanciert sein – wie bei der Schlossbrücke in St. Petersburg. Oder aber sein Gewicht lastet direkt auf den Brückenhubzylindern – wie bei der Poole Bridge im englischen Dorset. In jedem Fall muss bei der Auslegung auch an mögliche Schnee- oder Windlasten in öffnender und schließender Richtung gedacht werden. Gerade bei ausbalancierten Brückenblättern sind die maximalen Windlasten oft stärker, als das Gewicht der Brückenblätter selbst. Aus diesem Grund müssen Brückenhubzylinder immer einen Vier-Quadrantenbetrieb leisten: ziehende und drückende Lasten, sowohl beim Öffnen als auch beim Schließen.

B3

Hydraulikaggregat einer Klappbrücke.

Sämtliche Brückenhubzylinder sind deshalb als Differentialzylinder ausgeführt. An jedem Zylinder ist der Steuerblock mit den Lasthalte- und Sicherheitsventilen für ein Maximum an Sicherheit direkt angeflanscht. Als Lasthalteventile kommen Senkbremsventile zum Einsatz. Ihr Vorteil ist, dass sie jede Last in beliebiger Position sicher und leckagefrei halten. Ein weiterer Pluspunkt: Die Ventile verhindern bei starken Windlasten in Bewegungsrichtung ein Vorauseilen der Last gegenüber der geregelten Geschwindigkeit sicher.

Für noch mehr Sicherheit und eine symmetrische Lasteinleitung kommen auch gerne mal zwei Hydraulikzylinder je Brückenblatt zum Einsatz. Im Falle der Modernisierung der Schlossbrücke in St. Petersburg zum Beispiel wurde sogar eine Lösung mit sechs Hydraulikzylindern je Brückenblatt gewählt, um die historischen Brückenblattkonstruktionen nicht zu überlasten.

Risikominimierung fängt schon am System an

Bei der Auslegung der Hydraulikzylinder aber auch bei der Dimensionierung der gesamten Hydraulikanlage wird berücksichtigt, dass zumindest ein Zylinder ausfallen kann. Das heißt, dass jeder einzelne Zylinder im Notfall die gesamte Last sicher abstützen und bewegen können muss. Dazu ist der Steuerblock auf jedem Hydraulikzylinder mit einer Kurzschlussschaltung für den ausgefallenen Zylinder ausgerüstet. Eine zweistufige Druckabsicherung sorgt im Notfall für einen höheren Betriebsdruck.

Gelenklager

Wartungsfreies Gelenklager mit Edelstahlabdeckung an einem Hydraulikzylinder.

Der Steuerblock erfüllt für jeden Brückenhubzylinder eine weitere wichtige Funktion: Er schaltet ihn in der Verkehrslage hydraulisch frei. Die Brückenblätter werden durch den über sie rollenden Verkehr in Biegeschwingungen versetzt. Das leitet Hubbewegungen in die Hydraulikzylinder ein. Bei abgesperrten Zylinderkammern hätte dies schädigende Druckspitzen zur Folge. Aus diesem Grund werden Brückenhubzylinder mit elektrisch betätigten Wegeventilen in der Verkehrslage drucklos geschaltet.

Brückenhubzylinder sind mit Dicht- und Führungselementen aus Kunststoff-Compound ausgerüstet. Ohne den Compund wäre ein reibungsarmer Ablauf aus zwei Gründen nicht möglich: Erstens sind Brückenblätter anfällig für Schwingungen. Zweitens stellt ein Brückenblatt einen enormen Resonanzkörper dar. Ein solcher Körper kann vor allem Stick-slip-Schwingungen und Vibrationen deutlich hörbar verstärken.

Um die Verfügbarkeit der Hydraulikzylinder weiter zu erhöhen und um notwendige Services flexibler planen zu können, können Hydraulikzylinder mit dem von außen nachstellbaren Dichtsystem Hunger EVD ausgestattet werden. Im Falle einer Leckage an der Kolbenstangendichtung kann die Sekundärdichtung aktiviert und an die Kolbenstange angepresst werden. Damit ist der Zylinder wieder abgedichtet und der Betreiber kann einen Service zum bestmöglichen Zeitpunkt einplanen.

Äußere Einflüsse sind nicht unplanbar

B6

Simulationsergebnis eines hydraulischen Brückenantriebs zum Fahrprofil „Öffnen“.

Hohe Luftfeuchtigkeit an Flüssen oder Seehäfen setzt Brückenhubzylindern zu. Abhilfe schafft ein leistungsfähiger Korrosionsschutz. Die Zylinder selbst werden mit mehrlagigen Anstrichsystemen geschützt und für die Kolbenstangen stehen entsprechende Beschichtungssysteme, wie Ceraplate und Ultraplate, zur Verfügung. Aber auch die Gelenklager auf der Bodenseite und am Stangenende des Hydraulikzylinders wollen vor Korrosion und Schmutz geschützt werden. Dazu werden wartungsfreie Spezialgelenklager mit Edelstahlkugel verwendet. Die Lager sind zusätzlich durch abgedichtete Edelstahldeckel geschützt.

Die Druckölversorgung und die Geschwindigkeits- beziehungsweise Positionsregelung erfolgt zumeist von einem zentralen Hydraulikaggregat je Brückenblatt. Das Aggregat steuert neben den Brückenhubzylindern auch die Verriegelungszylinder und die Gegengewichtszylinder an.

Verfügt die Brückenanlage über zwei oder mehrere Brückenblätter, müssen sämtliche Blätter-Bewegungen synchronisiert werden. Zum Verständnis: Das Fahrprofil eines Brückenhubes besteht im Wesentlichen aus der Anfahrphase mit reduzierter Geschwindigkeit, der Beschleunigung auf Maximalgeschwindigkeit, dem Abbremsen auf Schleichgeschwindigkeit kurz vor Erreichen der jeweiligen Endlage sowie dem Positionieren in der Endlage.

Die Synchronisierung der Blätter-Bewegungen geschieht einerseits aus ästhetischen Gründen und ist andererseits notwendig, um die Brückenblätter in der richtigen Reihenfolge und Lage zueinander zu positionieren. Nur so ist eine störungsfreie und sichere Verriegelung zwischen den geschlossenen Brückenblättern möglich.

Wegen der oft erforderlichen großen Volumenströme sowie einem Arbeitsdruckbereich, der um bis zu 250 bar variieren kann, werden meist Regelpumpen eingesetzt. Bei größeren Anlagen kann es sogar vorkommen, dass zwei oder drei Regelpumpen in eine Druckleitung fördern und synchronisiert werden müssen. Ein besonderer Aspekt, der bei der Dimensionierung der Hydraulikanlagen für Brücken berücksichtigt werden muss, ist die oft sehr hohe Umgebungsluftfeuchtigkeit am Aufstellort.

Da bei jedem Brückenhub mehrere Kubikmeter Öl ausgetauscht werden und folglich die gleiche Menge Luft über die Luftfilter angesaugt wird, stoßen industrieübliche Luftentfeuchter schnell an ihre Leistungsgrenzen. Je nach Einsatzfall sind deshalb Spezialluftfilter unverzichtbar. Natürlich können die Aggregateräume auch mit einer Klimatisierung ausgestattet werden.

Simulieren und optimieren

Wesentlich für das Engineering ist heute die dynamische Simulation des hydraulischen Antriebssystems. Dabei werden sowohl die einzelnen hydraulischen Komponenten des Antriebssystems, als auch die angekoppelten mechanischen Komponenten als Berechnungsmodell nachgebildet.

Mit dem Simulationsmodell ist es dann möglich, das Fahrverhalten sowie wichtige Parameter wie hydraulische Drücke, Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen im Voraus zu berechnen und kritisches Betriebsverhalten rechtzeitig zu erkennen. Die Simulation hat sich vor allem bei der Findung von Startparametern für die Erstinbetriebnahme bewährt. Mit den zuvor simulierten Startparametern ist eine schnellere und sicherere Inbetriebnahme möglich, die vor allem das Bauwerk selbst vor Überlastung schützt.

Auf die Erfahrung und das Feingefühl des Servicetechnikers vor Ort kann zwar nicht verzichtet werden. Eine sichere Startkonfiguration macht die Optimierung des Systems jedoch einfach. Auch bei der Optimierung ist die Simulation hilfreich. Zum Beispiel zeigt sie anschaulich die Auswirkungen von modifizierten Reglerparametern oder geänderten Düsengrößen und Steuerkolben an. Neben dem Fahrprofil selbst sind auch dynamische Effekte erkennbar – vor allem beim Geschwindigkeitssignal kurz vor Erreichen der Endlage.

Auch die Betrachtung von kritischen Betriebszuständen, wie sie zum Beispiel ein Not-Stopp oder ein Stromausfall darstellen, bietet sich an. Diese können zu extrem hohen Beschleunigungen, Kräften oder Drücken führen und sind deshalb für die Dimensionierung aller Baugruppen von besonderem Interesse.

Auch nach der Inbetriebnahme kann das Simulationsmodell durch Messungen an der realen Brücke weiter optimiert und für die Fehlersuche und Störungsanalyse genutzt werden.

Autor: Dr.-Ing. MBA Ingo Rühlicke, Hunger Hydraulik, www.hunger-hydraulik.de

 

 

Sie möchten gerne weiterlesen?