Da Kunststoff ein schlechter Wärmeleiter ist, nimmt die erforderliche Aufblas- und damit Abkühlzeit mit zunehmender Artikelwandung exponentiell zu, was bei einer Verdoppelung der Dicke der Artikelwandstärke eine Vervierfachung der Aufblas- und Abkühlzeit erfordert.
Toni Prijon kann an keinem Boot vorbeigehen, das frisch aus der Maschine kommt, ohne mit der Hand längs über die Oberfläche zu fahren. Was zuerst wie eine beiläufige, irgendwie liebenswerte Angewohnheit aussieht, stellt sich als Teil der Qualitätskontrolle heraus. Der frischgeformte Kunststoff ist an stärkeren Partien am Bug und Heck deutlich wärmer als an dünnwandigeren Stellen in der breiteren Mitte. Diese Unterschiede lassen sich fühlen und gäben im Falle eines Produktionsfehlers einen ersten Warnhinweis. Zusätzlich wird jedes Kajak sofort gewogen, um sicherzustellen, dass insgesamt genug Material verwendet wurde.
Verfahrensbedingt wird die Wärmeenergie beim Blasformen über die Außenseite des Blasformteiles abgegeben. Das ist auch zu spüren, wenn man während des Betriebes in die Halle kommt, der Kunststoff wird nämlich auf eine Temperatur von 210 Grad Celsius erwärmt. Alle Hallentüren sind offen, wenn die Maschine läuft und im Winter bildet sich an den Metallteilen überall Kondensat. Die richtige Temperatur ist aber entscheidend für den Grad der Viskosität des Materials. Die Viskosität muss so hoch sein, dass der Schlauch in der geforderten Länge und Dicke frei hängen kann, ohne einzufallen oder abzutropfen.
Das fast fertige Kajak kommt aus der Maschine (Quelle: fluid)
Der Materialmix
Der Firmenchef entwickelt, baut und testet seine Prototypen selber, wofür ihn seine beiden Ausbildungen zum Schreiner und Kunststoffingenieur wie maßgeschneidert qualifizieren. Ein wichtiger Punkt ist die Materialauswahl. Dem geeigneten Ausgangskunststoff muss auf jeden Fall ein UV-Stabilisator beigefügt werden. Toni Prijon erklärt: „Wir liefern sehr viel nach Australien, und die Leute dort sind es gewohnt, ihre Boote draußen liegen zu lassen. Nicht so wie bei uns, wo man die Boote meistens unterstellt. Wenn da kein UV-Stabilisator drin wär, wär das Boot im zweiten Jahr hinüber.“ Außerdem legt man in Rosenheim großen Wert auf eine gute Umweltverträglichkeit der Produkte: „Wir benutzen nur schwermetallfreie Farben. Aus unseren Abschnitten schneiden sich unsere Mitarbeiter ihre Brotzeitbrettln raus, das ist gar kein Problem.“
Nebenbei nimmt Toni Prijon alle bei ihm gekauften Boote lebenslang zurück – die zu 100 Prozent recyclingfähigen Bootskörper kommen nicht in den Müll, sondern werden geschreddert und wiederverwendet. Dazu arbeitet der Betrieb ohne Verschnitt und Verlust. Alle Teile, die nach dem Blasvorgang vom Rohling abgetrennt werden, kommen in den Schredder und zurück in die Fertigung.
Der minimale Verschnitt wird der Fertigung wieder zugeführt (Quelle: fluid)
Die Blasformmaschine
Viele Blasformmaschinen tun – wie bei Prijon – ihren Dienst bereits seit Jahrzehnten zuverlässig in deutschen Betrieben und werden lediglich gewartet und mit neuen, unterschiedlichen Werkzeugen bestückt. Selbstverständlich ist der Markt aber in Bewegung und bringt permanent Neuentwicklungen hervor. Hergestellt werden nicht nur Verpackungsartikel wie Flaschen, Kanister oder Fässer, sondern auch technische Teile wie zum Beispiel Lüftungskanäle, Kofferhalbschalen, Dachgepäckträger oder Kfz-Benzin-Tanks. Der Rauminhalt dieser Artikel reicht dabei von wenigen Millilitern, wie bei Arzneimittelverpackungen, bis hin zu derzeit maximal circa 13.000 Litern, etwa bei Heizöltanks.
Dabei bleibt es auch nicht bei homogenen Materialien – durch Weiterentwicklung der Extrusionsköpfe sind Hightech-Multilayerverfahren möglich. Bei der sogenannten Coextrusion werden zwei oder mehrere unterschiedliche Kunststoffe miteinander verbunden. In ihrer Kombination weisen sie Eigenschaften auf, die sie bei einzelner Verarbeitung nicht bieten könnten.
Die Firma Rikutec beispielsweise liefert diskontinuierlich arbeitende Coextrusionsanlagen, die Teile mit bis zu fünf verschiedenen Layern herstellen können und das auch noch bei sehr großformatigen Containern. Darin lassen sich auch diffundierende Chemieprodukte lagern und transportieren. Auch die Lebensmittelindustrie bedient sich vermehrt der Coextrusions-Vorteile zur Haltbarkeitsverlängerung von bis zu zwölf Monaten durch Lichtschutz und Sauerstoffbarriere für milchhaltige und Fruchtsaft-Getränke. In Verbindung mit dem Kunststoff Polypropylen (PP) können Lebensmittel sogar heiß abgefüllt werden.
Bei der Branchengröße Kautex wird aktuell die Umstellung von hydraulischen Antrieben auf servoelektrische Antriebe zur Verbesserung der Effizienz der Systeme vorangetrieben. Außerdem entwickelt das Unternehmen die Integration der Prozesstechnik. Heute finden Prozesse bereits in der Blasmaschine statt, die früher in den Nachbearbeitungslinien durchgeführt wurden. Und es werden verstärkt Simulationswerkzeuge genutzt – nicht nur in der Entwicklung, sondern auch in der Ausbildung des hauseigenen Personals und des Personals des Kunden. Maschinenbediener werden dafür an im Haus entwickelten simulierten Maschinen in die Bedienung eingeführt. Weitere Trends in der Branche der Blasmaschinen sind im Zuge der allgegenwärtigen Industrie 4.0-Innovationen Faktoren wie Rückverfolgbarkeit und automatisierte Qualitätskontrolle.
Immer wichtiger werden auch die Energieeffizienzvorgaben. Etwa ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs in der Kunststoffverarbeitung fällt auf Extrusionsprozesse zurück. Durch den Einsatz moderner Antriebe ist es den Herstellern in den letzten Jahren gelungen, den Energieverbrauch in Kilowattstunden pro Kilogramm verarbeiteter Kunststoff spürbar zu senken. Bei der Konzeption ihrer Maschinenbaureihen hat BBM die heute angebotenen Low-Energy-Hydrauliksysteme, mehrstufige Schließbewegungen, die im geschlossenen Zustand keine Energie verbrauchen, direktangetriebene Extruder sowie vollelektrische Maschinenbaureihen entwickelt. jl